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Sarabande
Einer der beliebtesten Tänze in der Instrumentalmusik des 17. und 18. Jh.s. (spanisch zarabanda). Der etymologische Ursprung des aus Spanien (Andalusien) oder Mittelamerika (Mexiko) stammenden Tanzes lässt sich trotz der seit dem 17. Jh. auftretenden Versuche (Marin Mersenne, Harmonie universelle, 1636) nicht eindeutig belegen. Curt Sachs vermutete die Benennung dieses Tanzes nach einer Schnabelflöte Guatemalas namens Zarabanda; nach der neuesten Forschung scheint der Zusammenhang mit dem spanischen zarandar (sieben, schütteln) besonders plausibel zu sein. In ihrer ursprünglichen Bedeutung wurde die Zarabanda als Verbund von Tanz, Gesang und begleitender Instrumentalmusik verstanden. Darüber hinaus wurde dieser Tanz wiederholt (wie auch in G. F. Händels Almira) mit Kastagnetten und Spanien in Verbindung gebracht. Das Buch Historia de las Indias de Nueva España (1579) des Dominikaners Diego Durán beschreibt die Zarabanda als erotischen bzw. unzüchtigen Tanz, dessen lasziver Charakter 1583 zum strikten Verbot führte. C. Sachs (1933) bezeichnete die Zarabanda als „eine geschlechtliche Pantomime von unübertroffener Deutlichkeit“. Das offizielle Verbot bewirkte allerdings, dass die ursprüngliche Bezeichnung Zarabanda durch eine verwirrende Vielfalt von Ersatznamen (Polvillo, Zambapalo, Escarramán, auch Folia, Canario, Chacona) ersetzt wurde. Schon 1618 wurde die Zarabanda nachweislich am spanischen königlichen Hof – vermutlich als Parodie – getanzt. Um 1600 wurde der Begriff in Frankreich auf S. modifiziert und anschließend in andere europäische Sprachen (ital. als Sarabanda, engl. Sellabrand, Seraband oder Saraband bekannt) übertragen. Seit dieser Zeit wurde die S. als lebhafter Tanz im Ballet de cour (Ballett) verwendet oder gelegentlich als Gesellschaftstanz aufgeführt. Erwähnenswert ist die Aufführung einer Sarabanda in interessanter Besetzung für vier Harfen und Streicher im „Ballett der Sirenen“ am Ende der Oper Il Monte Chimera im Fasching 1636 am Wiener Hof.

Nach ca. 1650 wurde die S. am Hofe Ludwigs XIV. unter dem Wirken Jean-Baptiste Lullys hauptsächlich im Rahmen des höfischen Balletts gepflegt. Darüber hinaus galt die S. in der Oper in Frankreich oder Deutschland als beliebter Bühnentanz zur Darstellung allegorischer Figuren, Liebesszenen in der Oper sowie zeremonieller Auftritte und Pantomimen (Jean-Philippe Rameau). Die Choreographien zu diesen Balletten sind aufgrund des Fehlens der Tanznotenschrift (Tanzschrift) nicht bekannt.

Wurde die S. nach älteren französischen Vorbildern in Italien noch von Arcangelo Corelli oder A. Vivaldi bis zur Mitte des 18. Jh.s als schneller Tanz (Allegro, Vivace) mit deutlichem Bezug zur Courante komponiert, setzte sich schon ab dem 2. Drittel des 17. Jh.s die Auffassung von der S. als einem langsamen, feierlichen und gravitätischen Tanz privilegierter Sozialschichten durch. In dieser Form wurde die S. im 3/2-Takt und mit der charakteristischen Hervorhebung des zweiten Taktteiles am Wiener Kaiserhof in den prunkvollen Rossballetten oder den Balletteinlagen in Opern (Nettuno e Flora festeggianti von M. A. Cesti, 1666, mit Musik von J. H. Schmelzer; Il Ciro vendicatore di se steno von A. Draghi, 1667; Leonida in Tegea von A. Draghi, 1670; Il Monte Chimera von G. B. Pederzuoli, 1682) eingesetzt. Ab ca. 1630 bildete die S., zuerst in der französischen Lautenmusik, einen festen Bestandteil der Suite; so zählt dieser Tanz neben Gigue und Courante auch etwa bei J. H. Schmelzer zu den wichtigsten in seinen Balletten. Die rasante Entwicklung des Solospiels gegen 1700 und danach führte, wie es insbesondere bei J. S. Bach zu sehen ist, zu steigender Stilisierung; einen bemerkenswerten Beleg dieser Stilisierungskunst liefern ebenso die virtuosen S.n mit angedeutetem programmatischem Bezug aus den Rosenkranz-Sonaten (um 1670) von H. I. F. Biber.

In vielfältiger Form tritt die S. in der Wiener Oper nach 1700 auf. Neben der regelmäßigen Verwendung in den Balletteinlagen an den Aktschlüssen der Opern, von N. Matteis komponiert, scheint die S. entweder im Rahmen einer Einleitungsnummer (vgl. die Oper La più Bella von J. G. Reinhard, 1715, oder Euristeo von A. Caldara, 1724, hier als Larghetto im 3/2-Takt) oder als selbständiger Instrumentalsatz bzw. Balletteinlage innerhalb einer Oper auf (vgl. die vierstimmigen S.n aus Caio Gracco, 1710, von G. Bononcini bzw. Le Nozze di Aurora, 1722, von J. J. Fux). Wiederholt finden sich in der Wiener Oper aus diesem Zeitraum verkappte S.n mit dem charakteristischen betonten zweiten Viertel (J. J. Fux, Dafne in Lauro), die jedoch nur vereinzelt (F. Conti, Alba Cornelia, 1714) ausdrücklich als solche gekennzeichnet sind. In der 2. Hälfte des 18. Jh.s verlor die S. hier allmählich an Bedeutung. Ihr charakteristischer Rhythmus aber lebt in zahlreichen Lied- und Tanzmelodien (besonders Walzern) weiter.


Literatur
NGroveD 22 (2001); MGG 8 (1998); E. Wellesz in StMw 6 (1919); P. Nettl in StMw 8 (1921); C. Sachs, Eine Weltgesch. des Tanzes 1933; K. H. Taubert, Höfische Tänze. Ihre Gesch. und Choreographie 1968; R. Hudson in Mus. Disc. 24 (1970); R. Gstrein in Th. Eitelfriedrich (Hg.), [Kgr.-Ber.] Tanz und Musik im ausgehenden 17. und 18. Jh. Michaelstein 1991, 1993; R. Gstrein, Die S. Tanzgattung und musikalischer Topos 1997; R. Flotzinger in ÖMZ 30 (1975); Flotzinger 1988.

Autor*innen
Dagmar Glüxam
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Dagmar Glüxam, Art. „Sarabande‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e055
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