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Mundharmonika
Kleines Harmonika-Instrument; die Tonerzeugung basiert auf dem Prinzip, dass abgestimmte durchschlagende Metallzungen durch Anblasen in Schwingungen versetzt werden. Diese Art der Tonerzeugung war im fernen Osten schon lange bekannt, u. a. bei der chinesischen Mundorgel Sheng, und Mitte des 18. Jh.s über Russland nach Europa gelangt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde die M. zu Beginn der 1820er Jahre in Wien entwickelt, wo bereits 1824 ein Privileg für die Harmonikaherstellung „auf chinesische Art“ erteilt wurde. Das neuartige Instrument verbreitete sich rasch in den deutschsprachigen Gebieten, wo neben Wien bald Erzeugungszentren in Württemberg/D, in Sachsen und Böhmen entstanden. Durch technische Verbesserungen, weitgehend mechanisierte Erzeugung und entsprechende Vermarktungsstrategien v. a. des deutschen Erzeugers Hohner (Trossingen/D) wurde das Instrument bis 1900 zum meistverkauften Musikinstrument der Welt. Ende der 1920er Jahre wurden pro Jahr ca. 60 Millionen Stück produziert und praktisch in jedem Land der Erde verkauft; M.vereine und M.orchester wurden gegründet. Ein Großteil der Instrumente ging in die USA, wo das Instrument ursprünglich durch Einwanderer aus Österreich, Schwaben und Sachsen Fuß gefasst hatte. Aber auch Seeleute verbreiteten das Instrument in aller Welt.

Die M. wurde außer für Volksmusik auch für Blues, Country und Rock eingesetzt, aber auch für alle möglichen anderen Stile. Im Dezember 1965 funkte der Astronaut Walter Schirra die Melodie von Jingle Bells zur Erde, die er auf einer ins Raumschiff geschmuggelten M. spielte. In der österreichischen Volksmusik dürfte sich die M. bald nach ihrer Erfindung verbreitet haben. Sie war in der Hand von Kindern und Jugendlichen und – in den beiden Weltkriegen – häufig von Soldaten. Aber auch Frauen, besonders Sennerinnen, übten sich auf der M. Als Instrument beim „Fensterln“ (Fensterllied) ersetzte sie die ältere Maultrommel. Sie wurde zum Tanzspielen und zur Begleitung bei musikalischen Unterhaltungen verwendet. Man konnte Burschen beobachten, die das Instrument – ohne es mit den Händen zu halten – bliesen, während sie mit ihrer Partnerin tanzten. K. Mautner hat die „Gröbminger Tanz“ von 1895 und einen „Steirischen“ von 1912, gespielt auf dem „Fotzhobel“, wie die M. dort genannt wird, in Gößl im Salzkammergut/St aufgenommen und publiziert. Bei Klier ist ein Mann aus dem Lungau/Sb abgebildet, der 1947 auf 4 kreuzförmig angeordneten M.s in C, G, D und A spielte und sich dazu noch auf einer „Saugeige“ (Teufelsgeige) begleitete. Mit einem Fußpedal ließen sich die Harmonikas drehen. Da nämlich die in Österreich übliche M. in aller Regel diatonisch gestimmt ist und keine Tonhöhenveränderungen zulässt, müssen für das Spiel in mehreren Tonarten mehrere Instrumente zur Verfügung stehen. Die Stimmen sind dabei so angeordnet, dass die eine Reihe durch „Blasen“, die andere durch „Ziehen“ der Luft erklingt. Weltweit haben sich im Lauf der Geschichte dieses Instrumentes jedoch viele verschiedene Stimmungen und Größen herausgebildet.


Literatur
K. Mautner, Alte Lieder und Weisen aus dem steyermärkischen Salzkammergut 1918; K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956; Ch. Wagner, Die M. 1996; W. Buchinger in Vierteltakt 2003, Nr. 2.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
30.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Mundharmonika‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 30.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001da69
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Robert Ullmann, Mundharmonika spielender Knabe, Steinrelief (1966, Wohnhaus-Wiederaufbaufonds). Ketzergasse 23 (Wien XXIII)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen
Franz Pixner, Mundharmonikaspieler (1953/54). Gemeindebau Graffgasse 1 (Wien X)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen

DOI
10.1553/0x0001da69
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