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Heimatlied
Lied aus dem Bereich des volkstümlichen Laiengesangs, in dem die Schönheiten der Heimat besungen werden. H.er sind verhältnismäßig junge Schöpfungen. Erst mit dem Umbruch der altständischen Lebens- und Gesellschaftsordnung seit der französischen Revolution ist die Heimat als Eigenwert ins Bewusstsein gerückt; im Umfeld von Heimatdichtung und bürgerlicher Volksliedbegeisterung entsteht das H. als Kompensation des realen Heimatverlustes im Zuge fortschreitender Industrialisierung und Verstädterung sowie wirtschaftsbedingter Migrationsbewegungen. Inhaltlich geht es in den H.ern um das Heimatlob; es handelt sich weitgehend um eskapistische Dichtung. In Hinblick auf ihre musikalisch-poetische Gestalt sind H.er meist „volkstümlich“ in dem Sinn, dass sie weder aus ungebrochenem volkspoetischem Instinkt geschaffen werden, noch Meisterwerke der Hochkunst darstellen, sondern gerne austauschbare volksmusikalische Einzelzüge übernehmen, die für vordergründige, gefühlsbetonte Wirkungen eingesetzt werden. Viele Volksliedsammler, die sich am sog. „echten“ Volkslied im Sinn von J. Pommer orientierten, haben daher gar keine H.er in ihre Quellenausgaben aufgenommen, wiewohl sie im lebendigen Volksgesang eine große Rolle spielten. Die Bezeichnung Tirolerlied steht heute meist für tirolbezogene H.er, während etwa die Termini Wienerlied, Steirerlied oder Kärntnerlied zwar viele H.er einschließen, darüber hinaus aber für verschiedenste Textgattungen verwendet werden. Die meisten Landeshymnen (Hymnen) und auch die österreichische Bundeshymne sind eig. H.er. Während ein gewisser Regionalstolz auch schon in älterem Liedgut, insbesondere in Gstanzln seinen Ausdruck findet (z. B. Aussee is a lustigs Tal, dås såg i ållemål), tritt das sentimentale H. in Österreich erst in den 1830er Jahren in Erscheinung. Viele H.er – oft mit Jodlern – sind von reisenden Nationalsängern (Alpensängern) gesungen bzw. geschaffen worden. Darunter sind auch Kontrafakturen (Parodie), wie z. B. Zillertål, du bist mei Freid, das auf ein Marienlied (O Maria, bist mei Freid) zurückgeht. Zu den älteren gehört das sog. Erzherzog Johann-Lied: Wo i geh und steh tuat mirs Herz so weh (heute besser bekannt als Erzherzog Johann-Jodler). Es wird dem oberösterreichischen Mundartdichter Anton Schosser zugeschrieben, der es 1849 veröffentlicht hat, ist aber schon vor 1836 im Volksgesang bekannt gewesen. Viele H.er stammen aus der Bildungsschicht und wurden durch Schulliederbücher und Chöre verbreitet; sie sind oft hochdeutsch, wodurch dann die Erhabenheit ihres Gegenstandes unterstrichen wird (z. B. Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust). Zu den ältesten H.ern dieser Art gehört die Kärntner Landeshymne Dort wo Tirol an Salzburg grenzt. Das in allen Strophen durchgehaltene „Dort-wo-Modell“ ist in H.ern hundertfach nachgeahmt worden. Die H.sänger bzw. -schöpfer des 20. Jh.s setzen einerseits die Traditionen des 19. Jh.s fort, finden aber andererseits ein neues Betätigungsfeld im Tourismus (Heimatabend), wo einem unterhaltungswilligen, unkritischen Publikum die inzwischen allenthalben bekannten Klischees vorgesetzt werden (z. B. das sog. Kufsteinlied von K. Ganzer: Kennst Du die Perle, die Perle Tirols). Kritische und zynische H.er kommen aus der Liedermacherszene (z. B. R. Neuwirth: Jeder Ratz liebt sein Kanäu u. a.).
Literatur
F. Eibner, Liturgie und Volksmusik (Ms.); H. Goertz/G. Haid, Die schönsten Lieder Österreichs 1979; I. M. Greverus in Hb. des Volksliedes 1 (1973, Heimat- und Heimwehlied); G. Haid in Der Vierzeiler 11/1 (1991); A. Mauerhofer in W. Suppan (Hg.), Vorträge Graz und Seggau 1973–1977, 1977; R. J. L. Neuwirth, Das Wienerlied 1999; A. Quellmalz, Südtiroler Volkslieder 2 (1972); L. Schmidt in ÖMZ 31 (1976).

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Heimatlied“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d0ee
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