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Schubertbund, Wiener (WSB)
Männergesangverein. Gegründet als Lehrersängerchor Sch. am 14.11.1863 im Gasthaus „Zur neuen Welt“ (Wien I, Ecke Kärntner Straße/Bösendorferstraße; 1963 Gedenktafel enthüllt) von F. Mair. Der Chor war zunächst als Sektion dem Lehrerverein Die Volksschule angegliedert, dem auch seine 86 Gründungsmitglieder angehörten. Die Bezugnahme auf Fr. Schubert erfolgte aufgrund von dessen Abstammung aus einer Lehrerfamilie bzw. dessen kurzer Tätigkeit als Lehrer. 1870/71 spaltete sich der Chor vom Verein Die Volksschule ab (die Statuten des Vereins hatten eine Aufnahme von nicht dem Lehrerstand angehörenden Sängern unmöglich gemacht) und nahm den Namen Sch. an. 1922 wurde – infolge der Bildung anderer Sch.e in Österreich (z. B. Graz, Brünn) und Deutschland – der Vereinsname auf Wr. Sch. geändert, der bis heute (2019) beibehalten wurde. Vereinssitz und Probenlokal befinden sich seit 1918 im Wiener Konzerthaus, der Wahlspruch lautet seit der Gründung: „Dem Wissen treu, im Liede frei“ (T: Josef Stadler, M: Georg Ernst). Der WSB ist seit 1863 Mitglied des Niederösterreichischen  Sängerbundes.

Die Pflege der Werke Schuberts, die auch in den Satzungen festgehalten wurden, stand zunächst im Vordergrund. So wurde bereits bei der Gründungsversammlung als erster Chor Die Nacht (D 983c) gesungen (neben J. W. Kalliwodas Das deutsche Lied), anlässlich des ersten öffentlichen Auftritts am 2.2.1864 in der Augustinerkirche (Wien I) sang man die Deutsche Messe (D 872). Der Pflege der Schubertschen Werke widmen sich v. a. die auf Anregung von A. Kirchl als musikalische Veranstaltungen wieder begründeten Schubertiaden. Die erste fand am 18.12.1901 statt, 1926 konnte bereits die 50. gefeiert werden. Auch heute noch veranstaltet der WSB jährlich Schubertiaden, meist in Schuberts Geburtshaus in Wien IX. Der Verein zählte immer zu den stimmstärksten MGV.en des deutschen Sprachraums. Bei der ersten Chorprobe (21.11.1863) waren 132 Sänger anwesend, beim 1.000. Konzert am 19.2.1924 wirkten rund 400 Sänger mit. Als künstlerische Glanzzeit gelten die Jahre 1927/28, als dem Verein neben 500 Sängern auch ein Damen- und Knabenchor (organisiert vom damaligen 2. Chormeister F. Großmann) zur Verfügung standen. Die große Zahl der Mitglieder brachte es mit sich, dass mehrere sog. Tischgesellschaften gegründet wurden, die durch regelmäßige Zusammenkünfte und heitere Veranstaltungen wesentlich zur Geselligkeitspflege beitrugen (z. B. Saglgesellschaft, Kirchl-Runde, Schubertkneipe, Hofrat Jaksch-Gesellschaft, Keldorfer-Runde). Von musikalischer Bedeutung waren hingegen die Gesangquartette (z. B. 1891–1907 das Soeser-Quartett, benannt nach dem langjährigen Vorstand und Tenorsolisten F. Soeser; ab 1894 das Puhm-Quartett, benannt nach dem 1. Tenor Leopold Puhm; ab 1899 das Andreß-Quartett, benannt nach dem 1. Bassisten August Andreß) und kleinen Instrumentalensembles (u. a. Streichquartette), die mit ihren Auftritten bei musikalischen Veranstaltungen des WSB.es zur Hebung des künstlerischen Niveaus beitrugen und eine abwechslungsreiche Programmgestaltung ermöglichten. Um 1900 bestand auch ein Hausorchester (Orchestervereine), jedoch arbeitete der WSB im Laufe seines Bestehens regelmäßig mit dem Hofopernorchester, dem Orchester des Wiener Konzertvereins, den Wiener Philharmonikern , den Wiener Symphonikern und dem Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester zusammen.

Der WSB unternahm seit seiner Gründung eine fast unüberschaubare Zahl an Sängerfahrten und Konzertreisen in die ganze Welt, auch an nahezu allen großen Sängerfesten nahm er teil (erstmalig am 1. Bundesfest des Niederösterreichischen Sängerbundes 1864). Die erste Sängerfahrt führte 1865 nach Gmunden/OÖ, die erste ins Ausland erfolgte 1884 nach Süddeutschland. Hervorzuheben sind weiters u. a. ein Auftritt bei der Pariser Weltausstellung 1900 vor 4.000 Zuhörern, ein Konzert am 9.6.1906 in Brünn vor 16.000 Zuhörern, die Mitwirkung bei der der Eröffnung der Wiener Urania am 6.6.1910, die Teilnahme am 10. Deutschen Sängerbundesfest in Wien 1928 und ein Konzert vor Papst Pius XI. in Rom 1935. Zahlreiche namhafte Komponisten widmeten dem WSB Werke, zu nennen wären hier u. a. Th. Koschat, W. Kienzl (Wach’ auf, mein Volk!, UA 28.12.1903), C. Lafite, R. Strauss (Die Tageszeiten, UA 21.7.1928; Durch Einsamkeiten, UA 1.4.1939), H. Wagner-Schönkirch, R. Weinwurm, M. v. Weinzierl und R. Wickenhauser. Strauss hatte bereits am 8.12.1922 die österreichische EA seines Bardengesangsdurch den WSB geleitet. 1925 trat J. Patzak dem WSB bei, mehrere wissenschaftliche Abhandlungen von O. E. Deutsch erschienen im Verlag des WSB.es.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die Wiederaufnahme des Vereinslebens mit der ersten Mitgliederversammlung am 13.7.1945 und der ersten Chorprobe im Februar 1946 (80 Sänger). In den folgenden Jahren erfolgte ein steter Aufstieg des Vereins, es kam wie schon vor dem Krieg zur Zusammenarbeit mit bedeutenden Künstlern und zu UA.en bzw. EA.en von Werken Zoltán Kodálys, E. Tittels, A. Uhls, Peter Warlocks, der Vereinschormeister und anderer Komponisten. Im Jubiläumsjahr 1963 zählte der Chor 164 Mitglieder und konnte bereits 1.960 öffentliche Aufführungen vorweisen. Im Rahmen der Wiener Festwochen 1983 wurde die 120. Schubertiade abgehalten, 1985 schlossen sich die Sänger des Engelsbergbundes Wien (1889 gegr. als Kaufmännischer Sängerchor) dem WSB an. 1988 gehörten dem Verein 70 aktive Mitglieder an. Trotz Nachwuchsproblems zählt der WSB derzeit (2005) mit rund 50 aktiven Mitgliedern noch immer neben dem Wiener Männergesang-Verein und dem MGV Atzgersdorf (Wien XXIII) zu den stimmkräftigsten reinen MGV.en Wiens. Die Konzertreisen führten den Verein in den letzten Jahren auch vermehrt ins fremdsprachige Ausland (USA 1999, China 2001, Syrien 2002, Brasilien 2006). Neben der Pflege klassischer Werke für Männergesang finden sich nunmehr auch Bearbeitungen moderner Stücke (aus dem Bereich Musical und Rock und Pop) im Repertoire, richtungsweisend ist hier die CD von 2003 mit dem Titel Von Bach bis Beatles. Der WSB besitzt neben den Nachlässen von F. Mair und E. Schmid heute noch Autographe u. a. von Fr. Schubert und R. Strauss.

Als künstlerische Leiter des WSB fungierten seit der Gründung: F. Mair (1863–90), E. Schmid (1890/91; 2. Chormeister 1863–90 und 1891–95), A. Kirchl (1891–1916), F. Rebay (1916–20), H. v. Schmeidel (1920/21), A. v. Webern (1921/22), V. Keldorfer (1922–38 und 1946–51), Otto Nurrer (1938–40), Re. Schmid (1940–45), H. Gillesberger (1951–54), L. Lehner (1954–63), H. Gattermeyer (1963–73), Kurt Kettner (1974–76) und F. Gerstacker (1976–2000). Unter den Vereinsvorständen ragen neben Mair (administrativer Leiter 1863–66) noch Franz Bobies (1866–92), August Fetzmann (1892–1902), J. A. Jaksch (1902–21), F. Soeser (1921–36) und Ernst Meithner (1936–38 und 1946–56) hervor. Derzeit (2019) stehen dem WSB Wolfgang Schuster, Helmut Moser und Werner Schwomma als Vorstände sowie Fritz Brucker (seit 2001) als Chormeister vor.


Tondokumente
TD: zahlreiche Schallplatten, 9 CDs.
Literatur
A. Weiß, Fünfzig Jahre Sch. 1913; [Fs.] 100 Jahre WSB 1863–1963, 1963; [Fs.] 125 Jahre WSB 1863–1988,1988; [Fs.] 130 Jahre WSB 1863–1993, 1993; [Fs.] WSB im Schubertjahr 1997, 1997; A. Winter, Gedenkbuch des „Sch.“ [sic!] 1888; F. Mair, Aus meinem Leben 1897; Czeike 5 (1997); Dem Wissen treu, im Liede frei. Mitt.en des WSB 1981–85, 1986; www.schubertbund.at (5/2019).

Autor*innen
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
6.5.2019
Empfohlene Zitierweise
Christian Fastl, Art. „Schubertbund, Wiener (WSB)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 6.5.2019, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e1b2
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e1b2
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