Hirtenruf
Signalruf der Hirten (österreichisch: „Halter“) beim Viehhüten, also Freiluftgesang in ähnlicher Funktion wie Almruf. Die brauchtümliche Funktion der Hirten ist bereits aus der Zeit der Glaubenskriege bezeugt, als etwa die Verwendung altertümlicher Segenssprüche bei der Überreichung der Martinigerte (11. November) mehrfach zur Anzeige gebracht wurde. 1710 wissen wir von einem Viehhalter in Obergrafendorf/NÖ, der „über den Pfarrer schimpft und unter einem gotteslästerlichen Segen das Vieh austreibt“. Mit dem Wandel der Agrarstruktur im 19. Jh. verschwand an vielen Orten der bis dahin sehr wichtige und angesehene Beruf des Hirten und die Funktion des Viehhütens wurde fortan vielfach nur den Kindern übertragen. In Österreich wurden vorwiegend H.e aus Kindermund aufgezeichnet; teilweise kann es sich dabei um die Übernahme von Rufen der Berufshirten handeln, teilweise um eigenschöpferische Improvisation. Musikalisch zeigen die Rufe sog. „Rufmelodik“ im „Kinderliedterno“ (Rufterz mit oberer Nebennote), aber auch reichere Brechungsmelodik. Inhaltlich sind es Rufe zum Austreiben, zum Eintreiben, sowie gegenseitige Neck-, Verständigungs- und Unterhaltungsrufe der Halter (wenn z. B. einer das Vieh auf des anderen Weide grasen lässt). Aus dem Hausruckviertel/OÖ ist ein „Haltersegen“ bekannt geworden, bei dem ein geistliches Lied, ruf- bzw. rezitativartig eingekleidet, zu Neujahr von einem Mann (geb. 1887) vor den Häusern um Geld und Essen gesungen wurde. Damit ist auch für Österreich das einst sicher auch rufmäßig (Rufe) reich gestaltete Brauchleben der Hirten bezeugt.
Literatur
E. Grabner, Martinisegen und Martinigerte in Österreich 1968; Ch. Kaden, Hirtensignale – Musikalische Syntax und kommunikative Praxis 1977; D. Maringer in JbÖVw 15 (1966); O. Moro in Das dt. Volkslied 29 (1927); A. Scheuhuber in Das dt. Volkslied 30 (1928); L. Schmidt in [Fs.] B. Schiers 1967; L. Schmidt in L. Schmidt, Volksgesang und Volkslied 1970, 388–444; V. Zack in Das dt. Volkslied 25/1 (1923); weitere Beiträge in der Zs. Das dt. Volkslied.
E. Grabner, Martinisegen und Martinigerte in Österreich 1968; Ch. Kaden, Hirtensignale – Musikalische Syntax und kommunikative Praxis 1977; D. Maringer in JbÖVw 15 (1966); O. Moro in Das dt. Volkslied 29 (1927); A. Scheuhuber in Das dt. Volkslied 30 (1928); L. Schmidt in [Fs.] B. Schiers 1967; L. Schmidt in L. Schmidt, Volksgesang und Volkslied 1970, 388–444; V. Zack in Das dt. Volkslied 25/1 (1923); weitere Beiträge in der Zs. Das dt. Volkslied.
Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
22.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid,
Art. „Hirtenruf“,
in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
22.3.2022, abgerufen am ),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d188
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