Kremsier
(deutsch für tschechisch Kromĕříž, lat. Cremsirium)
Stadt in
Mähren südlich von
Olmütz (Olomouc/CZ) in Hanau. Seit dem 13. Jh. Residenzstadt der Olmützer Bischöfe mit zunehmender Bedeutung. Von November 1848 bis März 1849 fand hier der
K.er Reichstag statt. Die Anfänge der Musikpflege in K. sind mit der Gründung des Domkapitels bei der Kirche St. Moritz (um 1260) verbunden. An Bedeutung gewann die Musikpflege unter dem Bischof Stanislaus Pavlovský (1579–98), der 1579–85
J. Gallus als
„praefectus capellae“ anstellte. Gallus widmete dem Bischof zwei Bücher seiner
Selectiores quaedam missae und den ersten Teil der Sammlung
Opus musicum. Der Fürstbischof
C. Liechtenstein-Castelcorn ließ
K. während seines Episkopats (1664–95) in eine monumentale barocke Schlossresidenz umbauen. Nach dem Vorbild der
Salzburger Bischöfe und des
Wiener Hofes wurde in
K. unter der Leitung des Trompeters Pavel Josef Vejvanovský in der Kirche St. Moritz liturgische Musik und im Schloss weltliche Musik aufgeführt, darüber hinaus auch in anderen mährischen Städten wie Wischau (Vyškov),
Brünn (Brno), Olmütz und Mirau (Mírov). Dank seiner Kontakte zu
J. H. Schmelzer und
A. Poglietti konnte C. Liechtenstein-Castelcorn für seine Kapelle 1152 Unikate (ursprünglich 1357) von kirchlichen und weltlichen Kompositionen (Sonaten und Balletti für verschiedene Besetzungen, u. a. auch eine beachtliche Anzahl an Kompositionen mit Violinskordatur [
Skordatur]) der Wiener Hofkomponisten
G. Valentini,
A. Bertali,
G. Sances, A. Poglietti,
Leopold I.,
J. J. Prinner), zahleichen
Anonymi u. v. a. anschaffen. 1669/70 ließ er auch acht wertvolle Streichinstrumente von
J. Stainer aus Absam/T ankaufen. Von wahrscheinlich 1668 bis zum Sommer 1670 wirkte in
K. als Kammerdiener
H. I. F. Biber, der auch nach seiner Flucht nach Salzburg mit
K. in Verbindung blieb. (Im
K.er Schlossarchiv sind als einzigem Archiv Bibers Autographe überliefert.) Die Bedeutung der Sammlung wurde erst im 20. Jh. bekannt, nachdem der fürstbischöfliche Archivar Antonín Breitenbacher die Musikalien aus dem bischöflichen Besitz und der
K.er Kirchen im Schloss zusammenführte. Weitere Nachrichten über die Musikpflege stammen aus der Zeit des Kardinals
W. H. v. Schrattenbach, der in
K. lt. der überlieferten Libretti
Opern und
Oratorien mit Schülern des Piaristenkollegs aufführen ließ. Der Bischof Leopold II. Friedrich Egk v. Hungersbach (1758–60) ließ seine Musikkapelle (Leitung:
Ant. Neumann) als erste in Mähren ausschließlich weltliche, frühklassische
Instrumentalmusik aufführen.
Eine weitere Musikaliensammlung mit Sinfonien, Kammermusik, Harmoniemusik und Kompositionen mit konzertantem Klavier von Komponisten wie J. Ch. Bach, Luigi Boccherini, C. Ditters v. Dittersdorf, J. Haydn, Leopold Hoffmann, F. A. Hoffmeister, G. Ch. Wagenseil, J. B. Vanhal (Wanhall), W. A. Mozart u. a. stammt vom ersten Olmützer Erzbischof Theodor Colloredo-Waldsee (1777–1811). Unter dem Erzbischof Maria Thadäus Trautmannsdorf (1811–19) existierte in K. nur eine Harmoniemusik (Leitung Václav Havel aus Prag). Vom Kardinal Erzhzg. Rudolph v. Habsburg ist im Archiv ein Teil seiner umfangreichen Sammlung mit Eigenkompositionen und Skizzen erhalten. 1908–12 studierte am Učitelský ústav der bedeutende tschechische Komponist A. Hába. Neben dem bereits bestehenden Konservatorium Pavel Josef Vejvanovskýs (Konzervatoř Pavla Josefa Vejvanovského) wurde hier 1991 auch das Církevní konservatoř gegründet, 1989 das Internationale Kirchenmusikfestival Forfest ins Leben gerufen.
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14.3.2004
Dagmar Glüxam,
Art. „Kremsier (deutsch für tschechisch Kromĕříž, lat. Cremsirium)“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
14.3.2004, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d600
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