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Lärminstrumente
Geräte zur Schallerzeugung, die nicht primär zu musikalischen Zwecken eingesetzt werden, sondern knallen, knarren, klingeln, klopfen, tuten o. ä., wobei jedoch musikalische und insbesondere rhythmische Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen sind. Häufig erfüllen solche Instrumente ihre Aufgabe im Signalwesen, v. a. aber in bestimmten Bräuchen als Ritualmusik.

Ein Märtyrerbericht von 397, in dem der Mord an drei christlichen Missionaren durch die heidnischen Anaunen im trentinischen Nonsberg/I geschildert wird, spricht davon, wie die Bewohner mit dem schrecklichen Klang von Hörnern („strepitu tubae“) zum Fest gerufen wurden und wie sie ihr Vieh dabei mit Schellen herumführten. Glocken und Schellen haben seit Beginn der Viehzucht ihre Funktion im bäuerlichen Alltag als Herdengeläute, oder auch als „Gschell“ für die Zugpferde, wobei beim Almauf- bzw. -abtrieb besonders große und schöne Exemplare verwendet werden. In manchen Gegenden wird Wert auf untereinander abgestimmte Herdenglocken gelegt. Herdenglocken sind seit der La-Tène-Zeit belegt; sie werden gegossen oder geschmiedet, wobei die Frühformen wahrscheinlich aus Holz waren. Eine wichtige Erzeugung für Herdenglocken befindet sich bis heute (2003) in Pfunds/T. In Bräuchen werden meist überdimensionale geschmiedete Glocken oder auch gegossene Schellen verwendet, in verschiedenen Perchtenbräuchen (Perchtentanz), von den „Schellern“ und „Rollern“ in den großen Tiroler Fasnachten (Imst, Telfs, Nassereith u. a.) oder beim „Grasausläuten“ im Frühjahr im Salzkammergut. Brauchschellen an Narrengewändern sind seit dem Mittelalter bekannt. Eine überragende Rolle im Dorfleben spielen die Kirchenglocken. Sie regeln den Arbeitstag, künden die Abendruhe, leiten Sonn- und Festtage ein, rufen zum Gottesdienst, begleiten bei Prozessionen, Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen, melden Frieden, Freude, Krieg, Hochwasser, Feuer, jede Art von Ereignissen. Seit dem 13. Jh. werden sie ausschließlich im Metallguss von Glockengießern hergestellt. Viele Glocken wurden in den beiden Weltkriegen eingeschmolzen. An Glocken knüpfen sich zahlreiche Glaubensvorstellungen. Das Wetterläuten, das nach landläufiger Meinung die Unwetter vertreiben sollte, wurde seit der Aufklärung wiederholt – gegen das Empfinden des Volkes – verboten.

Peitschen waren ursprünglich seit römischer Zeit Fuhrmannspeitschen, erst seit dem Spätmittelalter dienten sie auch als Geräte der Viehhirten. Auch sie werden bei Bräuchen eingesetzt, wobei sie meist in Dreier- oder Viererrhythmen geschnalzt werden, so bei den Fasnachtsumzügen in Nordtirol, beim Aperschnalzen in Salzburg, beim Pfingstschnalzen im Ultental/Südtirol und in der Buckligen Welt/NÖ, beim Schnalzen der Halter zu Fronleichnam in Perchtoldsdorf, beim „Schnellen“ vor einer Hochzeit im Passeier/Südtirol u. a. Besonders schöne geschnitzte Stücke kennt man aus dem Ultental.

Ein anderes, längst abgekommenes schallerzeugendes Gerät der Hirten ist der Rasselstock oder Ringstock, der ursprünglich zum Schlagen und Werfen nach den Tieren, auch zum Führen des Stiers, diente. In Ungarn wurde dieser Stock noch lange als Rhythmusinstrument von den Regös-Sängern in der Weihnachtszeit verwendet. Klopfbretter findet man im bäuerlichen Bereich, aber auch im Bergbau; Hammerklappern als Signalgeräte der Post und Warngerät in der Hand von Aussätzigen, aber auch als Brauchgerät der Dorfjugend im Oberen Mühlviertel/OÖ; Glöckeltruhen dienten dem Essensruf, als Ziegenlockgerät und Lärmgerät von Rekruten, aber auch als Scheuchgerät bei der Jagd. Die metallenen Klangscheiben, die durch eine Verbreitungskarte für die Berg- und Passstraßen der Obersteiermark dokumentiert wurden, zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den bronzenen Klangscheiben der römischen Antike. Weitverbreitet sind die Ratschen als Kultgeräte der Karwoche; in Vorarlberg sind sie seit 1640 belegt. Bockshörner, die im Allgemeinen nur einen Ton von sich geben können, werden noch vielfach in Bräuchen verwendet und dienten als Signalhörner, auch als Wetterhörner, zum Verscheuchen der Unwetter. Büllhäfen kennt man als niederösterreichisch-burgenländisch-oststeirische Rommelpottform der Herbst- und Faschingsbräuche. Wieweit die Glaubensvorstellungen des Volkes in Zusammenhang mit verschiedenen Lärmgeräten (Glocken und Hörner vertreiben die Unwetter; das schussähnliche Geräusch der Peitschen beschleunigt das Aperwerden usw.) physikalische Grundlagen haben, wurde bisher nicht untersucht.


Literatur
M. Spielmann in JbÖVw 36/37 (1988); K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956; L. Schmidt, Volksmusik. Zeugnisse ländlichen Musizierens 1983; L. Schmidt in W. Deutsch/G. Haid (Hg.), Die Geige in der Europäischen Volksmusik 1975; L. Schmidt in Burgenländische Heimatbll. 21 (1959) u. 22 (1962); L. Schmidt in Bll. f. Heimatkunde 31 (1957); L. Schmidt in Österr. Zs. f. Volkskunde 62 (1959); L. Schmidt in Carinthia I,149 (1959); A. Dörrer in Rheinisches Jb. f. Volkskunde 5 (1954); W. Deutsch/M. Walcher in JbÖVw 39/40 (1991); J. Trummer in [Kat.] Musik i. d. St. 1980, 235–274; M. Schilder in JbÖVw 14 (1965); F. Schunko in JbÖVw 12 (1963); M. Weber in JbÖVw 31 (1982); G. Gröbl/E. Lehner in JbÖVw 26 (1977); O. Vonblon, Glocken und Glockenbrauchtum im Walgau und Großen Walsertal in Vorarlberg, Dipl.arb. Innsbruck 1978; M. Schneider in W. Deutsch/M. Schneider (Hg.), Beiträge zur Volksmusik in Tirol 1978; F. Kirnbauer in K. Beitl (Hg.), [Fs.] L. Schmidt 1972; G. Haid in Th. Nußbaumer/J. Sulz (Hg.), Musik im Brauch der Alpenländer. Bausteine für eine musikalische Brauchforschung 2001.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
16.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Lärminstrumente‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d6b5
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d6b5
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