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Concerts spirituels
Geistliche Konzerte, d. h. musikalische Veranstaltungen, die Geistliches, aber auch Geistreiches (d. h. anspruchsvolle geistliche und weltliche Musik) zur Aufführung brachten. 1725 wurden in Paris auf Anordnung des Königs von Hofkapellmeister Anne Danican Philidor (1681–1728) „C. sp.“ ins Leben gerufen, die an kirchlichen Feiertagen stattfanden und bis 1790 bestanden. Im späten 18. und frühen 19. Jh. wurde diese Idee im deutschsprachigen Raum übernommen: 1743 in Leipzig, 1787 in Breslau (Adam Hiller) und 1805 in Berlin (Bernhard Anselm Weber).

1818 wurden in Wien „Vier musikalisch deklamatorische Mittagsunterhaltungen“ als C. sp. angekündigt. 1819 wurden schließlich von F. X. Gebauer die C. sp. als „Übungskonzerte“ zur Verbesserung der Kirchenmusikaufführungen in St. Augustin ins Leben gerufen. Das erzieherische Moment (Musikübung und Musikerziehung durch Selbstmusizieren) sowie der Dienst an der Musik standen im Vordergrund: „Der Zweck der Versammlung ist: die Aufführung grosser vorzüglicher Symphonien wie auch geistlicher Tonstücke berühmter Meister alter und neuer Zeit. Nur an das Beste beyder Gattungen wollen wir unsere Mühe und Zeit wenden.“ (J. B. Geißler). Der Gründungsaufruf ging zunächst nur an aktiv musizierende Dilettanten des Wiener Adels und des Bürgertums. Fehlende Instrumentalisten wurden durch professionelle Musiker aus Theaterorchestern ergänzt. Zur Aufführung kamen Symphonien, geistliche Vokalwerke und Oratorien, v. a. Werke von Wiener Lokalgrößen (J. G. Albrechtsberger, J. Drechsler, J. Eybler, A. Salieri usw.), aber auch Werke deutscher, italienischer und französischer Komponisten. Die Konzerte fanden von Oktober bis Mai alle 14 Tage statt, zunächst im Saal zur Mehlgrube, bis 1831 im landständischen Saal, 1832 im neuen Konzertsaal der Gesellschaft der Musikfreunde, 1833 im Festsaal der Univ., 1834–37 wieder im landständischen Saal und ab 1838 wieder im Saal der Gesellschaft der Musikfreunde. Einzelne Konzerte wurden auch im Redoutensaal abgehalten.

Nach Gebauers Tod 1822 wurde die Konzertreihe nach einer kurzen Pause 1824 von J. B. Geißler, F. Piringer, H. E. v. Lannoy und J. B. Schmiedel (bis 1834) fortgesetzt, ab 1829 unter der Leitung von C. Holz und ab 1833 von L. Titze als Chordirektor. Auf vier Aufführungen pro Saison beschränkt, wurden nun auch Proben abgehalten. Das Repertoire umfasste Symphonien von J. Haydn, W. A. Mozart und L. v. Beethoven sowie Werke von zeitgenössischen Komponisten wie Lannoy, F. Ries und L. Spohr, Ouvertüren und weltliche Vokalwerke (z. B. Beethovens Meeresstille und glückliche Fahrt). An geistlichen Werken wurden Messen von Beethoven, L. Cherubini, S. Sechter usw., Requien sowie kleinere Kirchenkompositionen und Oratorien (u. a. Beethovens Christus am Ölberge, G. F. Händels Messias, Werke von Haydn und F. Schneiders Weltgericht) aufgeführt.

1835 veranstalteten die C. sp. ein Preisausschreiben „für eine neue große Symphonie“, deren 1. Preis F. Lachner mit seiner Preis-Symphonie (18.2.1838) erhielt. 1839 und 1846 trat F. Liszt als Solist auf, ab 1847 wirkte O. Nicolai als Dirigent.

Die bis 1848 bestehenden Konzerte wurden von fachkundigen Kritikern mit Begeisterung aufgenommen, gerade weil sie sich in der Programmgestaltung von allen anderen Konzerten unterschieden. Durch das zunehmende öffentliche Interesse entfernten sie sich jedoch immer weiter vom ursprünglichen Gedanken des Übungskonzertes und entwickelten sich zu eigenständigen Konzerten.


Literatur
MGÖ 2 (1975); C. Pierre, Histoire du Concert Spirituel 1725–1790, 1975; J. B. Geißler, Denkbüchlein über die Übungs-Concerte einer Gesellschaft von Musikfreunden 1820; J. B. Geißler, Denkbüchlein über die C. sp. einer Gesellschaft von Musikfreunden 1820–21; M. Pfeiffer, F. X. Gebauer. Sein Leben und Wirken, Dipl.arb. Wien 1995; M. Handlos, Studien zum Wiener Konzertleben im Vormärz, Diss. Wien 1985; M. Handlos in E. T. Hilscher (Hg.), [Fs.]Th. Antonicek 1998; MiÖ 1989; E. Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien 1869.

Autor*innen
Andrea Harrandt
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Andrea Harrandt, Art. „Concerts spirituels“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cb15
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