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Mundart
Landschaftlich oder gesellschaftlich variierende Form einer Sprache, Dialekt. Eine Sprache ist kein in sich völlig einheitliches Gebilde. Dies wird gerade bei der Betrachtung der vielen Unterschiede zwischen der auch nicht überall homogenen Norm der überdachenden Hoch- bzw. Standardsprache und den vielfältigen M.en evident. Das sprachliche Ganzsystem (z. B. des Deutschen) gliedert sich auf den beiden Hauptebenen der grammatischen Struktur und der sprachsoziologischen Schichtung in eine Vielzahl von Untersystemen, die jeweils miteinander vernetzt sind. Auf der einen Seite steht das interne System der Grammatik mit seinen Teilsystemen (bzw. grammatischen Modulen) der Phonologie (Lautsystem), Morphologie (Formenbau und Wortbildung), Syntax (Satzstruktur) und Semantik (Bedeutung), auf der anderen Seite das externe System („Diasystem“) des jeweiligen Varietätenraumes mit seinen diatopischen, diastratischen und diaphasischen Subsystemen; diatopisch bezeichnet dabei die regionalen bzw. lokalen Varietäten (die Regiolekte), diastratisch die sozialen Varietäten (die Soziolekte oder Register einer Sprache, wie die akrolektale Hochsprache, die mesolektale Umgangssprache und die basilektale M. im Sinne eines transitorischen Kontinuums) und diaphasisch die funktionalen Varianten (wie z. B. Fachsprachen bzw. Technolekte, Sondersprachen oder Geheimsprachen). Diese Subsysteme weisen zudem eine oft unterschiedlich konservative oder progressive diachrone (d. h. sprachhistorische) Dimension auf und ihre Grenzen untereinander sind fließend. Dies zeigen v. a. die Begriffe Dialekt bzw. M., die sowohl an der diatopischen wie auch an der diastratischen Komponente partizipieren: Dialekt als regionale M. im sprachgeographischen Sinne von Regiolekt oder als Form des „niedrigen“ sprachlichen Registers im sprachsoziologischen Sinne von Basilekt. Sowohl die regiolektale wie auch basilektale Lesart von Dialekt und M. und die ebenso regional beschränkte und mesolektale Substandard-Geltung von Umgangssprache stehen der akrolektalen Standard-Funktion der Hoch- oder Schriftsprache mit überregionaler kommunikativer Reichweite gegenüber.

Üblicherweise und v. a. in umgangssprachlicher Verwendung werden die Begriffe Dialekt und M. synonym gebraucht und rekurrieren vorrangig auf die geographischen Varietäten. Das Wort M. begegnet zum ersten Mal 1640 bei Philip von Zesen und sollte hier freilich primär den Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen (vgl. veraltet Redart, Schreibart). Die eigentliche sprachwissenschaftliche Behandlung der M.en bzw. Dialekte des Deutschen setzte in der ersten Hälfte des 19. Jh.s im Zuge der sprachhistorischen Erforschung ein, indem man die Regiolekte als eigenständige sprachliche Einheiten ernst nahm und ihnen denselben wissenschaftlichen Aufschlusswert zubilligte wie der deutschen Hochsprache; Namen wie Jacob Grimm (Deutsche Grammatik, Deutsches Wörterbuch), Franz Josef Stalder (Die Landessprachen der Schweiz, Schweizerisches Idiotikon) und Johann Andreas Schmeller (Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt, Bayerisches Wörterbuch) sind hier zu nennen. Im Laufe der 2. Hälfte des 19. Jh.s, insbesondere durch die methodische Schärfung der junggrammatischen Schule (exemplarisch Jost Wintelers Monographie Die Kerenzer M. des Kantons Glarus, 1876) entwickelte sich die moderne Dialektforschung, die nach und nach das gesamte deutsche Sprachgebiet sprachgeographisch erfasste. Diese Aufzeichnungen werden durch die (linguistischen Land-)Karten des Deutschen Sprach- und Wortatlasses illustrativ widergespiegelt, die mit Hilfe von Isoglossenbündeln – Trennlinien zwischen unterschiedlichen sprachlichen Erscheinungen wie z. B. zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung oder bestimmte lexikalische Differenzen – Dialektgrenzen festlegen.

In Folge der althochdeutschen, mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen Sprachentwicklung gliedert sich das Deutsche in ein vielfältiges Dialektkontinuum, dessen markantestes Merkmal, die Unterscheidung von hochdeutschen und niederdeutschen M.en, auf der in voralthochdeutscher Zeit (etwa 600–700) eingetretenen hochdeutschen Lautverschiebung basiert; dementsprechend unterscheidet man niederdeutsche und hochdeutsche Dialekte. Zu den niederdeutschen Dialekten („Plattdeutsch“) gehören Westniederdeutsch und Ostniederdeutsch, zu den hochdeutschen rechnet man die Übergangszone des Mitteldeutschen (Westmitteldeutsch mit Moselfränkisch, Rheinfränkisch und Hessisch, Ostmitteldeutsch mit Thüringisch, Obersächsisch und Schlesisch) sowie das Oberdeutsche mit Ostfränkisch, Schwäbisch-Alemannisch und Bairisch-Österreichisch. Die österreichischen M.en, bis auf das dem Niederalemannischen zuzurechnende Vorarlbergische sämtliche dem bairischen Dialektraum angehörend, gliedern sich in Mittelbairisch (Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien) und Südbairisch (Tirol, Kärnten, Steiermark).

In der – nicht nur österreichischen – Musikgeschichte wie aktuellen Musikszene ist die Verwendung von M. äußerst vielfältig. Früher waren es vornehmlich vertonte M.gedichte, Lieder (Wienerlied, z. B. „Fiakerlied“) oder auch Gstanzln im Wiener Singspiel und der Volksposse (z. B. in den Stücken J. Nestroys und F. Raimunds), aber auch, eher sporadisch, Operetten und Singspiele (z. B. K. Millöcker: Das verwunschene Schloß mit Gesängen in oberösterreichischer M.; R. Benatzky: Im weißen Rößl; F. Raymond: Maske in Blau sowie die berlinerischen Glückliche Reise von Eduard Künneke oder Frau Luna von Paul Linke) und Musicals (etwa die Wiener oder Berliner Fassungen von My Fair Lady). Häufig wurde Dialekt zur Charakterisierung von Figuren und Typen (Ethopoiie) auch im gesprochenen Text verwendet, so etwa in der Fledermaus von Joh. Strauss Sohn. Heute findet sich Dialektverwendung v. a. im Bereich der Volksmusik, weniger in der sprachnivellierenden volkstümlichen Musik und der lokalen Popkultur, in Österreich v. a. im Austropop (z. B. M. Mendt, W. Ambros, G. Danzer, R. Fendrich) mit der speziellen Ausprägung des Alpenrocks, einer Mischung aus Elementen der Volks- und Rockmusik (v. a. H. v. Goisern).


Literatur
W. Besch et al. (Hg.), Dialektologie, 2 Bde. 1982/83; J. Goossens, Dt. Dialektologie 1977; U. Ammon et al. (Hg.), Soziolinguistik, 2 Bde. 1987/88.

Autor*innen
Thomas Lindner
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Thomas Lindner, Art. „Mundart“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001da68
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


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10.1553/0x0001da68
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