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Film, Filmmusik
Darstellungsmedium mithilfe projizierter bewegter Bilder; Musik dazu, speziell zum eigentlichen Tonfilm. Die musikalische Gestaltung von Dokumentarfilmen wird als eigener Bereich angesehen und im Folgenden ausgeblendet.

Nachdem zunächst durchreisende Schausteller bewegte Bilder vorgeführt hatten, entstand 1908 der erste österreichische Spielfilm (Von Stufe zu Stufe, Regie: Heinz Hanus) und die wachsende Stummfilm-Produktion brachte bemerkenswerter Weise auch erste Komponistenfilme hervor (zwei Beethoven-Filme: 1918 Der Märtyrer seines Herzens und 1927 Beethoven, jeweils mit Fritz Kortner in der Titelrolle, und 1921 Mozarts Leben, Lieben und Leiden, Regie: Otto Kreisler oder Karl Toma).

Der erste abendfüllende amerikanische Tonfilm war in Österreich im Jänner 1929 zu sehen und schon im selben Jahr entwickelten einheimische Techniker eine Alternative zum hier verwendeten Verfahren des Nadeltons, das erste österreichische Lichttonsystem Selenophon. Als Folge dieser Entwicklung mussten in Österreich 833 Kinos umgebaut werden, davon allein 177 in Wien. Das neue Medium wurde sofort in die Bildungsarbeit aller politischen Gruppierungen einbezogen und ein nationalistisch gefärbter Tonfilm gefordert. Institutionen zur Anregung der Filmproduktion entstanden (1933 das Universelle Lehrinstitut für Tonfilmkunst, ein Tonfilmseminar am Wiener Fischhof, das weltweit einzigartige Institut für technische und wissenschaftliche Kinematographie an der Technischen Hsch. in Wien, aufgelöst 1946, das Archiv für Filmkunde in der Theatersammlung der ÖNB, deren Leiter J. Gregor 1932 Das Zeitalter des Films beschrieb).

Die Wende zum Tonfilm war aber nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern bedeutete auch einen Umbruch in der Ästhetik des soeben zur Kunst gewordenen Mediums: Im September 1930 gab es gemeinsame Überlegungen von Staatsoper und Finanzministerium, regelmäßig Aufzeichnungen von Tonfilmopern durchzuführen, und in den kommenden Jahren waren Oper und Operette der hauptsächliche Inhalt von Filmen sowie Kunstmusik Ausgangspunkt und Gestaltungselement der verwendeten Musik. Bis in die 1950er Jahre waren in Europa wie in Hollywood Vokabular und Möglichkeiten der symphonischen, auf der Tradition europäischer Kunstmusik des 19. Jh.s beruhenden Musik fest als Ausdrucksmittel von Filmmusik etabliert. Operetten und Film-Schlager (Schlager) beruhten ebenfalls auf diesem Idiom. Eine österreichische Spezialität, die bis 1938 von Willi Forst (Schubertfilm Leise flehen meine Lieder 1933, Maskerade 1934, Burgtheater 1936) in Wien und von P. Hörbiger in Berlin (der damals wichtigsten Filmstadt Europas) gleichermaßen erfolgreich betrieben wurde, war der Wiener Film, der das Klischee des Wienerischen durch Handlungen mit typischer Musik und volkstümlichen Elementen perpetuierte und verbreitete, wobei als Lokalkolorit besonders das Wienerlied in traditioneller (Schrammel)-Besetzung einbezogen wurde (Identität).

Zwar gab es einige Ansätze von Avantgarde-Film, aber die beliebteste neue Gattung dieser Zeit war der Sängerfilm, der im rudimentären Rahmen einer schematischen Handlung v. a. die schöne Stimme beliebter Opern- oder Operettenstars produzierte. Obwohl der Hauptanteil solcher Filme in Deutschland entstand, wurden auch für einige österreichische Filme Stars dieses Genres verpflichtet, etwa L. Slezak: in Filmen wie Großfürstin Alexandra (Regie: Wilhelm Thiele 1933, M: F. Lehár, Hauptdarstellerin M. Jeritza), Die ganze Welt dreht sich um Liebe (Regie: Viktor Tourjanski 1935, M: F. Lehár und W. Schmidt-Gentner, Hauptdarstellerin M. Eggerth), Rendez-vous in Wien (Regie: Viktor Janson 1936, M: W. Schmidt-Gentner) – oder M. Eggerth im Schubertfilm Leise flehen meine Lieder (Regie: W. Forst 1933, Hauptdarsteller J. Kiepura) oder der Adaption der Puccini-Oper Zauber der Bohème (Regie: Géza v. Bolváry 1937, M: G. Puccini und R. Stolz).

Die schon ab 1933 quasi gleich geschaltete Filmproduktion Österreichs (nur die Vermeidung von jüdischen und politisch unliebsamen Mitwirkenden ermöglichte einen Export der Filme auf den viel größeren Markt des Deutschen Reiches und der Reichsbeauftragte für die deutsche Filmwirtschaft, Max Winkler, hatte schon ab 1937 durch Ankauf privater Filmfirmen einen vorbereitenden Beitrag für den tatsächlichen politischen Anschluss geleistet) wurde von den Nationalsozialisten in der 1939 gegründeten Wien-Film (Firmenlogo: ein Violinschlüssel) mit beträchtlichem Aufwand unter weitgehender Übernahme des Wiener Films als Erfolgsrezept weitergeführt: Gleich der erste Film war dem Leben und Schaffen von J. Strauss Sohn gewidmet (Unsterblicher Walzer, Regie: E. W. Emo 1939) und auch in der Folge speiste sich die Produktion der Wien-Film in der Hauptsache aus „300 Jahren Wiener Kulturgeschichte“ (u. a. Operette, Regie: W. Forst 1940, M: W. Schmidt-Gentner; Wen die Götter lieben, Regie: Karl Hartl 1942, M: A. Melichar; Schrammeln, Regie: Géza v. Bolváry 1944, M: W. Schmidt-Gentner).

Der frühe Tonfilm war auch ein großes Hoffnungsgebiet zeitgenössischen Komponierens gewesen (Béla Balázs sollte 1949 in seinem in Österreich verfassten Standardwerk zur Filmtheorie eigens komponierte Film-Opern vorschlagen), namhafte Komponisten aus dem Bereich der Kunstmusik begannen, Werke für das Medium vorzusehen, so auch A. Schönberg (Begleitmusik zu einer Lichtspielszene 1930) und H. Eisler (u. a. Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? 1932, 14 Arten den Regen zu beschreiben 1941). Die anfängliche Begeisterung war aber rasch gewichen und bereits 1940 kritisierte A. Schönberg, dass die Filmindustrie ihre Möglichkeiten künstlerischer Produktion nicht genutzt habe.

Für die Wirkung österreichischer Musik im Film ist auch wichtig zu bedenken, dass nicht nur der deutsche Sprachraum Schauplatz der Entwicklung war, sondern auch im „Mutterland“ der Filmindustrie, in den USA, seit den 1920er Jahren eine Reihe von Leuten arbeiteten, die in der Monarchie geboren worden und v. a. als Emigranten (Exil) vor Austro-Faschismus (Faschismus) bzw. Nationalsozialismus ins Land gekommen waren. Als Komponisten sind hier besonders M. Steiner (King Kong, Regie: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack 1933, Gone with the wind, Regie: Victor Fleming 1939, beteiligt an Casablanca, Regie: Michael Curtiz 1942), E. W. Korngold (Anthony Adverse, Regie: Mervin LeRoy 1936, The Adventures of Robin Hood, Regie: Michael Curtiz 1938) und E. Gold (Exodus, Regie: O. Preminger 1960, dafür Oscar) zu erwähnen.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches verlor die einheimische Filmindustrie aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen (Amerikanisierung) an Bedeutung. In den 1950er Jahren wurde Filmpolitik in Österreich nicht mehr so intensiv betrieben, das Fernsehen (Rundfunk und Fernsehen) übernahm die Rolle eines Propaganda-Instruments. Die Filmindustrie litt aber nicht nur durch äußere Umstände, sondern hatte auch qualitative Probleme. Während in Italien bzw. Frankreich mit neoverismo und nouvelle vague neue ästhetische Ansätze der geänderten politischen Situation und einer Abrechnung mit dem Faschismus und seinen Ausdrucksformen entsprachen, blieb im deutschen Sprachraum die inhaltliche Ausrichtung und die ästhetische Qualität der Filmproduktion traditionellen Werten verhaftet und kam so dem Bedürfnis nach Vergessen und Nostalgie entgegen. Es änderte sich wenig an Inhalt und Gestaltung der Filme. Genres, Dramaturgie, Bildsprache, Darsteller und technische Stäbe wurden beibehalten, ja sogar vor 1945 begonnene Filme fertig gestellt und als genuin österreichisch in den Kinos propagiert, d. h. die Produktionsphilosophie der Wien-Film als geschätzte heimische Tradition möglichst bruchlos fortgesetzt.

Einige Filme versuchten, ein neues Österreichbild zu vermitteln, so der durch seine Hauptmelodie und deren Zitherklang von A. Karas berühmte The Third Man (Regie: Carol Reed 1949) oder die große Saga einer Klavierbauer-Familie (Der Engel mit der Posaune, Regie: Karl Hartl 1948). Nicht nur der Regisseur, sondern auch der Komponist dieser Filmmusik ist eines der zahlreichen Beispiele für Kontinuität: W. Schmidt-Gentner hatte seit den 1920er Jahren bei Filmen mitgewirkt, von denen einige v. a. das Klischee der Musikstadt Wien transportieren, und war bis Mitte der 1950er Jahre tätig. Ein besonderer Fall von Österreich-Propaganda ist der 1950 mit deklarierter Unterstützung der Regierung gedrehte Science-fiction Film 1. April 2000 (Regie: Wolfgang Liebeneiner, M: A. Melichar), in dem der Anspruch auf staatliche Selbständigkeit mit dem Hinweis auf die bedeutende kulturelle, d. h. v. a. musikalische Tradition des Landes begründet und mittels Musik schließlich auch durchgesetzt wird. Zwar gab und gibt es in Österreich auch Experimentalfilme, aber dieser entfaltet ähnlich der zeitgenössischen Avantgarde-Musik nur unter Kennern und Fachleuten einige Wirkung – so die auf formalen Strukturen basierenden Filme von Herbert Vesely (Nicht mehr fliehen 1955, M: G. Rühm) oder Ferry Radax (Sonne halt! 1959–62) und v. a. die sog. strukturellen, auf der im Reihenprinzip geordneten Abfolge filmischer Parameter (hell/dunkel, Geräusch/Stille, Bewegung/Stocken) beruhenden Filme von Peter Kubelka (Adebar 1957, Schwechater 1958, Arnulf Rainer 1960) sowie die Arbeiten von P. Weibel und Valie Export (dem auch verfilmten Tapp- und Tastkino 1968 folgen diverse, zunächst expanded movie genannte Installationen, aber auch Spielfilme: Unsichtbare Gegner 1976, Menschenfrauen 1979, Die Praxis der Liebe 1984).

Insgesamt behielten zunächst Künstlerfilm bzw. verfilmte Literatur ihren großen Stellenwert (1947 entstanden zuerst der Schubertfilm Seine einzige Liebe, Regie: Emmerich Hanus, dann ein Film über J. Haydn mit den Sängerknaben Singende Engel, Regie: Gustav Ucicky und 1949 der nach den zwei genannten Stummfilmen dritte österreichische Beethoven-Film Eroica, Regie: W. Kolm-Veltée). Die Filmmusik war dabei auch eine wichtige Einnahmequelle zeitgenössischer Komponisten: Verfilmte Novellen von Alexander Lernet-Holenia wurden von F. Salmhofer (Das andere Leben 1948, Regie: Rudolf Steinböck, ein sog. „Josefstadt-Film“) und Th. Berger (An klingenden Ufern 1948, Regie: Hans Unterkircher) vertont, J. Marx schrieb die Musik zu einer Verfilmung des Anton Wildgans-Epos Kirbisch (Cordula 1950, Regie: Gustav Ucicky, ein „Paula-Wessely“-Film). P. Kont schrieb insgesamt 20 Filmmusiken (u. a. die elektronische Musik zu dem Experimentalfilm nach Edgar Allan Poe Der Rabe 1951, Regie: Kurt Steinwendner), der als Vertreter der Zwölftontechnik nach 1945 bekannte H. Jelinek arbeitete als Hanns Elin seit 1937 als Pianist bzw. Arrangeur für den Film und komponierte ab 1948 auch Filmmusik.

Der Kontinuität der Themen entsprach in der Regel allerdings die traditionelle Tonsprache der populären, seit den 1930er Jahren bis in die 1960er Jahre durchgehend tätigen Komponisten: neben dem bei einigen österreichischen Filmen mit speziellem musikalischem Anspruch v. a. in Deutschland beschäftigten A. Melichar etwa A. Profes, der u. a. an vielen Filmen des Regisseurs E. Marischka beteiligt gewesen ist (außer der Trilogie Sissi 1955, Sissi – Die junge Kaiserin 1956, Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin 1957 noch Du bist die Welt für mich 1953, Der veruntreute Himmel 1958). Für den Übergang vom Film zum Massenmedium Fernsehen steht beispielsweise H. Neubrand, der zwischen den 1950er und den 1970er Jahren einige Filme vertonte (Wiener Luft, Regie: Ernst Hofbauer, W. Kolm-Veltée, Karl Leiter 1958; Romanze in Venedig, Regie: Eduard von Borsody 1962; Das Lustschloss im Spessart, Regie: Viktor Stuck 1978) und für ARD, ZDF und ORF Kennmelodien, sog. jingles schrieb.

Die gewohnte Einbeziehung zeitgenössischer Unterhaltungsmusik führte in den kommenden Jahrzehnten zur Aufnahme von Jazz-Idiom, elektronischen Klängen und Popmusik, andererseits wird der Videoclip zum wichtigen Vertriebsmedium dieser Branche. Anstelle des spezialisierten Filmmusikkomponisten tritt vielfach der (durch Videoclip, Bühnenshow, Website) an den Umgang mit Bildeffekten gewohnte Popularmusiker, der gelegentlich auch für Kino oder Fernsehen arbeitet (Tonträger mit soundtracks sind längst ein gutes Geschäft) – wie Walter Werzowa von der Popgruppe Edelweiss, der seit den späten 1980er Jahren Filmmusik für österreichische und US-amerikanische Produktionen verfasst, oder G. Schuller. Die Verlagerung von der Filmproduktion zur Produktion sog. neuer Medien, die neben der technischen Entwicklung auch ästhetische Änderungen bewirkt (sowohl optisch als auch für den Musikeinsatz), ist typisch z. B. an der Person von T. Leber zu ersehen.

Es ist jedoch für die letzten Jahre nicht mehr möglich, eine irgendwie repräsentative Auswahl aus Österreich stammender oder in österreichischen Produktionen tätiger Komponisten von Filmmusik (besser: Musik für Bild-Ton-Medien) anzuführen. Im Sinn der erwähnten Tradition, durch österreichische Filme eine (spezifisch musikalische) österreichische Identität zu präsentieren, kann man nur noch darauf hinweisen, dass seit den 1980er Jahren parallel zu Entwicklungen in der Popularmusik (Austropop) Filme entstehen, die auf einheimische Kabarettisten als Darsteller bzw. Drehbuchautoren zugeschnitten sind und dabei immer wieder Musik besonders einsetzen: so die frühen Filme des Regisseurs Niki List, mit dem Kabarettisten Andreas Vitàsek in einer Hauptrolle (nach Malaria 1982 v. a. der als eine Art Musical zu bezeichnende, durchkomponierte Streifen Müllers Büro 1986, M: Ernie Seubert), die Filmauftritte von Josef Hader (nach dem vielbeachteten Indien, Regie: Paul Harather 1993, M: Ulrich Sinn, mit Alfred Dorfer in der zweiten Hauptrolle, zuletzt Komm süßer Tod, Regie: Wolfgang Murnberger 2000, M: sofa surfers) oder Roland Düringer (Muttertag, Regie: Harald Sicheritz 1993, mit Alfred Dorfer, L. und W. Resetarits, oder Hinterholz 8, Regie: H. Sicheritz 1998) u. v. a.


Literatur
W. Fritz, Kino in Österreich, 3 Bde. 1981–91; Th. W. Adorno/H. Eisler, Komposition für den Film 1949; B. Balázc, Der Film 1949; R. Beckerman/Ch. Blümlinger (Hg.), Ohne Untertitel. Fragmente einer Geschichte des österreichischen Kinos 1996; P. Weibel in R. Fleck (Hg.), Weltpunkt Wien 1985; E. Kieninger et al. (Hg.), 1. April 2000. Die Kino-Utopie der Zweiten Republik 2000; http://us.imdb.com (Internet Movie Database); www.filmarchiv.at; http://elefant.khm.de/people/staff/leber_e.htm; http://www.gfound.or.at/gf/sammlg/export.

Autor*innen
Cornelia Szabó-Knotik
Letzte inhaltliche Änderung
4.4.2023
Empfohlene Zitierweise
Cornelia Szabó-Knotik, Art. „Film, Filmmusik“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 4.4.2023, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020764
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Wiener Bilder, 15.1.1933, 11 („Der Erfinder des Tonfilms – ein Wiener“)© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x00020764
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