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Scholastik
Philosophisch-religiöse Denkform des Mittelalters, die Rationalität und Logik (von griech./lat. schola = Schule) in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit christlichen Glaubenswahrheiten stellt. Ausgehend von der zuerst von Boëthius vermittelten Aristoteles-Rezeption erreichte sie ihren Höhepunkt im 13./14. Jh. mit den beiden gegensätzlichen Hauptvertretern Thomas von Aquin und Wilhelm von Ockham. In Österreich zeigt sich der Einfluss sch.ischen Gedankengutes (auch was die Verwendung von Syllogismen betrifft) am deutlichsten bei Engelbert v. Admont, der zu den wichtigsten deutschen Sch.ern zählt. Er brachte von seinen Studienaufenthalten in Prag und Padua/I die aristotelische Philosophie, aber auch den Aristoteles-Kommentator Avicenna, Albertus Magnus und Thomas v. Aquin mit. Eine Aristoteles-Rezeption liegt auch in anderen österreichischen Musiktraktaten vor, z. B. im Melker Codex 950. Inhaltlich wichtiger ist die Anwendung von logischen Schlüssen und deren Figuren, die mit Buchstaben abgekürzt werden. So dient der modus „barbara“ in A-Wn 4774 (wahrscheinlich aus dem Umfeld der Univ. Prag, Mitte 15. Jh.) zur Ableitung der Konsonanz von der Proportion, ähnlich der modus „darii“ bzw. „barbara“ in einer Chorallehre aus der Kartause Gaming (A-Wn 12811, datiert 1480/88). In der letzteren Quelle findet sich auch Wilhelm v. Ockhams sog. Ökonomieprinzip („frustra fit per plura, quod fieri potest per pauciora“), u. zw. zur Beschränkung der Schlüsselungen einerseits und der Möglichkeiten der Mutation (Solmisation) andererseits. – Im weiteren Sinn sch.e Argumentationen werden in den im 12. oder frühen 13. Jh. entstandenen Glossen zu Boëthius’ Institutio musica aus St. Florian (A-SF XI 282) eingesetzt.

Anzunehmen ist, dass Syllogismen und andere Formen der Diskussion eines autoritativen Lehrtextes auch an der Univ. Wien die Lektüre der sog. Musica speculativa des Johannes de Muris geprägt haben, wenngleich unsere Kenntnis der Kommentare und Bearbeitungen dieses Traktats (u. a. von A. Perlach) derzeit (2005) noch vage ist.


Literatur
F. Hentschel (Hg.), Musik – u. die Gesch. der Philosophie u. Naturwissenschaften im Mittelalter 1998; P. Ernstbrunner, Der Musiktraktat des Abtes Engelbert v. Admont (ca. 1250–1331), 1998; B. Schmid in L. Dobszay (Hg.), [Kgr.-Ber.] Cantus Planus. Eger 1993, 1995; J. Amon, Der „Tractatus de musica cum glossis“ im Cod. 4774 der Wr. Nationalbibliothek 1977, 15 u. 182; A. Rausch in StMw 48 (2002); A. Rausch in W. Pass/A. Rausch (Hg.), [Kgr.-Ber.] Beiträge zur Musik, Musiktheorie u. Liturgie der Abtei Reichenau. Heiligenkreuz 1999, 2001; LexMA 7 (1995); A. Lhotsky, Die Wr. Artistenfakultät 1365–1497, 1965.

Autor*innen
Alexander Rausch
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Alexander Rausch, Art. „Scholastik‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e17f
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e17f
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