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Liechtenstein
Fürstentum am rechten Ufer des Alpenrheins zwischen der Schweiz (im Westen Kanton St. Gallen, im Süden Kanton Graubünden) und Österreich (Vorarlberg). Lt. der Verfassung von 1921 konstitutionelle Monarchie auf demokratischer Grundlage. Rund 160 km2, 33.000 Einwohner (2002). Im Lauf der Geschichte haben sich enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zum östlichen Nachbarland Österreich erhalten. Bis 1699 hatte das heutige Staatsgebiet zu Vorderösterreich gehört. In diesem Jahr kaufte Fürst Johann Adam Andreas v. L. (Liechtenstein, Familie) die Herrschaft Schellenberg/FL und 1712 auch die Grafschaft Vaduz und vereinigte diese reichsunmittelbaren Gebiete zum Fürstentum L. Mit diesem Landbesitz erhielten die Fürsten Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat. Bis 1938, als Fürst Franz Josef II. seinen Wohnsitz auf Schloss Vaduz verlegte, wurde das Land von Wien aus regiert.

Da in L. bis 1937 kein Gymnasium bestand, besuchten bis dahin viele Schüler die Klosterschulen Stella Matutina in Feldkirch oder Mehrerau in Bregenz. Der später bedeutende Historiker, Politiker und Lehrer Peter Kaiser (1793–1864) absolvierte in Wien das Gymnasium zusammen mit Fr. Schubert und wurde von dessen Vater unterrichtet. Für die höhere Ausbildung wurden Lehrerseminare und Universitäten in Österreich bevorzugt. Als 1805 in L. die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde, benützte man österreichische Vorbilder für die Lehrpläne und weitgehend auch österreichische Lehrmittel. Damit fand viel Liedgut aus Österreich für den Schulgesang oder den kirchlichen Gebrauch in L. Verbreitung. 1812 wurde auch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das heute noch in den wesentlichen Teilen gültig ist, von Österreich übernommen.

Zur Verbreitung österreichischen Musiziergutes und österreichischer Musiktradition in L. trug seit jeher dazu bei, dass sehr viele Ehen zwischen Partnern der beiden Länder geschlossen werden. Im Jahr 2000 betrug dieser Anteil an der Gesamtzahl der Ehen rund 20 %. Liederaufzeichnungen aus dem Jahr 1901 belegen, dass der österreichische Anteil am gesamten Liederschatz damals rund 50 % ausgemacht hat.

Lehrkräfte aus Österreich wurden und werden bis heute (2003) auf allen Schulstufen eingesetzt. Sie betätigten sich oft auch als Chorleiter und Organisten. Sebastian Pöhly (1808–89) aus Schlanders in Südtirol war z. B. in Schaan/FL als Lehrer tätig und gab dem fünfjährigen Josef Rheinberger 1844 den ersten Unterricht in Klavier, Orgel und Komposition. Rheinberger hat den Musikunterricht 1849 beim Chorregenten Ph. Schmutzer, dem Komponisten der Vorarlberger Landeshymne, fortgesetzt. Sie haben dem später berühmten Komponisten die ersten musikalischen Grundlagen vermittelt. Von 1850 bis zur Mitte der 1980er Jahre unterrichteten die Lehrschwestern des Klosters Zams in Tirol auf Einladung der Regierung in L. an den Volksschulen und Kindergärten. Im Gegenzug waren auch Lehrer aus L. in Volksschulen und Gymnasien in Vorarlberg, Tirol, Wien und auch am Mozarteum in Salzburg tätig.

Seit 1826 besorgte Österreich den Postdienst in L. Dadurch kamen einerseits österreichische Beamte ins Land, anderseits wurde der Kontakt zwischen den beiden Nachbarstaaten wesentlich erleichtert und verstärkt. Das führte u. a. dazu, dass vermehrt Musikgruppen aus Österreich und besonders aus Böhmen bei Jahrmärkten, Volksfesten, Hochzeiten etc. in L. auftraten. Diese Gruppen wurden zu den musikalischen Vorbildern der ersten einheimischen Tanzkapellen. 1852 schloss L. mit Österreich einen Zollvertrag ab, der bis 1918 bestand. Unter den „Finanzern“, die ins Land kamen, war ein erfahrener Musikant, der um 1855 mit der damals ohne Notenkenntnisse spielenden Volksmusikgruppe der „Neuhüsler“ in Triesenberg/FL in Kontakt kam und den fünf Spielern die Notenschrift (Notation) beibrachte. Dieser Tätigkeit verdanken wir eine der ersten überlieferten Aufzeichnungen L.ischer Volkstänze.

Geistliche aus Österreich, die in L. als Pfarrer oder Kapläne tätig waren, nahmen auch Einfluss auf die Kirchen- und Schulmusik. Als Beispiel mag der aus Rankweil/V stammende Pfarrer Franz Xaver Häusle (1841–1921) gelten. Er gründete 1868 in Eschen/FL den Kirchenchor, den er auch selbst dirigierte, und 1888 in Gamprin/FL eine fünf Mann starke Blasmusik, aus der sich der Musikverein Konkordia entwickelte. Im letzten Viertel des 19. Jh.s schlossen sich mehrere L.ische Kirchenchöre dem vom österreichischen Komponisten W. Briem gegründeten, Vorarlberger Bezirks-Cäcilienverein (Cäcilianismus) an. Briem komponierte auch patriotische Lieder für die Chöre und die Schuljugend in L. und setzte sich für die Gründung eines eigenen L.ischen Cäcilienvereins ein. Enge freundschaftliche Beziehungen halten auch der L.ische Blasmusikverband und der Fürstlich L.ische Sängerbund zu den österreichischen Verbänden aufrecht. Chöre und Blaskapellen pflegen Partnerschaften mit Vereinen in Österreich, besuchen einander, führen Gemeinschaftskonzerte durch und nehmen an regionalen und nationalen Blasmusik- oder Sängerfesten (Männergesang) und -wettbewerben teil. Am 1. L.ischen Sängerfest am 21.7.1879 traten bereits drei Chöre aus Vorarlberg auf. Der L.ische Blasmusikverband verwendet seit 1981 das österreichische Notenmaterial für die Jungbläserprüfungen und die besten L.ischen Gruppen der Wettbewerbe „Spiel in kleinen Gruppen“ können an den österreichischen Bundeswettbewerben teilnehmen. 2002 wurde das Finale dieses Wettbewerbs in Vaduz durchgeführt und mit dem Österreichischen Blasmusikverband ein Partnervertrag abgeschlossen.

Die Operettenbühnen von Vaduz und Balzers/FL bevorzugen die Werke österreichischer Komponisten, z. B. von J. Strauss Sohn, C. M. Ziehrer, K. Millöcker, F. v. Suppè, C. Zeller, F. Lehár, E. Kálmán, E. Eysler, R. Benatzky. 1940–2003 wurden 82 Operetten österreichischer Komponisten aufgeführt. Häufig werden Sängerinnen, Sänger, Dirigenten, Regisseure, Chorleiter und Orchestermusiker aus Österreich verpflichtet.

An der 1963 gegründeten L.ischen MSch. unterrichten derzeit (2003) 23 Lehrkräfte aus Österreich. In Zusammenarbeit mit den MSch.en der Stadt Feldkirch und des Bezirks Werdenberg/CH wurde 1985 ein Jahresprogramm Zeitgenössische Musik mit über 100 Veranstaltungen durchgeführt. Diese Zusammenarbeit wurde auf das ganze Rheintal ausgeweitet und so folgte 2000 das Dreiländer-Festival Grenzenlos für Jazz-, Pop- und Rockmusik und 2002 für Musiktheater. An der L.ischen MSch. finden jährlich die Internationalen Meisterkurse und die Jazz-Woche statt. Renommierte SängerInnen und MusikerInnen aus Österreich, wie A. Dermota, K. Equiluz, H. M. Kneihs, M. Radulescu, Erika Frieser, W. Tripp, C. D. Reinhart, Antony Spiri u. a. haben schon als Dozenten mitgewirkt. Ebenso sind bei den L.ischen Gitarrentagen LI-Gi-TA österreichische Dozenten tätig.

1982 hat die L.ische Regierung mit Österreich ein Abkommen über die Anerkennung der L.ischen Maturaprüfung abgeschlossen und damit den Studenten den Zugang zu den österreichischen Univ.en und Hochschulen gesichert. Davon profitieren auch die Musikstudenten. 1983 wurde zusätzlich mit dem Land Vorarlberg ein Vertrag über die Zulassung L.ischer Musikstudenten zum Landeskonservatorium in Feldkirch unterzeichnet. L. zahlt den gleichen Kostenanteil pro Student wie Vorarlberg.

In den L.ischen Orchestern wirken viele Musiker/innen aus Österreich als ständige Mitglieder oder Aushilfen mit. Umgekehrt spielen auch L.er in Orchestern und Ensembles in Vorarlberg. Die Bregenzer Festspiele und die Schubertiade werden vom L.ischen Publikum gerne besucht. Ebenso nützen Musikliebhaber aus Vorarlberg das reiche Konzertangebot in L. aus. In L. ist der ORF einer der meistgehörten Radio- und Fernsehsender.

Der Bau des Bregenzer Festspielhauses wurde von Dipl.-Ing. Martin Hilti mit hohen Beiträgen unterstützt. Als tatkräftiger Mäzen profilierte sich auch DDr. Herbert Batliner (Bregenzer Festspiele, Mozarteum Salzburg und verschiedene andere österreichische Kultureinrichtungen). Die LGT-Bank in Vaduz unterstützte verschiedentlich die Förderung des Orchesternachwuchses der Wiener Philharmoniker. Als Dank und Anerkennung für die Leistungen Österreichs finanziert die L.ische Regierung div. Projekte österreichischer Bildungseinrichtungen, vergibt jährlich den L. Preis für wissenschaftliche Forschung an der Leopold Franzens Univ. Innsbruck und bezahlt einen erheblichen Jahresbeitrag an den Fonds für wissenschaftliche Forschung in Österreich.


Literatur
F. Büchel, L.er Zeittafel 1993; P. Vogt, Brücken zur Vergangenheit 1990; MusAu 16 (1997). – L.isches Landesarchiv Vaduz: Staatsverträge und Landesgesetzbll.; Statistische Jb.er.

Autor*innen
Josef Frommelt
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Josef Frommelt, Art. „Liechtenstein“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d78f
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d78f
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