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Kirchenmusik, evangelische
Die Geschichte der Evangelischen Kirchenmusik in Österreich ist keine durchgehende, existierte nach der Reformationszeit doch die Evangelische Kirche in der Zeit der Rekatholisierung offiziell nicht. Evangelisches Leben in der Öffentlichkeit wurde erst durch das Toleranzpatent Josephs II. 1783 wieder ermöglicht. Im Gegensatz zu Deutschland oder Skandinavien hat daher auf Grund der Diasporasituation die Kirchenmusik lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Für die Verbreitung der Reformation spielte Musik eine wichtige Rolle. Martin Luther war musikalisch hochbegabt und hat sich als Sänger, Lautenspieler, aber auch Komponist und Schöpfer von Kirchenliedmelodien betätigt. Entscheidender aber ist, dass er der Musik für die Existenz der Kirche und die Verkündigung des Evangeliums einen hohen Stellenwert beigemessen hat. Viele Äußerungen in seinen Schriften belegen dies.

Sehr früh schon fanden reformatorische Gedanken Eingang auch in Österreich. Man kann davon ausgehen, dass bis zu zwei Drittel der Bevölkerung Anhänger der Reformation geworden sind. Musikgeschichtlich ist die erste Phase des Aufbaus evangelischen Lebens in den habsburgischen Ländern noch wenig bedeutsam. In den Jahrzehnten ab 1570 jedoch entwickelte sich an den Kirchen und Schulen eine rege Pflege der Kirchenmusik. Spielte besonders der Gemeindegesang im reformatorischen Gottesdienst eine tragende Rolle, so gestaltete vor allem in den Städten auch Instrumental- und Vokalmusik den Gottesdienst wesentlich mit. An den neu errichteten Schulen wurde der Musikerziehung ein besonderes Augenmerk geschenkt und sie hatte das Ziel, neben Musiktheorie in den Chorgesang einzuführen und diesen regelmäßig im Gottesdienst zu praktizieren. Die Linzer Landschaftsschule etwa wurde durch die Verpflichtung namhafter Gelehrter (Johannes Kepler), Lehrer (D. Hitzler) und Musiker über die pädagogische Zweckbestimmung hinaus ein tragendes Element des Linzer Musiklebens. Die Kantoren, deren Namen erhalten sind (Georg Poppius, Nikolaus Rosthius, Leonhard Camerarius, Wolfgang Rauch, Johannes Linck [aus Schlesien stammend], Leonhard Prinner, Petrus Dervancius, J. Brassicanus), besorgten den Musikunterricht und die musikalische Leitung der Gottesdienste in der evangelischen Landhauskirche (ab 1588 mit einer Orgel von K. Sturm ausgestattet). Vom ganzen Lehrkörper wurden musikalische Fähigkeiten gefordert, von den Kantoren zusätzlich kompositorisches Können. Ein Gutteil des Repertoires ist durch ein Inventar von 1628 überliefert, das Drucke von O. di Lasso, J. Regnart, M. Vulpius, Michael Prätorius, J. Gallus, A. und G. Gabrieli, J. de Cleve, L. Lechner, H. L. Haßler, O. Vecchi u. a. verzeichnet.

Gute Verbindungen sind jedenfalls nach Regensburg/D dokumentiert, wo Andreas Raselius wirkte und wohin Exulanten häufig zogen. Raselius’ jüngster Sohn Thomas war ab 1621 in Waizenkirchen/OÖ und 1623 in Vöcklabruck tätig, wo er noch im selben Jahr verstarb (bereits Ende des 16. Jh.s hatte hier mit A. Schüßling ein ehemaliger Regensburger Schüler als Schulmeister und Kantor gewirkt). In Gmunden ist ab 1585 Andreas Pleninger als Organist nachweisbar, ebenfalls aus Regensburg stammend, der bei seiner Rückkehr in seine Heimatstadt eine in Gmunden verfertigte Orgeltabulatur mitbrachte, die neben Werken namhafter Komponisten auch solche weniger bekannter österreichischer evangelischer Kantoren beinhaltet. Zunächst in Horn und dann in Steyr (wo mit G. Daubenröck auch ein Schüler A. Raselius’ tätig war) wirkte als Organist, Orgelbauer und Komponist P. Peuerl. In Graz fand der Protestantismus – besonders unter den Landständen – seit 1525 großen Zulauf. 1570 wurde die evangelische Stiftskirche fertig gestellt (ab 1589 mit einer neuen Orgel von K. Sturm), 1574 die ihr angeschlossene Stiftsschule. Die in etwa zur selben Zeit entstandene Kirchenordnung für die innerösterreichischen Länder sah die Möglichkeit des deutschen oder lateinischen Kirchengesangs vor, Figuralgesang und (freies) Orgelspiel war nur für die Frühpredigt an Sonntagen vorgesehen. Dass die Musikpflege in Graz jedoch nicht unbedeutend gewesen sein kann, lässt eine Rüge der Landstände bereits 1553 über die Ausgaben der Stadtgemeinde für die Kirchenmusik erkennen. Als Präzeptoren, Kantoren und Organisten wirkten hier u. a. Jakob Schott, Kaspar Gastel, Balthasar Heuchelheimb, P. Homberger, Hans Krines, Alexander Prätorius, Ruprecht Steuber (zuvor in Wiener Neustadt), A. Perini, E. Widmann, Georg Stradner (aus Marburg an der Drau stammend, zuvor Organist der evangelischen Gemeinde in Wels). Für das Gebiet der Steiermark ist weiters noch J. F. Fritzius als bedeutend zu nennen. In Klagenfurt dürfte es vor dem 16. Jh. kaum eine nennenswerte Musikpflege gegeben haben. Erst mit der Reformation und dem großzügigen Ausbau der Stadt durch den protestantischen Adel blühte die Stadt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell auf. Spätestens 1653 wird eine höhere Schule (collegium sapientiae et pietatis) errichtet, an der protestantische, meist aus Deutschland stammende Lehrer wirkten, die auch für die ein- und mehrstimmige Kirchenmusik zuständig waren. J. Herold und I. Posch waren hier als Kantoren und auch kompositorisch tätig. In Bad Gastein/Sb und Goldegg/Sb wirkte der aus Salzburg stammende S. Hasenknopf.

Die Wiener Hofkapelle vertonte in den ersten Jahren der Reformation auch von Luther übersetzte Bibeltexte. Wien war jedoch gleichzeitig die Landeshauptstadt Niederösterreichs, damit Regierungssitz der Landschaft und Sitz der Habsburgermonarchie. Diese Konstellation verhinderte zunächst ein Aufblühen evangelischen Lebens wie in Linz oder Graz. Der Hof griff immer wieder ein, um den Protestantismus zurückzudrängen. Ein reges protestantisches Leben konnte sich jedoch auf Adelssitzen rund um Wien, in Hernals (heute Wien XVII) und Inzersdorf (heute Wien XXIII), entwickeln. 1610–25 wirkte in Hernals als „bestellter Organist der löblichen Euangelischen dreyen Landstände in Österreich under der Enns“ A. Rauch. Er gilt als einer der bedeutendsten Komponisten des protestantischen Österreich und komponierte u. a. ein Thymiaterium musicale, das „zu erweckung mehrerer andacht, mit anmütiger Harmonia mit 4.5.6.7. und 8. Stimmen, samt dem Basso continuo“ diente. Nach vorübergehender Tätigkeit in Inzersdorf 1625–27 war Rauch bis zu seinem Tod als Organist in Ödenburg angestellt. In Tirol ist das Wirken A. Haslmayrs erwähnenswert, in Niederösterreich u. a. jenes von Wendelin Kessler und Daniel Lackner.

Kirchenlied und Gesangbuch erlebten im 16. Jh. eine Blütezeit. Mit dem Achtliederbuch (Nürnberg 1523/24) begann die Reihe evangelischer Gesangbücher mit Noten, von denen im 16. Jh. nahezu 500 erschienen sind. Neben Wittenberg/D waren u. a. Leipzig/D, Nürnberg/D, Konstanz/D und Straßburg (Strasbourg/F) weitere reformatorische Liedzentren. Ob es auch im heutigen Österreich zu reformatorischen Lied- und Gesangbuchdrucken gekommen ist, ist nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass Gesangbücher importiert wurden. Dass Gesangbücher aus Deutschland benutzt und die in Wittenberg entstandenen Lieder bekannt waren, zeigen die Kirchenordnungen und vor allem die „Niederösterreichische Kirchenagende“ deutlich. Die Entwicklung des reformatorischen Liedgutes regte freilich auch die katholische Kirche zur Herausgabe eigener Gesangbücher an, wobei hier reformatorische Einflüsse unverkennbar sind. Auch in Österreich entstanden solche Gesangbücher, etwa das Catholisch Gesangbuechlein Innsbruck 1588, die Gesang-Postille von A. Gigler 1569 und das Catholisch Gesangbuch von N. Beuttner 1602.

Nie ist in den Kirchenordnungen von der Orgel als Begleiterin des Gemeindegesanges die Rede. Die „Niederösterreichische Kirchenagende“ schweigt von der Orgel gänzlich, ebenso wie Luther in seinen liturgischen Schriften (Formula Missae und Deutsche Messe). Tatsache ist, dass sie in der Reformationszeit noch nicht die Bedeutung hatte, die sie später erhalten hat. Dennoch gab es in den Kirchen Orgeln. Mit Präludium oder Präambulum hatte das Instrument die Aufgabe eines selbständigen Musikstücks bzw. der Intonation für die Gemeinde und den Chor. Die Gemeinde sang unbegleitet, unterstützt lediglich vom Chor.

Mit der Gegenreformation kam der Aufbau einer evangelisch-kirchlichen Organisation zum Erliegen. Wer nicht katholisch sein oder werden wollte, musste das Land verlassen. Dies betraf nicht nur die evangelische Bevölkerung, sondern natürlich auch ihre Pfarrer und Kantoren. Damit erhielt die zum Blühen gebrachte evangelische Musikkultur einen jähen Abbruch. Es ist überliefert, dass die in Gruppen das Land verlassenden Evangelischen singend emigriert sind. Und auch an den Orten, durch die sie zogen oder wo sie eine neue Heimat fanden, wurden sie singend empfangen. Diesbezügliche literarische Zeugnisse gibt es vor allem von den Salzburger Emigranten von 1731/32. Es entstanden Lieder, die die Gründe und die Not der Emigration besingen. Das bekannteste und auch in das heute in Gebrauch befindliche Evangelische Gesangbuch (EG 625) aufgenommene Lied ist das von Josef Schaitberger (1658–1733) gedichtete Lied Ich bin ein armer Exulant. Schaitberger war der geistliche Führer der Exulanten und fand in Nürnberg Aufnahme. Durch seine Schriften (1702 Evangelischer Sendbrief), aber auch durch heimliche Reisen stärkte er die Zurückgebliebenen. Vor allem in den Städten war evangelisches Leben völlig erloschen. Lediglich in abgelegenen Berggegenden konnten einige ihrer Überzeugung treu bleiben, waren allerdings immer der Gefahr ausgesetzt, aufgedeckt zu werden. Auch hier bildeten die im Versteck gehaltenen Gesangbücher zusammen mit der Bibel die Quelle, aus der sie Kraft schöpften und die Grundlage, auf der sie ihre Hausandachten gestalteten.

Am 13.10.1781 erließ Joseph II. das Toleranzedikt, das den „Akatholiken“, d. h. den „Augsburgischen und Helvetischen Religionsverwandten und den nicht unierten Griechen“ das „Privatexercitium“ ihrer Religion erlaubte. Dies bedeutete, dass sie „Bethäuser“ (noch keine Kirchen) für ihre Gottesdienste errichten, Pfarrer, Lehrer und Kantoren bestellen und somit auch wieder öffentliche Kirchenmusik gestalten durften. Freilich war die Zeit der Aufklärung nicht gerade eine Zeit, die großes Interesse an der Kirchenmusik hatte. Immerhin wurde bei der Einweihung des lutherischen Bethauses in Wien (Dorotheergasse 18) am 30.11.1783 eine „musikalisch geistliche Cantate“ (Opfere Gott Dank und bezahle dem Höchsten deine Gelübde) von Matthias Stippa aufgeführt. Der Komponist schrieb neben anderen Werken auch einen Trauergesang für den verstorbenen Kaiser Joseph II. Bezeugt ist auch die Aufführung der Cantate Der Tod Jesu von Carl Heinrich Graun (1703/04–59) am Karfreitag 1784 in der lutherischen Stadtkirche. Die Kirchenmusik in der lutherischen wie in der reformierten Kirche (Dorotheergasse 16) wurde anfangs noch sehr stark von katholischen Musikern unterstützt oder sogar besorgt. Vor dem Toleranzedikt gab es evangelische Gottesdienste in Wien nur in den Gesandtschaftskapellen, von denen die dänische die größte war. An diesen Gottesdiensten haben nicht nur die Angehörigen der Botschaft, sondern so lange dies möglich war, auch andere evangelische Christen der Stadt teilgenommen. Querverbindungen zu bedeutenden Persönlichkeiten der Musikgeschichte schuf die 1806 in der lutherischen Kirche erbaute Deutschmann-Orgel, für die der Wiener Domkapellmeister J. G. Albrechtsberger gemeinsam mit dem Hoforganisten Georg Summer die Disposition entwarfen. G. J. Vogler sowie A. Bruckner spielten gerne auf diesem Instrument. Bruckner, seit 1868 als Professor für Orgel am Konservatorium berufen, hatte, da er noch keine Orgel zur Verfügung hatte, sogar den Wunsch, für Unterrichtszwecke die Orgel zu benützen und richtete eine entsprechende Bitte an die evangelische Gemeinde. Diese Bitte wurde jedoch abgelehnt und ihm die neue Hesse-Orgel der evangelischen Kirche in Gumpendorf (Wien VI) empfohlen, was wieder für Bruckner zu weit entfernt schien. J. A. Streicher gründete 1818 die Evangelische Singanstalt, aus der 1882 der Wiener Evangelische Singverein hervorging. Im Konzertsaal seiner Klavierfabrik fanden sich bei den Veranstaltungen viele Kunstkenner und der hohe Adel ein. Sie gaben die Anregung zur Gründung der heutigen GdM. Für die evangelische Kirche Wiens lag die Bedeutung Streichers in der Bemühung um die Verbesserung des Gemeindegesangs. Nicht nur die Umdichtung reformatorischer Lieder, sondern auch die Art und Weise des Singens bedeuteten damals einen Tiefstand in der Geschichte des evangelischen Kirchenliedes. Mit seinen umfangreichen Vorschlägen um die Verbesserung des Musikalischen Theiles bey dem Evang. Gottesdienste und dem Melodienbuch zum Gebrauch bey dem öffentlichen Gottesdienste der Evang. Gemeinden ist Streicher zukunftsweisend geworden. Das erste Gesangbuch für die evangelischen Gemeinden A. B. in den österreichischen Erblanden wurde von dem evangelischen Wiener Verleger Georg Philippp Wucherer herausgegeben, der sich das Schleswig-Holsteinische Gesangbuch als Vorlage nahm, es aber, wie er im Vorwort erklärt, für die „hiesigen Bedürfnisse“ abgeändert hat. Unter den neu aufgenommenen Liedern ist ein Toleranzlied mit einem eigens dafür geschriebenen Text von Johann Caspar Lavater bemerkenswert. Der erste überregional namhafte evangelische Organist an der lutherischen Stadtkirche war der aus Mannheim stammende F. W. Pixis. An der Wiener reformierten Stadtkirche wirkten im 19. Jh. u. a. I. Lachner, B. Randhartinger, G. v. Preyer, J. Richter und W. Schenner als Organisten an einem 1695 gebauten und 1784 von F. X. Christoph adaptierten und hier aufgestellten Instrument.

Die erste Hälfte des 20. Jh.s mit seinen beiden Weltkriegen und der notvollen Zwischenkriegszeit ließ kaum Möglichkeiten zur Entfaltung einer evangelischen Kirchenmusik zu. Dennoch gab es im Jahr 1935 eine Initiative, in der zu einer Sammlung aller kirchenmusikalischen Kräfte aufgerufen wird. 1940 entstehen aus dieser Initiative der Landesverband der Kirchenchöre und der Verband evangelischer Kirchenmusiker. Zwischen beiden Verbänden kam es zu einer engen Zusammenarbeit und schließlich 1946 zu einem Zusammenschluss beider Verbände im Verband für evangelische Kirchenmusik in Österreich (VEKÖ), der bis heute besteht und die Förderung und Pflege evangelischer Kirchenmusik in Österreich sowie die Aus- und Fortbildung von Organisten und Chorleitern als seine Aufgabe sieht. Eine weitere organisierte Kraft bildete das 1943 gegründete Referat für Kirchenmusik beim Evangelischen Oberkirchenrat A. u. H. B., aus dem später das Amt für Kirchenmusik wurde. Bereits 1937 fand in Oberschützen/Bl eine gesamtösterreichische Singwoche statt. Unterstützung erfuhr die evangelische Kirchenmusik immer wieder durch die kirchenmusikalischen Verbände in Deutschland, in denen die österreichische evangelische Kirchenmusik von Anfang an Sitz und Stimme hat. In der NS-Zeit musste die Kirchenmusik freilich auch manche Behinderung erleben. 1949 erschien Der Hauptgottesdienst in der Evangelischen Landeskirche A. B., dessen liturgische Ordnung vom Liturgischen Ausschuss der Synode A. B. herausgegeben wurde. Am 25.8.1950 beschloss die Jahresversammlung des VEKÖ eine Resolution, in der „alle verantwortlichen Stellen“ aufgefordert wurden, „der Pflege unserer evangelischen Kirchenmusik erhöhte Förderung angedeihen zu lassen“. Die Landesmusikwarte veröffentlichten am 4.10.1950 eine Denkschrift, in der die mangelhafte Qualifikation der Organisten beklagt wurde, „die einem Aufschwung der Kirchenmusik im Wege steht“. Aber ebenfalls in diesem Jahr fand anlässlich des 200. Gedenkjahres des Todes von J. S. Bach im Goldenen Saal des Wiener Musikvereinsgebäudes eine Feier aller evangelischen Gemeinden Wiens mit einem Festvortrag und der Aufführung der beiden Reformationskantaten Bachs (BWV 79 und 80) statt. Vor allem zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern entwickelte sich ein enger Kontakt und 1952 wurde in Gosau/OÖ eine erste bayrisch-österreichische Singwoche abgehalten und damit der Grundstein für jährlich stattfindende Singwochen gelegt, deren Chorleiter meist abwechselnd aus Deutschland und Österreich kommen. In der bayrischen Zeitschrift Gottesdienst und Kirchenmusik wurde eine eigene Österreichseite eingerichtet.

Das nach dem 2. Weltkrieg erstmals für den deutschsprachigen Raum mit Ausnahme der Schweiz geschaffene Evangelische Kirchengesangbuch (EKG) wurde 1960 auch in Österreich übernommen und mit einem eigenen Österreichteil versehen. 1994 wurde in Wien das neue Evangelische Gesangbuch (EG) und im Jahr 2000 ein neues Evangelisches Gottesdienstbuch (EGb) eingeführt. Beide Bücher wurden in enger Zusammenarbeit mit den evangelischen Kirchen Deutschlands erstellt.

Schon 1961 beantragte der VEKÖ bei der Kirchenleitung die Bestellung eines Landeskirchenmusikdirektors in Analogie zur Praxis in den deutschen Landeskirchen. Aber erst im Jahr 1993 wurde die hauptamtliche Stelle eines Landeskantors geschaffen. Durch die Besetzung dieser Stelle sowie die Systemisierung von diözesanen Kirchenmusikerstellen erlebte die Kirchenmusik einen bedeutenden Aufschwung. Vom 17. bis zum 19.10.2003 fanden erstmals Tage evangelischer Kirchenmusik in Linz statt, und das Evangelische Museum Oberösterreich organisierte im gleichen Jahr unter dem Titel Glaube klingt eine Ausstellung, die die Geschichte und Bedeutung evangelischer Kirchenmusik zu vermitteln versuchte. 2010 befasste sich erstmals die Generalsynode mit dem Anliegen evangelischer Kirchenmusik. Dafür hat der Beirat für Kirchenmusik ein Grundsatzpapier Kirche l(i)ebt Musik erarbeitet und Bischof Michael Bünker schrieb in seinem Vorwort: „Evangelischer Gottesdienst und evangelische Frömmigkeit sind ohne Wort und Musik nicht zu denken“. 2015 fand auch im Kärntner Diözesanmuseum Fresach eine Ausstellung statt, in der unter dem Titel StimmKraft. Kirchenlieder schreiben Geschichte erstmals eine Darstellung (österreichischer) evangelischer Lied- und Gesangbuchgeschichte der Öffentlichkeit vermittelt werden konnte. Neben den jährlich stattfindenden Singwochen sowie weiteren Fortbildungsveranstaltungen des VEKÖ veranstaltet das Amt für Kirchenmusik jährlich eine Werkwoche für Kirchenmusik in Oberschützen mit einem breiten Fortbildungsangebot.

Gegenwärtig sind in den 280 Pfarr- und Tochtergemeinden der Evangelischen Kirche in Österreich insgesamt 650 Organist(inn)en und Chorleiter/innen tätig und etwa 130 kirchliche Chöre (einschließlich der Kinder- und Gospelchöre) vorhanden. Dazu kommen noch etwa zehn Posaunenchöre. Leistungsfähigere Kantoreien, die auch große Werke der Kirchenmusik aufführen, existieren in Linz, Oberschützen, Salzburg und Wien. Das akademische Studium Evangelische Kirchenmusik bieten die Musikuniversitäten Wien, Graz und Salzburg an. Für nebenamtliche Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker hat die evangelische Kirche eine eigene Ausbildung für den Dienst als Organist/in und Chorleiter/in entwickelt. In den letzten Jahrzehnten kam es auch in vielen Gemeinden zu einem Orgelneubau durch renommierte Orgelbaufirmen bzw. zu Restaurierungen historischer Orgeln.


Literatur
R. Dittrich, Die Lieder der Salzburger Emigranten von 1731/32, 2008; A. Hanisch-Wolfram/W. Horn (Hg.), StimmKraft. Kirchenlieder schreiben Geschichte 2015; Beiträge von K. Mitterschiffthaler, H. Stekel u. Th. Schlage in Jb. für die Gesch. des Protestantismus in Österreich 126 (2010); H. J. Moser, Die Musik im frühevangelischen Österreich 1954; H. Stekel in K. Vocelka et al. (Hg.), [Kat.] Renaissance und Reformation 2010; H. Stekel in R. Leeb et al. (Hg.), [Kat.] Brennen für den Glauben 2017; G. Reingrabner in G. Reingrabner (Hg.), [Kat.] Evangelisch! Gestern und Heute einer Kirche 2002; Th. Reuter, Evangelische Kirchenmusik in Österreich, Diss. Wien 1995; G. Walterskirchen in W. Hölzl (Hg.), [Kat.] Reformation, Emigration, Protestanten in Salzburg 1981; A. Wurm in K. Albrecht-Weinberger (Hg.), [Kat.] Evangelisch in Wien: 200 Jahre evangelische Gemeinden 1982; K. Hehn in P. Karner (Hg.), Die evangelische Gemeinde H. B. in Wien 1986; O. Wessely in Jb. f. Liturgik u. Hymnologie 2 (1956); K. Schwämmlein in Jb. f. die Gesch. des Protestantismus in Österreich 107/108 (1991/92); Beiträge von H. Federhofer u. O. Wessely in Jb. der Ges. f. die Gesch. des Protestantismus in Österreich 68/69 (1953); O. Wessely in StMw 32 (1981); O. Wessely in Ch. Wessely (Red.), Musik in Österreich 1971; H. Federhofer (Hg.), Begräbnisgesänge Nürnberger Meister f. Exulanten aus der Steiermark 1955; G. Allmer in Das Orgelforum 21 (Dezember 2017), 22 (September 2018), 23 (Dezember 2019).

Autor*innen
Werner Horn
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
17.6.2020
Empfohlene Zitierweise
Werner Horn/Christian Fastl, Art. „Kirchenmusik, evangelische‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 17.6.2020, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0039b972
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DOI
10.1553/0x0039b972
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