Nicolaus (I): * ? Schweiz, † ca. 1710 Wien?. Er war der Stammvater der in Wien und Graz tätigen Familie von Geigenbauern. Eine Eintragung im Trauungsbuch der Pfarre St. Stephan vom 25.9.1672 belegt L.s Abstammung aus der Schweiz (Hajdecki, Reg. 6887). Er heiratete die Witwe des Lautenmachers Johann Ott, bei dem er wohl auch gearbeitet hat. 1673 erhielt er das Bürgerrecht und ab 1695 ist er in den Wiener Steuerbüchern zu finden. Dass die Wiener Geigenbauer dieser Zeit in ein dichtes soziales Netz eingebunden waren, geht aus der Tatsache hervor, dass L. zusammen mit den Berufskollegen Mat. Fux und A. Beer als Trauzeuge fungierte, als 1691 der Lautenmacher J. J. Fux die Witwe des Lautenmachers Ch. Bartl (Partl) heiratete (Hajdecki, Reg. 7046). In zweiter Ehe war L. mit einer Frau verheiratet, von der nur die Vornamen Maria Magdalena (ca. 1665–4.2.1733) bekannt sind. 1696 war er Gründungsmitglied der Wiener Geigenmacherinnung. Er ist in den Wiener Steuerbüchern bis 1719 eingetragen; 1716 findet sich allerdings die Randbemerkung „Joh: Christo: Leydolff, Lauttenmacher“, was auf eine Werkstättenübernahme hindeutet. Lütgendorff gibt als Todesjahr „um 1710“ an, was allerdings bisher nicht verifiziert werden konnte.
L.s Herkunft aus der Schweiz macht die italienischen Einflüsse, die wiederholt in der Literatur angemerkt wurden, erklärlich. Dreschers Vermutung, dass er, bedingt durch das Fehlen einer Schweizer Geigenbautradition, in Italien gelernt hat und möglicherweise die in Mailand nachweisbaren „Landolfis“ derselben Familie entstammen, ist beizupflichten. Geigen von ihm sind selten; eine Viola da gamba von 1692 (zu einem Violoncello umgebaut) besitzt das Salzburger Museum Carolino Augusteum, einen Kontrabass (1693) mit geschnitztem Engelskopf die Sammlung alter Musikinstrumente in Wien (KHM).
Seine Söhne
Ignaz: * ca. 1677 (Ort?), † 12.2.1714 Wien. Legte am 2.6.1702 den Bürgereid ab. Am 17.5.1699 heiratete er Maria Elisabeth Kälbl (Hajdecki, Reg. 7141), die allerdings bereits am 23.4.1709 verstarb (Maunder). Am 15.10.1709 verehelichte er sich mit der Witwe Magdalena Vorstinger (Hajdecki, Reg. 7888). Zu diesem Zeitpunkt war er in der Naglergasse im Kräuterischen Haus ansässig. Maunder weist ihn 1713 in der Leopoldstadt (Wien II) nach. In den Wiener Steuerbüchern ist eine jährliche Steuerleistung von 2 Pfund vermerkt, was ungefähr der Hälfte des Betrags entspricht, den sein Vater zu leisten hatte. Auf geringen geschäftlichen Erfolgt weist auch die diesbezügliche Anmerkung für das Jahr 1714 hin: „gestorben, und hat gar nichts verlassen, westweg die ausständtig: und künfftige Steuer [...] abgethan worden“ (Unbehaustes Buch 1710–14). Lt. Totenprotokoll starb L. am 12.2.1714 im Haus „zum großen Jordan“ am Judenplatz im Alter von 37 Jahren. Eine Beurteilung seiner Arbeit ist nicht zuletzt wegen der kurzen Wirkungszeit schwierig; nach Lütgendorff soll er ein guter Violenbauer gewesen sein.
Johann Christoph: * ca. 1690 (Ort?), † 28.6.1758 Wien. Lernte vermutlich bei seinem Vater. Den Bürgereid legte er am 2.9.1715 ab. In den Wiener Steuerbüchern ist sein Name 1716 neben dem seines Vaters vermerkt, was auf eine Übernahme des Gewerbes in diesem Jahr hindeutet. Am 11.4.1723 ehelichte er in der Pfarre St. Stephan Maria Elisabeth Aichinger (ca. 1701–8.11.1769) (Hajdecki, Reg. 7402; Maunder), deren Söhne Joseph Ferdinand und Christoph wurden Geigenmacher, Franz (ca. 1727–13.1.1767) Musiker bei den Schotten. L. war bis an sein Lebensende tätig, wobei aus den Steuerbüchern Rückschlüsse auf seinen Umsatz möglich sind. Bis 1758 lag er mit seiner Steuerleistung an der Spitze der Wiener Geigenbauer. Dies gilt auch für die Witwe, die das Geschäft weiterführte. Erst 1767 fällt ihre Steuerleistung auf 2 fl (zuvor 10) zurück. Der Verlassenschaftsabhandlung nach L.s Tod ist zu entnehmen, dass die Gattin Universalerbin war und die drei Söhne je 300 fl erbten. Sein Geselle Anton Weiss, über den sonst nichts bekannt ist, erbte 50 fl. Das Vermögen von 1.695 fl bestand zum Großteil aus Stadt Banco Obligationen. Das Werkzeug wurde mit 20, die „Vorräthige[n] Geigen“ mit 40 und der Holzvorrat mit 30 fl bewertet. Als die Witwe Maria Elisabeth, wohnhaft bei ihrem Sohn Joseph „im Arnwaldischen Haus auf der Hohen Brucke“, 1769 an „Lunglsucht“ verstarb, war das Vermögen auf 7.393 fl angewachsen. Abgesehen von einigen kleineren Legaten ging das Vermögen an den Geigenbauer als Universalerben.
Bedingt durch seine Produktivität sind bis heute L.s Instrumente häufig zu finden. Allerdings ist zu beachten, dass er mehrere Mitarbeiter beschäftigt hat, was die stilistische Einordnung erschwert. L. arbeitete nach dem Stainer-Modell, das er allerdings individuell modifizierte. Die Wölbung ist manchmal höher als bei J. Stainer und den typisch Wiener Schnecken fehlt die Vollkommenheit des Vorbilds. Die f-Löcher stehen relativ steil, wobei die unteren Löcher sehr weit außen sitzen. Lütgendorff berichtet von hell und rötlich lackierten Instrumenten, die Mehrzahl zeigt allerdings einen dunkel gebeizten Grund und einen wenig transparenten Lack.
Nicolaus (II): * ca. 1700 Wien, † nach 1778 Graz. Alle Information über ihn sind Federhofer zu entnehmen. Er entstammt der zweiten Ehe von N. L. mit Maria Magdalena († 1733) und ehelichte am 21.5.1725 als bürgerlicher Lautenmacher in Graz Constantia Gugi. In zweiter Ehe war er mit Maria Eleonora Rischakh (Trauung am 10.10.1743) verheiratet. In Grazer Matrikeln ist er als Geigenbauer bis 1778 nachweisbar.
Johann Christophs Söhne
Joseph Ferdinand: * ?, † nach 1791 Wien?. Wohnte im Schottenviertel und legte am 30.4.1756 den Bürgereid ab. In den Wiener Steuerbüchern ist er bis 1774 zu finden, wobei er ab 1767 mit einem Steuersatz von jährlich 10 fl mit an der Spitze der Wiener Geigenbauer lag. Dies ist jenes Jahr, in dem die Witwe von J. Ch. L. das Geschäft entscheidend einschränkte, so dass anzunehmen ist, dass J. F. einen Teil der Aufträge übernehmen konnte. Über die Gründe, warum er in diesem Jahr seine Werkstätte an Marian Petz übergab, ist nichts bekannt. Nach einer Eintragung in der Wiener Zeitung 1791 war er nämlich noch am Leben und als Geigenbauer geschätzt. Er arbeitete meist nach dem Amati-Modell, seltener nach Stainer. Auffallend sind die im unteren Drittel weit nach außen schwingenden f-Löcher. Der Grund seiner Instrumente ist meist dunkel gebeizt und er trug einen stark deckenden Lack auf. Selten verwendete er einen transparenten, rotgelben Lack.
Christoph: * ca. 1723 (Ort?), † 14.5.1762 Wien. In der Verlassenschaftsabhandlung seines Vaters J. Ch. L. als „Lautenmachergesell“ bezeichnet. Es ist fraglich, ob er jemals selbständig gearbeitet hat. Er starb, wohnhaft bei seiner Mutter im „Anwaldisch Hauß“ im Alter von 39 Jahren an „Brand“. Die bei Lütgendorff (hier unter Christoph Nikolaus) erwähnten Instrumente sind allein wegen der angeblichen Entstehungszeit (1768, 1774) als nicht authentisch anzusehen.
K. u. L. Birsak, Gambe – Cello – Kontrabaß und Kat. der Zupf- und Streichinstrumente im Carolino Augusteum 1996 (= Jahresschrift 42), 176; H. Federhofer in Bll. f. Heimatkunde 25/3 (1951), 78f; A. Hajdecki, Quellen zur Gesch. der Stadt Wien, I. Abteilung. Regesten aus in- und ausländischen Archiven 6 (1908); W. Hamma, Geigenbauer der Dt. Schule des 17. bis 19. Jh.s 2 (1986), 9–23; K. Lohrmann in Die Wr. Geige 1985 (= Wr. Geschichtsbll. 1), 6; Lütgendorff 1975 u. 1990; R. Maunder in The Galpin Society Journal 52 (April 1999), 37. – Archivalien (WStLA): Unbehaustes Buch; Unbehaustes Catastrum; Totenprotokoll 1714 fol. 67, 1762, 1769; Verlassenschaftsabhandlung Fasz. 440/45 u. 479/33.