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Harnoncourt, Harnoncourt, Nikolaus: Familie
Nikolaus: * 1929-12-066.12.1929 Berlin, † 2016-03-055.3.2016 St. Georgen im Attergau/OÖ. Cellist, Gründer und Leiter des Concentus musicus Wien, Dirigent. Sein Vater Eberhard H., Dr. jur. et Dipl.-Ing., war auch als Komponist tätig. Verbrachte Kindheit und Jugend in Graz; erster Cellounterreicht in der Volksschule bei H. Kortschak. Ende 1944 Übersiedlung nach Grundlsee/St im Salzkammergut. 1945–48 Cello bei P. Grümmer. Nach Kriegsende Rückkehr nach Graz und Wiederaufnahme des Unterrichts bei H. Kortschak. Ende 1948 Umzug nach Wien. 1948–52 Cellostudium bei E. Brabec an der damaligen MAkad. in Wien. Durch die Bekanntschaft mit E. Melkus und den Unterricht bei J. Mertin am Collegium Musicum begann H. sich vermehrt der Alten Musik zu widmen. 1952–69 Cellist bei den Wiener Symphonikern, 1953 Gründung des Concentus musicus Wien gemeinsam mit seiner Frau Alice H. Internationaler Durchbruch mit diesem Ensemble in den 1960er Jahren. 1971 erster Auftritt als Dirigent am Theater an der Wien. 1973–93 Lehrtätigkeit am Salzburger Mozarteum im Fach Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde. In den 1980/90er Jahren als Dirigent Konzerttätigkeit mit Orchestern wie Berliner Philharmoniker, Chamber Orchestra of Europe, Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, Wiener Symphoniker, Wiener Philharmoniker. Debüts an allen großen Opernhäusern (Frankfurt am Main/D, Zürich/CH, Wien, Amsterdam) sowie bei Musikfestivals (Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen). 1985–2015 prägt er das steirische Festival styriarte in Graz. Im Dezember 2015 gab H. gesundheitsbedingt seinen Rückzug als Dirigent bekannt.

In den 1960/70er Jahren wurde H. zu einem der bedeutendsten Wegbereiter der Alten Musik-Bewegung, indem er den Zugang zur Musik der Vergangenheit durch die Beschäftigung mit den Quellen und dem ursprünglichen musikalischen Gehalt sowie durch den konsequenten Einsatz historischer Instrumente revolutionierte. Seine auf Tonträgern dokumentierten Interpretationen (insbesondere die Aufführung der Monteverdi-Opern in Zürich in Zusammenarbeit mit J. P. Ponnelle und die Gesamtaufnahme der Bach-Kantaten gemeinsam mit Gustav Leonhardt) gelten als bahnbrechende Einschnitte innerhalb der Geschichte der musikalischen Interpretation. In den 1980/90er Jahren dehnte er sein Repertoire als Dirigent kontinuierlich in Richtung 19. und 20. Jh. aus, neben der Beschäftigung mit Oper und Oratorium erfolgte auch die Auseinandersetzung mit der Operette. Zu Beginn des 21. Jh.s gilt er als einer der bedeutendsten Dirigenten der Zeit, der nicht nur die Einstellung zur Wiedergabe der Musik der Vergangenheit verändert hat, sondern das gesamte Musikleben als Dirigent, Musikforscher und -philosoph nachhaltig beeinflusst. H.s Plädoyer für die Notwendigkeit der Kunst im Leben bildet dabei die Basis seiner künstlerisch-philosophischen Auffassung.


Ehrungen
u. a. Erasmus-Preis 1980; Joseph-Marx-Musikpreis des Landes Steiermark 1982; Goldene Ehrennadel der Deutschen Schallplattenkritik 1985; Polar Music Price 1994; Ehrenmitglied der MHsch. Graz 1995; Ehrendoktorate der Univ. Edinburgh u. der Univ. Mozarteum Salzburg; Anton-Bruckner-Ring der Wiener Symphoniker 1999; Grammy Award (Februar 2002) für seine Einspielung der Matthäus-Passion (2001); Ernst von Siemens Musikpreis 2002; Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 2008; Ehrenbürger der Markgemeinde St. Georgen im Attergau 2009; Echo Klassik 2010; Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien 2011; Romano-Guardini-Preis der Katholischen Akademie in Bayern 2012; Ehrenmitglied der MUniv. Wien.
Werke
Aufnahmen mit Concentus musicus Wien seit den 1960er Jahren s. Art.; weiters J. S. Bach, Matthäus-Passion (Concentus musicus Wien 2001); L. v. Beethoven, Symphonien 1–9 (Chamber Orchestra of Europe = COE und Arnold Schoenberg Chor 1990/91); J. Brahms, Symphonien 1–4 (Berliner Philharmoniker 1996); A. Bruckner, Symphonie Nr. 8 (Berliner Philharmoniker 2000); W. A. Mozart, Idomeneo (Mozart-Orchester und Chor des Opernhauses Zürich 1980); Fr. Schmidt, Das Buch mit sieben Siegeln (Wiener Philharmoniker 2000); Fr. Schubert, Symphonien (Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam = RCO 1992); R. Schumann, Symphonien Nr. 1–4 (COE 1993–95); J. Strauss Sohn, Die Fledermaus (RCO und De Nederlandse Opera Chorus 1987); Neujahrskonzert (Wiener Philharmoniker 2001); Giuseppe Verdi, Aida (Wiener Philharmoniker 2001). – Diskographie in M. Mertl/A. u. N. Harnoncourt, Vom Denken des Herzens.
Schriften
Musik als Klangrede 1982; Der musikalische Dialog 1984; Die Macht der Musik 1993; Was ist Wahrheit? 1995. – Zahlreiche Aufsätze: Tanzsätze – die Suiten Bachs in M. Brzoska/M. Heinemann (Hg.), Die Musik von den Anfängen bis zum Barock 2001; Wissen – Intuition – Mode. Faktoren der Interpretation in O. Biba/D. Wyn Jones (Hg.), [Fs.] H. C. Robbins Landon 1996.
Literatur
M. Mertl, Vom Denken des Herzens 1999; M. Elste, Meilensteine der Bach-Interpretation 1750–2000, 2000; Stagione 5 (Mai/Juni/Juli 2016); www.kug.ac.at (6/2015); http://derstandard.at (12/2015).


Seine Frau

Alice (geb. Hoffelner): * 26.9.1930 Wien, † 20.7.2022 Wien (begr. St. Georgen im Attergau). Geigerin. Studierte bei Ernst Moravec und G. Feist an der Wiener MAkad. (Violindiplom 1951) sowie bei Jaques Thibaud in Paris und Tibor Varga in London. Während des Studiums lernte sie ihren späteren Mann (Heirat Juni 1953) kennen, entdeckte ebenfalls durch J. Mertin ihre Vorliebe für Alte Musik und gründete mit N. H. 1949 das Wiener Gamben-Quartett. Mitbegründerin, langjährige Managerin und bis 1985 Konzertmeisterin des Concentus musicus Wien, danach spielte sie bis 2015 am zweiten Pult. Darüber hinaus richtete sie das Stimmenmaterial ein. Außerdem spielte sie in G. Leonhardts Leonhardt Baroque Ensemble und dem Leonhardt-Consort und nahm mehrere Schallplatten als Solistin (u. a. A. Vivaldis Vier Jahreszeiten 1984) und in verschiedenen Ensembles auf. A. H. war auch die Managerin ihres Mannes, kümmerte sich nach dessen Tod um seinen Nachlass und gab mehrere Bücher über seine Arbeit heraus.


Ehrungen
Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien; Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark.
Schriften
(Hg.) N. H., Wir sind eine Entdeckergemeinschaft 2017; N. H., Meine Familie 2018; N. H., Über Musik 2020.
Werke
Schallplattenaufnahmen.
Literatur
http://de.wikipedia.org (7/2022); https://www.faz.net (7/2022).


Deren Kinder

Elisabeth von Magnus: * 29.5.1954 Wien. Sängerin (Mezzosopran). Zunächst Blockflötenstudium an der Wiener MHsch. und nach dessen Abschluss Gründung des Ensembles Récréation. Außerdem spielte sie Blockflöte im Concentus Musicus Wien und wirkte auch bei den Platteneinspielungen von J. S. Bachs Brandenburgischen Konzerten (1981–84) mit. Schauspielausbildung am Mozarteum in Salzburg sowie anschließend Gesangsstudium an der MHsch. in München bei H. Töpper. Daneben Unterricht in Liedinterpretation bei P. Schilhawsky in Salzburg sowie Mitarbeit beim ORF als Tagessprecherin und Moderatorin. Als Konzert- und Opernsängerin Auftritte an zahlreichen renommierten Opern- und Konzerthäusern in Europa, den USA und Japan. Zusammenarbeit mit mehreren Kammermusikensembles. Daneben auch als Schauspielerin und Vortragende bei Lesungen tätig. Ab März 2012 acht Jahre lang Vizerektorin der MUniv. Graz. E. v. M. H. ist seit August 1999 in zweiter Ehe mit dem holländischen Dirigenten Simon Schouten verheiratet.


Werke
Zahlreiche Schallplattenaufnahmen.
Literatur
K-R 1997, 2000 u. 2002 [E. v. M.]; Mitt. Eilisabeth Weigand, Management; www.elisabethvonmagnus.com (7/2022).


Philipp: * 20.9.1955 Wien. Regisseur und Dramatiker. Kam früh mit dem Theater in Kontakt und war anfangs v. a. als Licht- und Bühnentechniker tätig. 1993–2003 technischer Leiter des ImPulsTanz-Festivals Wien, 2000/01 Theaterleiter des Wiener Schauspielhauses. In dieser Saison inszenierte er seine erste Opernproduktion, Piramo e Tisbe von J. A. Hasse. Seither vermehrte Regiearbeit im Bereich des Musiktheaters im In- und Ausland, u. a. an der Wiener Kammeroper, am Tiroler Landestheater, im Theater an der Wien, im Wiener Odeon sowie bei der styriarte und in Kiew. Sein Bruder Eberhard (1957–90) arbeitete ebenfalls als Regisseur.


Schriften
Theaterstücke, Übersetzungen von Libretti.


Nicolaus' Bruder

Philipp: * 9.2.1931 Berlin, † 25.5.2020 Grundlsee. Geistlicher, Liturgiker und Hymnologe. Die österr. Eltern übersiedelten kurz nach seiner Geburt zurück nach Graz. Neben der Schulausbildung studierte Ph. H. am Landeskonservatorium Graz (Klavier und Violine), 1949–52 Theologie in Graz und 1952/53 in München; Priesterweihe 1954 und Dr. theol. 1963 in Graz. 1954-59 war H. Kaplan in Arnfels/St und Hartberg/St, 1959–63 bischöflicher Sekretär. 1963–72 Vorstand der neu gegründeten Abteilung für Kirchenmusik der MAkad. Graz, 1967 Prof. daselbst (inzwischen MHsch.) für Theorie und Praxis der Liturgie sowie Deutscher Kirchengesang. 1972–99 o. Prof. an der Karl-Franzens-Univ. Graz und Aufbau des Instituts für Liturgiewissenschaft, christliche Kunst und Hymnologie (Habilitationsstudium in München); 1999 Emeritierung. H. war jahrzehntelang in der Liturgischen Kommission Österreichs (1964–2001), der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Hymnologie (ab 1967) und u. a. in der ökumenischen Stiftung Pro Oriente führend tätig.


Ehrungen
Österr. Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Kl. 1987; Großes Goldenes Ehrenzeichen mit dem Stern des Landes Steiermark; Ehrenmitglied der Internationalen Arbeitsgemeinschaft f. Hymnologie 2001; Ehrenmitglied der Stiftung Pro Oriente 2009; Dr. h.c. der Univ. Sibiu/RO 1997; Päpstlicher Ehrenprälat.
Schriften
u. a. zahlreiche Schriften zur Kirchenmusik, insbesondere Hymnologie [Schr.verz. in Fs.].
Literatur
E. Renhart/A. Schnider (Hg.), [Fs.] Ph. H. 1991; SK 67 (2020), 244ff; http://de.wikipedia.org (11/2011); https://religion.orf.at (5/2020); Mitt. F. K. Prassl (5/2020).


Sein Halbbruder

Renatus (René): * 3.10.1924 Hajan bei Brünn (Hajany/CZ), † 2.12.2002 Graz? (begr. Graz). Pianist. Studierte am Grazer Konservatorium, Studienabschluss am Salzburger Mozarteum 1948 (Kapellmeisterprüfung) und 1949 (Staatsprüfung aus Musikerziehung); 1950–54 Lehrer und MSch.leiter (ab 1952) in Liezen/St; 1957–89 Korrepetitor und Lehrer (1988 ao. Prof.) am Landeskonservatorium (bzw. den Nachfolgeinstitutionen) in Graz.


Ehrungen
Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark 1988.
Literatur
Mitt. MUniv. Graz; http://www.liezen.at (11/2011).

Autor*innen
Georg Demcisin
Christian Fastl
Ingeborg Harer
Monika Kornberger
Letzte inhaltliche Änderung
21.7.2022
Empfohlene Zitierweise
Georg Demcisin/Christian Fastl/Ingeborg Harer/Monika Kornberger, Art. „Harnoncourt, Familie“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 21.7.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d087
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN

DOI
10.1553/0x0001d087
GND
Harnoncourt, Nikolaus: 12162692X
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Eberhard: 142829404
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Alice: 122142489
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Elisabeth von Magnus: 129606693
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Philipp: 118989588
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Philipp: 14020704X
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Harnoncourt, Renatus: 1042311692
OBV
Weiterführende Literatur

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