Die Wurzeln liegen in Frankreich. 1762 hatte Jean Jacques Rousseau die Scène lyrique Pygmalion Horace Coignet, einem begabten Dilettanten, zur Vertonung anvertraut. Das Stück wurde 1770 in Lyon/F privat vorgeführt, 1772 dürfte die erste öffentliche Darbietung, diesmal in Paris, stattgefunden haben und 1775 wurde das Stück Teil des Repertoires der Opéra-Comique. Rasch gelangte Rousseaus Stück nach Wien: hier wurde es von Fr. Aspelmayr mit Musik, die sich nicht erhalten hat, versehen. Fasziniert von der neuen, ausdrucksstarken Technik, trat G. Benda mit den M.en Ariadne auf Naxos und Medea an die Öffentlichkeit.
W. A. Mozart hörte Bendas M.en in Mannheim/D und bewunderte im November 1778 in einem Brief an seinen Vater die effektvolle Wirkung. Sein damaliger Plan für eine deklamierte Oper kam zwar nicht zustande, doch Mozart verwendete die Technik 1779 in der 2. Fassung seiner Schauspielmusik zu König Thamos in Ägypten und im Singspiel Zaide 1779/80 für Salzburg. Die beiden M.-Nummern bezeichnete er als „Melologo“.
Im deutschsprachigen Raum setzte sich diese Technik bald fest, konkret im Singspiel. C. Ditters v. Dittersdorf bereicherte sein komisches Singspiel Die Schatzgräber (Wien 1786) mit der M.-Technik und I. Seyfried sein Stück Die Elster (Wien 1816) sowie 19 weitere Stücke. L. v. Beethoven gelangte indirekt über Benda zu seinem Wissen über das M. Sein Lehrer Christian Gottlob Neefe integrierte in seine Oper Sophonisbe (1776) eine Sprecharie nach Bendas Vorbild mit rhythmisch determinierter Deklamation. Beethoven selbst bediente sich der Technik in der Schauspielmusik zu Egmont und gestaltete die Kerkerszene in der 3. Fassung seiner Oper Fidelio (Wien 1814) als M. Ein Jahr zuvor, 1813, verwendete Fr. Schubert das M. in Des Teufels Lustschloss, 1820 in der Zauberharfe und 1823 in Fierrabras.
Über den Weg des Singspiels, von Theaterkapellmeistern mit Musik ausgestattet, gelangte die Technik auch in Volksstücke bzw. Boulevardkomödien. In den beliebten Stücken der Wiener Volksdichter F. Raimund und J. Nestroy thematisieren Couplets, als Lieder notiert, aktuelle, brisante Vorkommnisse, die zum besseren Verständnis mit Sprechstimme vorgetragen wurden. Gehobenes Sprechen und Singen fallen hier zusammen, v. a. dann, wenn beliebte Schauspieler über keine ausreichende Gesangsausbildung verfügten oder die Stimme im Alter versagte. Diese Technik hat sich bis ins 20. Jh. erhalten, was frühe Verfilmungen der Stücke belegen. Auch in Operetten wird sie angewandt, etwa in F. Lehárs Die lustige Witwe.
Allmählich verselbständigte sich die Technik zur Gattung, die sich bei den Musikliebhabern rasch großer Beliebtheit erfreute. Abgesehen von namhaften Werken der vokalen Konzertliteratur, etwa F. Liszts Trauriger Mönch, die gekonnt die subtilsten Stimmungsnuancen heraufbeschwören, entstanden für die musikalische Alltagskultur effektvolle M.en. Leicht zu spielen und gut verständlich, geriet die Gattung in Verruf.
Im Vergleich mit dem Lied (Klavierlied) bot das M. den Vorteil der Ausdrucksstärke. Und diesen Vorteil nutzten Komponisten durchaus für das Lied. H. Wolf etwa, der die Deklamation exzessiv ausreizte, führte die Melodielinie so nahe an die Wortmelodie, dass manche Passagen kaum mehr mit Singstimme zu bewältigen sind, z. B. in der Ballade Der Feuerreiter. Das melodramatische Verfahren wendet er in seiner Schauspielmusik zum Prinz von Homburg an.
Im frühen 20. Jh. als Technik absolut etabliert, findet sich das M. bei W. Kienzl (Evangelimann, Sanctissimum) ebenso wie in F. Schrekers Spätwerk Das Weib des Intaphernes (1932/33) und führt zur Entstehung der notierten Sprechstimme in der Avantgarde-Musik: A. Schönberg, geschult am melodiösen Vortrag des Dichters und Schauspielers K. Kraus, enthob die Sprechstimme des M.s ihrer Bindung an die Tonalität. Bereits in den Gurreliedern (1901/02) setzt er diese Technik ein, weiters in der Glücklichen Hand (1910–13), in Pierrot Lunaire (1912) und später in Moses und Aron (1930–1932), in der Ode To Napoleon (1943) und in A Survivor from Warsaw (1947). Teils diastematisch und rhythmisch fixiert, teils frei oder überhaupt von einem Schauspieler vorzutragen, erfährt das M. hier seine extremste Ausprägung und wird von Schönbergs Schülern individuell realisiert: von Alban Berg in seiner Oper Lulu, H. Eisler in den Palmström-Studien nach Christian Morgenstern und V. Ullmann in seinem Werk Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (1944 Theresienstadt [Terezín/CZ]).
Ohne die Technik des M.s hätte sich der Film kaum zu einem unverzichtbaren Medium entwickelt: Das Fehlen der Tonspur im Stummfilm wurde nicht nur durch Live-Musik (Kinopianist, Kinoorchester) kompensiert, sondern zusätzlich durch einen Kommentator. Dieser Schauspieler trug entweder synchron zur Musik oder alternierend seine Erklärungen vor. Nachdem die Musik im Film unverzichtbar geworden war, geriet die musikalische Untermalung des gesprochenen Wortes zum Standard, der bis in die Gegenwart seine Gültigkeit besitzt.
P. Branscombe in Schubert Studies. Problems of Style and Chronology 1982; E. Budde in G. Wagner (Hg.), Bachtage Berlin – Vorträge 1970 bis 1981 , 1985; W. A. Bauer/O. E. Deutsch (Hg.), W. A. Mozart, Briefe und Aufzeichnungen 2 (1962); M. Saary, Die Musik der audiovisuellen Medien. Von romantischer Allmacht zu medialer Allgegenwärtigkeit , Hab.schr. Wien 1997; R. Stephan in G. Schnitzler (Hg.), Dichtung und Musik 1979.