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Kálmán, Kálmán, Emmerich Familie
Emmerich (eig. Imre Koppstein): * 1882-10-2424.10.1882 Siófok/H, † 1953-10-3030.10.1953 Paris. Komponist. Kindheit in Siófok, ab 1892 Gymnasium in Budapest. Mitte der 1890er Jahre geschäftlicher Zusammenbruch des väterlichen Unternehmens, was für K. zeitlebens anhaltende Existenzängste zur Folge hat. Debütierte 1897 in Budapest als Pianist (in den Zeitungen als „zwölfjähriges [!] Wunderkind gefeiert), musste jedoch wegen einer Nervenerkrankung der Arme diese Laufbahn schon 1900 aufgeben. Er begann nach der Matura neben einem (nicht abgeschlossenen) Jus-Studium Komposition und Musiktheorie zu studieren (zunächst bei Albert Siklos, anschließend bis 1904 an der Budapester MAkad. bei H. Kössler, u. a. mit Béla Bartók, Zsoltán Kodály, Albert Szirmai und Leo Weiner). Nach Beendigung des Studiums schrieb er 1904–08 Musikkritiken für die Tageszeitung Pesti Napló, daneben populärwissenschaftliche Meisterbiographien. Mehrere Stipendien ermöglichten ihm ab 1905 v. a. Besuche der Bayreuther Festspiele, wo er u. a. A. Nikisch kennen lernte. 1906 UA des patriotischen Lustspiels Das Erbe von Pereszleny, ein musikalischer Erfolg, aufgrund gewandelter politischer Szenerie jedoch zum ungeeigneten Zeitpunkt. Aufgrund familiärer Zwänge kurze Tätigkeit in Anwaltskanzlei. Populärer Durchbruch 1907 mit einem Couplet, es folgten weitere Kabarettlieder v. a. über Texte von Eugen Heltai. Dies war maßgeblich für die Wende zum Genre Operette. Mit Tatárjárás (dt. Herbstmanöver) 1908 erster großer Operettenerfolg (1909 als The Gay Hussars auch in London und New York) und Grund für seine Übersiedlung nach Wien. Wien blieb bis zur Emigration (Exil) 1938 sein Hauptwohnsitz (zunächst kurz Wien IX, Alser Straße 18, anschließend IV, Paulanergasse 12, ab 1934 in der „K.villa“ in Währing XVIII, Hasenauerstraße 29) und UA.sort seiner Operetten. Lebte 17 Jahre mit Paula Dworczak (bis zu deren Tod 1928) zusammen, heiratete 1929 die Tänzerin Vera Makinskaja (eig. Marie Mendelsohn, * 22.8.1907 Perm/RUS, † 25.11.1999 Zürich/CH), mit der er zwei Töchter und einen Sohn haben sollte.

K. hat trotz des Anfangserfolgs mit Tatárjárás nicht sofort auf das Genre Operette gesetzt, sondern schrieb noch ein musikalisches Volksstück für Budapest, das als Operette Der gute Kamerad (bearbeitet von V. Leon) in Wien durchfiel (jedoch 1914 als Kriegsoperette Gold gab ich für Eisen wiederkehren sollte). Einen erneuten Operettenerfolg und die endgültige Wendung zum Genre brachte 1912 Der Zigeunerprimas (T: Julius Wilhelm und F. Grünbaum). K. blieb in der Folge etabliertes Mitglied der Wiener Operettenszene, kooperierte in erster Linie mit W. Karczag, erfuhr euphorische Zustimmung beispielsweise durch R. Specht, der K.s Authentizität und Verwurzelung in der Folklore lobte. K. pflegte konsequent seinen Operettenstil, „Tanz-“ und „lyrische Operette“ waren für ihn keine attraktiven Konzepte. Interessante Ausnahmen von dieser Haltung waren Golden Dawn für New York (gemeinsam mit Herbert Stothart, 1927) und Herzogin von Chicago (1928). 1938 emigrierte er über Zürich und Paris nach New York (US-Staatsbürgerschaft 1947). Mit neuen Werken (Marinka) war er in den USA kaum erfolgreich, aber als Dirigent (1943 Tournee durch die USA). K. kehrte 1949 nach Europa zurück und lebte hauptsächlich in Paris.

K. hat mehrfach betont, dass seine musikalische Sozialisation eine sehr spezielle und gedrängte war. Als prägenden Einfluss seiner frühen Jahre nannte er selbst Peter Iljitsch Tschaikowsky. Im Gegensatz zum Usus der Branche, blieb er in der Folge ausschließlich auf Operetten fixiert und schrieb kaum Schlager oder Filmmusik (Ausnahme „Tonfilmoperette“ Ronny, UFA 1931). Auch die Anzahl seiner Operetten ist vergleichsweise gering. Er arbeitete intensiv an einzelnen Werken (besonders am Textbuch und an der Instrumentation). Er entwickelte seinen musikalischen Stil „zumeist ausgehend von ungarischer und zigeunerischer Folklore, deren Impulse er eigenständig abwandelte“ (Klotz) und behielt diesen bei, ohne auf jeweils aktuelle Moden der Branche (Tanz-, Revue-Operette) einzugehen. Vereinzelt beschäftigte er sich jedoch mit Exotismus bzw. couleur locale (Bajadere, Die Herzogin von Chicago). Die K-Rezeption stand v. a. nach 1918 in Österreich verstärkt unter retrospektiv-nostalgischen Vorzeichen (Gräfin Mariza). Im Gegensatz zu anderen Emigranten der Operettenbranche konnte er sich auf die neuen Verhältnisse in den USA nicht mehr einstellen, seine späten Operetten (Marinka, Arizona Lady) gelten als „eigenepigonale Nachklänge“ (Klotz).


Gedenkstätten
Grab ehrenhalber auf dem Zentralfriedhof (Gr. 31B/12/10; von Paris nach Wien überführt am 5.11.1953); K.-Büsten im Souterrain (Pausenraum) des Theaters an der Wien, im Raimundtheater und im Türkenschanzpark (Wien XVIII); Denkmal im Kurpark von Bad Ischl (s. Abb.); Gedenktafel am Wohnhaus Paulanergasse 12 (Wien IV); E.-K.-Straße in Bad Ischl, Stockerau/NÖ; E.-K.-G. in Kottingbrunn/NÖ, Mörbisch/Bl, Parndorf/Bl, Wiener Neustadt; K.gasse in Poysdorf/NÖ, Zwentendorf/NÖ; K.straße (1955) in Wien XIII; Marizaweg (2006) in Wien X.
Ehrungen
Robert-Volkmann-Preis 1906; Franz-Joseph-Preis der Stadt Budapest 1907.
Werke
Lieder 1902–07 (darunter der Jacobowsky-Zyklus), Scherzando für Streichorch. (1903), Saturnalia (Scherzo für Orch., 1904), Symphonische Dichtung Endre es Johanna (1905), Das Erbe von Pereszlény (musikalisches Lustspiel in 3 Akten, Budapest 1906); Operetten: Tatárjárás (Herbstmanöver, Budapest 1908), Az Obsitos (Der Urlauber, Budapest 1910), Der gute Kamerad (Neugestaltung von Az Obsitos, Wien 1911), Der Zigeunerprimas (Wien 1912), Der kleine König (Wien 1912), The Blue House (London 1912), Gold gab ich für Eisen (Wien 1914, Neufassung von Der gute Kamerad), Zsuzsi Kisasszony (Fräulein Susi, Budapest 1915), Die Csárdásfürstin (Wien 1915), Die Faschingsfee (Wien 1917), Das Hollandweibchen (Wien 1920), Die Bajadere (Wien 1921), Gräfin Mariza (Wien 1924), Die Zirkusprinzessin (Wien 1926), Golden Dawn (mit Herbert Stothart, Wilmington 1927), Die Herzogin von Chicago (Wien 1928), Das Veilchen vom Montmartre (Wien 1930), Ronny („Tonfilmoperette“ Berlin 1931), Der Teufelsreiter (Wien 1932), Kaiserin Josephine (Zürich 1936), Marinka (New York 1945), Arizona Lady (Bern 1954).
Literatur
R. Oesterreicher, E. K. 1954, MGG 7 (1958); V. Kálmán, Grüß’ mir die süßen, die reizenden Frauen: mein Leben mit E. K. 1966; NGroveD 9 (1980); V. Klotz in Österr. Musiker im Exil 1990; Klotz 1991; Czeike 3 (1994).


Sein Sohn Charles Emmerich: * 17.11.1929 Wien, † 22.2.2015 München/D. Komponist. Kindheit in Wien, emigrierte mit seinen Eltern und kam mit ihnen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Europa zurück. Ausbildung in New York (Columbia University) und am Conservatoire in Paris (Klavier bei Tsuya Matsuki und Richard MacClanahan, Harmonielehre bei Ple Poussade, Instrumentation bei André Renault und Jean Rivier). Nach Anfängen im Bereich der Kunstmusik (durch den Kontakt mit Darius Milhaud Komposition der schon von Eric Satie geplanten opéra-comique Paul et Virginie nach Jean Cocteau) verlegte er den Schwerpunkt der kompositorischen Tätigkeit auf populäre Genres (Musical, Film, Chanson). Lebte mit seiner Frau Ruth in München, trat auch als Pianist „gehobener Unterhaltungsmusik“ auf. Im Juni 2002 Arbeit an The Widow Paris (Musical-Drama) über das Leben von Marie Laveau („Voodoo-Queen“ von New Orleans im 19. Jh.).


Werke
Musicals u. ä.: Wait for it (Show, 1950), Babe in the Woods (1951), Frau Warrens Gewerbe (nach George Bernard Shaw), Quasimodo (nach Victor Hugo), Der blaue Engel (nach Heinrich Mann), Paul et Virginie (nach Jean Cocteau); Der große Tenor („Possen-Operette“, 1955, auch unter dem Titel Wir reisen um die Welt erschienen, T: Schwester Lili K.), Rendezvous mit dem Leben (Operette, 1969), Hot Shoes (Ballett); Konzertante Werke: drei Klavierkonzerte, Suite Globe Trotter, Times Square Phantasy, New York Impressions; Filmmusik: Fabian (nach Erich Kästner), Rosenemil (Georg Herrmann), Nach Mitternacht (Irmgard Keun), Tödliche Liebe (Celia Fremlin); Lieder: Zyklus Viva! (Else Lasker-Schüler), zahlreiche Chansons (u. a. für Ute Lemper, E. Künnecke, Margot Werner, Harald Juhnke, Heino Ferch).
Literatur
MGG 7 (1958) [E. K.]; NGroveD 9 (1980) [E. K.]; www.mkv-ev.de/ckalman.htm (10/2002).

Autor*innen
Christian Glanz
Letzte inhaltliche Änderung
21.4.2023
Empfohlene Zitierweise
Christian Glanz, Art. „Kálmán, Familie“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 21.4.2023, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001fc36
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Emmerich Kálmán, um
				1912© ANNO/ÖNB
Denkmal von Emmerich Kálmán im Kurpark von Bad
				Ischl© Christian Fastl
© Christian Fastl

DOI
10.1553/0x0001fc36
GND
Kálmán, Emmerich: 118559605
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Kálmán, Charles Emmerich: 103908439
OBV
Weiterführende Literatur

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