Nestroy, Nestroy, true
Johann Nepomuk Eduard Ambrosius
*
1801-12-077.12.1801
Wien,
†
1862-05-2525.5.1862
Graz.
Theaterautor und -direktor, Schauspieler, Sänger.
Debütierte nach abgebrochenem Jusstudium (Univ.
Wien, 1817–22) und ersten Auftritten als Bass-Solist
(Gesellschaft der Musikfreunde in Wien) am 24.8.1822 in der Rolle des Sarastro in
W. A. Mozarts
Zauberflöte an der
Hofoper (
Kärntnertortheater), wo er bis 1823 Ensemblemitglied war. Während dieser Zeit und der folgenden beiden Jahre seines Engagements am Deutschen Theater in Amsterdam konnte der junge Sänger sein Opernrepertoire – nunmehr als Bass-Bariton – beständig erweitern: neben etlichen
G. Rossini- und Mozart-Rollen (in der
Zauberflöte jetzt Papageno) u. a. um Partien in
L. v. Beethovens
Fidelio und
C. M. v. Webers
Freischütz (Kaspar, dann Ottokar). In
Brünn,
Graz,
Pressburg,
Klagenfurt, Wien und
Lemberg (1825–31) nahm die Zahl seiner Auftritte in komischen Sprechrollen stetig zu, bis er im Herbst 1831 Ensemblemitglied des
Theaters an der Wien unter der Direktion von
C. Carl wurde. Gemeinsam mit dem gleichaltrigen Kapellmeister des Theaters,
Ad. Müller sen., konnte N. hier einige seiner größten Erfolge als Autor und Darsteller verbuchen, und zwar mit den Possen
Der böse Geist Lumpacivagabundus (1833),
Der Talisman (1840),
Das Mädl aus der Vorstadt (1841),
Einen Jux will er sich machen (1842) und
Der Zerrissene (1844). Nicht immer erfolgreich waren die
Opernparodien, die in N.s Werk eine große Rolle spielen: mit A. Müller als Komponisten lieferte er 1832 eine
Parodie auf Ferdinand Hérolds
Zampa und 1833 auf
G. Meyerbeers
Robert der Teufel; mit der Musik von
M. Hebenstreit entstand 1848
Martha, die als Parodie auf
F. v. Flotows gleichnamige Oper allerdings genau wie
Zampa ein Misserfolg wurde; und 1857 und 1859 kamen schließlich die beiden
Rich. Wagner-Parodien
Tannhäuser und
Lohengrin mit der (zu
Lohengrin leider verschollenen) Musik von
C. Binder heraus. N.s Fähigkeiten zu Parodie und Karikierung zeigen sich auch in den
Quodlibets, die bis in die 1840er Jahre ein fixer Bestandteil fast all seiner Stücke waren. Bei diesen wohl traditionsreichsten Musiknummern des „Wiener
Volkstheaters“ handelt es sich um eine beliebige Zusammenstellung populärer, originaler oder parodistisch verfremdeter Melodien aus
Singspielen, Opern und
Vaudevilles, Tänzen sowie
Volksliedern. Die Quodlibets boten den Darstellern der Volkskomödien Gelegenheit zu einer wirkungsvollen Präsentation ihrer stimmlichen Fähigkeiten: gerade N. gab „seinen“ Komponisten – besonders natürlich für die eigene Partie – Zitate von hohem musikalischem Anspruch vor – ein Anspruch, den die zeitgenössische Presse in ihren Berichten über die Leistungen der Wiener Volkstheater immer wieder erhob. In diesem Zusammenhang findet man auch N.s ungeheure Zungenfertigkeit erwähnt, die seinem parodistischen Gesangsvortrag eine drastische Wirksamkeit verliehen haben muss.
N. zählt zweifellos zu den bedeutendsten Theaterschaffenden seiner Zeit: 1832–62 spielte er 880 verschiedene Rollen und schrieb mehr als 80 Bühnenwerke. Mit seinem wohl größten Erfolg, Der böse Geist Lumpacivagabundus, fand N. 1901 auch den Weg ins Burgtheater, aus dem das Stück heute nicht mehr wegzudenken ist. In der traditionellen Personalunion von Dichter und Darsteller war er wohl der letzte Vertreter seines Genres, der „Wiener Volkskomödie“, deren Entwicklung sich in seinem Wirken exemplarisch vollzieht: von den Genres des Zaubersingspiels (Zauberspiel) nach den Vorbildern des mittleren und ausgehenden 18. Jh.s (v. a. von W. Müller im Theater in der Leopoldstadt konsolidiert) und der Opernparodie über die „klassische“ Posse mit Gesang mit den typischen Couplets für die N.-Rolle bis hin zur Operette französischer Prägung, die N. in seinen letzten Lebensjahren gemeinsam mit dem Kapellmeister C. Binder und seinem Schauspieler-Kollegen K. Treumann am Carltheater einführte (Häuptling Abendwind, einaktige Operette mit Musik von J. Offenbach, UA am 1.2.1862 im Quai-Theater).
Ehrengrab Wr. Zentralfriedhof (s.
Abb.); N.-Geburtshaus mit Gedenktafel (Wien I, Bräunerstraße 3, s.
Abb.); Gedenktafel an seinem Sterbehaus Elisabethstr. 14 in Graz; J.-N.-Gasse (Gänserndorf/NÖ, Gablitz/NÖ, Guntramsdorf/NÖ); N.gasse ( Haunoldstein/NÖ, Hennersdorf/NÖ, Klagenfurt, Knittelfeld/St, Kottingbrunn/NÖ,
St. Pölten, Weiz/St, Wien II u. XIV,), N.hof, N.platz, N.denkmal (alle Wien II); N.straße (Graz XIV und XV); N.weg (
Bad Ischl).
Sämtliche Werke. Historisch-kritische AusgabeJohann Nestroy/Jürgen Hein et al. (Hg.), Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Wien 1977.
, hg. v. J. Hein et al. 1977ff.
NGroveD 17 (2001); J. Hein, J. N.Jürgen Hein, Johann Nestroy. Stuttgart 1990. 1990; J. Hein/C. Meyer, Theaterg’schichten. Ein Führer durch N.s StückeJürgen Hein/Claudia Meyer, Theaterg’schichten. Ein Führer durch Nestroys Stücke (Quodlibet. Publikationen der Internationalen Nestroy-Gesellschaft 3). Wien 2001. 2001; W. E. Yaes, N. Satire and Parody in Viennese Popular ComedyWilliam Edgar Yaes, Nestroy. Satire and Parody in Viennese Popular Comedy. Cambridge 1972. 1972; W. E. Yaes, N. and the CriticsWilliam Edgar Yaes, Nestroy and the Critics. Columbia, South Carolina 1994. 1994; Czeike 4 (1995). – Nachlass WStLB.
Dagmar Zumbusch-Beisteiner
14.8.2023
Dagmar Zumbusch-Beisteiner,
Art. „Nestroy, Johann Nepomuk Eduard Ambrosius“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
14.8.2023, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001db06
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