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Enns
Stadt in Oberösterreich, östlich von Linz am gleichnamigen Fluss an der Grenze zu Niederösterreich gelegen. Die Besiedlung hinterließ Spuren von der Jungsteinzeit an und ihre Kontinuität reicht zurück bis zu den Römern (Provinz Noricum). Archäologische Funde aus dieser Zeit, v. a. aus dem nahen Lauriacum/Lorch, in Form von Skulpturen, die Figuren mit Musikinstrumenten zeigen, weiters kleine Glöckchen und Jagdpfeifen sind nur schwache Zeugnisse dafür, dass auch damals Musik „überall wesentlicher Bestandteil des privaten und öffentlichen Lebens“ war. Fixpunkte für die Zeit des Frühchristentums bilden sodann die vita Floriani und Severini.

Mitte des 12. Jh.s kam E. aus dem Besitz des Bistums Passau an die Otakare, 1186/92 an die Babenberger und befand sich seither in landesfürstlichem Besitz. Die gelegentliche Anwesenheit von Herrschern, die Existenz von Kirchen und Klöstern sowie der Reichtum der Bürger lassen auf ein Musikleben schließen, von dem sich jedoch nur sporadische Hinweise erhalten haben.

Eine Vereinbarung zwischen Dechant von St. Laurenz (bis 1553 Pfarrkirche) und Stadt E. (1415) enthält umfangreiche kirchenmusikalische Verpflichtungen des Schulmeisters und Schulchores. Hinweise auf eine Orgel bzw. Organisten gibt es aus den Jahren 1472, 1496 und 1497. Eine „Dienstordnung“ aus der Zeit um 1500 für das Kirchweih- und Patroziniumsfest überliefert vielfältige Aufgaben des Schulmeisters, seines Chores und des Organisten für Orgelspiel, Choral- und Figuralgesang. Das „Jahrestagsregister“ (1526) der Kirche verzeichnet Gottesdienste unter Mitwirkung von Orgel und Chorgesang („mit der schuel vnd orgl“).

Die Pfarrschule (Schulmeister und Schülerchor) besorgte beim Gottesdienst die Musik; sie ist in E. für das 12. und 13. Jh. nicht auszuschließen. In Urkunden aus den Jahren 1366, 1368 und 1415 sind Schulmeister bezeugt, und ihre Namen werden in der Folgezeit in immer dichterer Abfolge genannt. 1540–60 nahm besonders das protestantische Schulwesen einen großen Aufschwung. Die Landschaftsschule, bei der Musik eine wichtige Rolle spielte und die anschließend nach Linz übersiedelte, war von 1566/67 bis 1574 in E. beheimatet. Die endgültige Zusammenlegung der kirchlichen Lateinschule und der städtischen deutschen Schule erfolgte um 1635.

Vielfältige profane und kirchliche musikalische Aufgaben waren den Thurnermeistern übertragen. Namen sind seit 1467 bekannt. Sie waren städtische Angestellte, hielten meist einige Gesellen und auch Lehrlinge. Die einst umfangreichen Verpflichtungen neben dem Wachdienst schrumpften auch in E. im Laufe des 19. Jh.s. Die überlieferten Namen sind: Kuentzn Pfeiffer (1473, der erste Stadtthurner mit vollem Namen), Simon Peuerl (1481), Peter Meister (1507), Jakob Kornberger (1568, der erste Thurner am neuerbauten Stadtturm), Hans Schmitt (1584), Hans Khöhel (1591), Matthias Herrthaller (1618; † 1647), Paul Flaschenträger (1647), Andreas Scheibmayr (1668; vorher Thurnergeselle in E.), Simon Fischer (1685, vorher „Musicus“ beim Propst zu Ardagger), Paul Karl Scheibmeyr (1696; † 1715), Jakob Selber († 1735), Johann Konrad Rader († 1739), Johann Georg Vonschanz (1747, 1762), J. Glöggl (1804, Übersiedlung nach Linz), Wenzl Johann Wimmer (1805, vorher Mitglied der Linzer Domkapelle; † 1806), Josef Fiby (1806–16, vorher Thurnergeselle in Steyr), F. Glöggl (1816/17, Sohn des Linzer Domkapellmeisters), Alois Schiffner (1817–44, aus Waidhofen an der Ybbs; * 1787, † 1852), Josef Voith (1844–49), Josef Hofbauer (1849–62; * 1817, † 1870) und Karl Limbrunner (1862–80; * 1822, † 1882; war ursprünglich Bäckermeister und letzter Thurnermeister von E.).

Der aus Mittenwald gebürtige Geigenbauer Johann Georg Karner (ca. 1760–1840) war seit 1799 in E. ansässig.

Das 19. Jh. mit seiner bürgerlichen Musikkultur ist vergleichsweise besser quellenmäßig erschlossen und abgesichert. L. v. Zenetti hat neben seinen beruflichen Funktionen als Regens chori und Organist an der Stadtpfarrkirche das Musikleben der Stadt mitgestaltet; überdies vermittelte er A. Bruckner musiktheoretische Grundlagen.

Eine bald nach 1850 gegründete Liedertafel (Männergesang) vereinigte sich mit zwei anderen Ensembles 1858 zur (alten) Liedertafel, die bis Ende der 1960er Jahre bestand. 1874 erfolgte die Gründung des Männergesangvereins Concordia, später auch mit angeschlossenem Damenchor; 1919 erfolgte die Umbenennung in Liedertafel E. Die Vereinstätigkeit wurde im Ersten und Zweiten Weltkrieg unterbrochen und ruht seit 1964; letzter Chormeister war Prof. Gustav Schmidt (1899–1973). Der Arbeitersängerbund Morgenrot wurde 1919 gegründet, 1934 behördlich aufgelöst, 1946 wieder reaktiviert, nannte sich ab 1972 Sängerbund E. 1919 und seit 1990 Singverein E. 1919. Chormeister war ab 1953 durch viele Jahre Hauptschuldirektor Otto Dirnberger, seit Herbst 1991 Adalbert Schaljo. Der E.er Singkreis entstand als gemischter Chor 1962 aus einem kleinen Kreis, wurde 1968 als Verein begründet, veranstaltete Konzerte, auch in Zusammenarbeit mit Linzer Chören, und trat in beiden E.er Pfarrkirchen auf. Chormeister war 1962–99 Otto Dirnberger, seither Hannes Schörghuber (* 1959). Der Chor der Lorcher Basilika, gegründet 1985, gestaltet hauptsächlich Gottesdienste in „seiner“ Kirche, geleitet von Harald Gründlinger. Der Vergangenheit mit nur dürftiger Überlieferung gehören der Christlichdeutsche Gesangsverein Sängerbund E. (gegründet 1924), der sich nach wenigen Jahren wieder auflöste, und die Meistersinger-Innung (erwähnt 1890 und 1902) an.

Das E.er Kammerorchester, 1980 gegründet und von Hans Schedlberger (* 1933) dirigiert, umfasst ca. 35 Mitwirkende und gibt in der Regel vier Konzerte pro Jahr.

In E. lässt sich die Theaterüberlieferung bis in das 16. Jh. zurückverfolgen; die Frage nach dem musikalischen Anteil kann nicht beantwortet werden. Liebhaber-Theateraufführungen mit E.er Bürgern (Dilettanten-Gesellschaft) sind 1819–24 nachweisbar, darunter einige musikalische Werke. Gastspiele von Wanderbühnen im 20. Jh. brachten nur vereinzelt Operetten. Spielstätten waren das alte Rathaus (jetzt Museum), Gasthaussäle, der Vereinssaal; seit 1955 steht die Stadthalle zur Verfügung, in der auch B. Walter mit den Wiener Symphonikern am 1.7.1956 Bruckners 9. Symphonie aufführte.


Literatur
W. Katzinger et al., Geschichte von E. 1996; G. Kneifel (Hg.), Mein E. 1988; G. Kneifel (Hg.), Rund um den Stadtturm 1998; Musik in E. (Mitt. des Museumvereines Lauriacum-E. N. F. 23) 1985; M. Schimböck, Historische Bibliographie der Stadt E. 1984; R. Zinnhobler (Hg.), Lorch in der Geschichte 1981; R. Zinnhobler/J. Ebner (Hg.), [Fs.] E. Marckhgott 1982; R. Zinnhobler, Kirche in Oberösterreich 1 (1992).

Autor*innen
Franz Zamazal
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Franz Zamazal, Art. „Enns‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001ccb3
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001ccb3
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