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Laban Laban true (de Váralja), Rudolf von
* 1879-12-1515.12.1879 Pressburg, † 1958-07-011.7.1958 Weybridge/GB. Tänzer, Choreograph und Tanztheoretiker. Studium an der Militärakad. in Wiener Neustadt abgebrochen; ab 1900 in München und ab 1904 in Paris Hinwendung zur bildenden Kunst; ab 1910 in München, gründete er 1911 ein Atelier für Bewegungskunst, wo er u. a. Harmonische Bewegungslehre unterrichtete. Die Kriegsjahre verbrachte L. in der Schweiz. Nach zahlreichen, völlig divergierenden Initiativen (Schul- und Ensemblegründungen, Laientanzbewegung, Entwicklung einer Tanzschrift) wurde L. 1930 Ballettdirektor der Berliner Staatsoper und 1934 Direktor der Deutschen Tanzbühne. Nach Aberkennung aller seiner Ämter 1936 emigrierte L. 1937 nach Paris und 1938 nach England. 1946 wurde in Manchester das Art of Movement Studio mit Lisa Ullmann als Leiterin gegründet (seit 1953 in Addlestone, Surrey). L.s auratische Ausstrahlung wie seine vielseitigen Interessen ließen ihn zur zentralen Gestalt der Bewegung des Ausdruckstanzes (Ballett) werden. Überzeugt von einer Eigenständigkeit der Kunstgattung Tanz, war er es, der – so sein kämpferisches Diktum – „den Tanz von der Musik befreite“. Damit hatte er sich programmatisch gegen die zu dieser Zeit dominierende „Rhythmuswelt“ von É. Jaques-Dalcroze gestellt. L. wandte sich einem (Tanz-)Raum zu, den er mit körperlicher Bewegung, mit Zeit und Kraft in Bezug stellte. Sich selbst als Teil der Lebensreform betrachtend, stellte er diesen Raum zunächst in ein mystisches und „natürliches“ Umfeld (etwa auf dem Monte Verità), der Raum nahm schließlich in Gestalt des „Ikosaeders“ sein äußeres Erscheinungsbild an. Die zwölfeckige kristalline Form sollte vom schwingenden Körper in „Skalen“ durchmessen werden. Ab 1919 begann der rasche Aufstieg L.s., der in der Position des Ballettmeisters der Berliner Staatsoper 1930 ihren Höhepunkt und in der 1936 erfolgten Aberkennung aller Ämter durch die Nationalsozialisten ihr Ende am Kontinent fand. L.s Ruhm hatte sich durch eine bedeutende tanzschriftstellerische Tätigkeit geweitet, die Suche nach einer Schrift, die Tanz jenseits der Vorstellung wissenschaftlich verfügbar machen sollte, mündete in der „Kinetographie L.“, an deren Entwicklung u. a. F. Klingenbeck und A. Schlee Anteil hatten. Die Schrift, erstmals in der von der Universal Edition herausgegebenen Zeitschrift Schrifttanz gedruckt, wurde von den Nationalsozialisten verboten. Im anglo-amerikanischen Raum erhielt sie den Namen „L.notation“. L.s weiteres Interesse galt einem „Laientanz“, dessen Ziel es war, durch die Erfahrung des gemeinsamen „chorischen“ Erlebens in einen Zustand des „höheren Seins“ zu gelangen. L.s Körperkonzepte und Formen der Festkultur (Letztere etwa realisiert in dem Wiener Festzug der Gewerbe 1929) fanden durch die enorme Zahl der „L.schulen“ weite Verbreitung. Auch die Nationalsozialisten machten sich L.s Beliebtheit zu Nutze, nahmen Details seines Gedankengutes auf, eine Tatsache, die L. wiederum zu nutzen wusste.

In England wandte sich L. der Erkundung von Arbeitsbewegung, der Bewegungsanalyse und einer Raumharmonielehre zu. Sein Wirken erzielte in der Übernahme seiner „effort and shape theories“ an öffentlichen Schulen Anerkennung. Diese wurden wiederum zur Basis für die Bildung einer Tanztherapie, wie sie sich v. a. in den USA entwickelte. Allgemeine Anerkennung erhielt L. schließlich in dem nach ihm benannten „L. Center“, einer zentralen Londoner Tanzausbildungsstätte. Ab den 1980er Jahren wandte man sich auch im deutschen Sprachraum wieder L. zu, sein Gedankengut hat sich auch einen Platz in zeitgenössischen Tanzkonzepten wie etwa dem von William Forsythe erobert.


Schriften
Die Welt des Tänzers 1920; Ein Leben für den Tanz 1935; Modern Educational Dance 1948 (dt.: Der moderne Ausdruckstanz in der Erziehung 1981); The Mastery of Movement on the Stage 1950 (dt.: Die Kunst der Bewegung 1988); Principles of Dance and Movement Notation 1956 (dt.: C. Perrottet [Hg.], Kinetografie – L.notation 1995); Choreutics, hg. v. L. Ullmann 1966 (dt.: Choreutik, Grundlagen der Raumharmonielehre des Tanzes 1991); Beiträge in der Zs. Der Tanz 1926f.
Literatur
MGG 10 (2003); F. Klingenbeck in [Kat.] Tanz 20. Jh. in Wien, 1979; K. Peters (Hg.), L., Die Tanzarchiv-Reihe 19/20 (1979); Schrifttanz, NA hg. v. G. Oberzaucher-Schüller 1992; V. Preston-Dunlop, R. L.: An Extra-Ordinary Life 1998; E. Dörr, R. v. L. Leben und Werk des Künstlers (1879–1936), Diss. Berlin 1998; Flotzinger 1988 (Abb.).

Autor*innen
Gunhild Oberzaucher-Schüller
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Gunhild Oberzaucher-Schüller, Art. „Laban (de Váralja), Rudolf von‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d6a9
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN

DOI
10.1553/0x0001d6a9
GND
Laban (de Váralja), Rudolf von: 118568434
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