Auch im Barock wurde weiterhin eine reiche Vokalpolyphonie und dadurch bedingte Chorkultur gepflegt; hervorzuheben sind besonders die monumentalen cori spezzati-Messen in Salzburg (z. B. Sancti Henrici oder die Missa Hispanica von M. Haydn); auch an den Habsburger-Höfen wurde weiterhin Vokalpolyphonie gepflegt, doch die Chorstärke deutlich reduziert (ab 1680 bis zum Ende der Monarchie ist eine durchschnittliche Besetzung von 5–6 Sopran-Knaben, 5–6 Alt-Knaben, 4 Tenören, 4 Bassisten in der HMK üblich). Ein zusätzliches Betätigungsfeld ergab sich für den Chor in den neuen Gattungen Oper und Oratorium. Hier verläuft die Entwicklung in Österreich asynchron zu Italien: Während ab 1670 in Italien der Chor zunehmend aus der Oper verdrängt wurde, nimmt er in der großen höfischen Oper unter Leopold I. und seinen Söhnen eine wesentliche dramaturgisch-strukturierende Stellung ein (A. Cesti, J. J. Fux u. a.); ähnliches gilt für das Oratorium. Unter Karl VI., dem nicht nur eine Vorliebe für Kontrapunkt, sondern auch für den Chor zugeschrieben wird, wurde der Chor in den Oratorien weiter aufgewertet (vgl. die Werke von A. Caldara), jedoch in der Oper reduziert (entsprechend dem Opernkonzept P. Metastasios).
Die Entwicklung eines eigenständigen, auf vereins- bzw. vereinsähnlicher Basis organisierten Chorwesens ist eng mit der Entwicklung des Konzertwesens und des adelig-bürgerlichen öffentlichen Musiklebens ab der 2. Hälfte des 18. Jh.s verbunden. Ab ca. 1760 wurden in verschiedenen Wiener Adelshäusern Liebhaber-Konzerte veranstaltet (Althann, Kaunitz, Liechtenstein, Auersperg, Haugwitz etc.), bei denen neben den professionellen Musikern der Adelskapellen Dilettanten musizierten und v. a. die Chöre fast ausschließlich durch Letztere gebildet wurden. Gefördert wurde das Entstehen von Konzertchören durch den beginnenden musikalischen Historismus und eine verstärkte Oratorienpflege (nach englischem Vorbild, v. a. der Werke von G. F. Händel); das gemeinsame Musizieren über die Standesgrenzen hinweg entsprach nicht nur den Idealen der Aufklärung, sondern auch der patriotischen Bewegung (Gesamtstaatspatriotismus nach J. Ph. Graf Stadion), mit der Österreich die Turbulenzen der Revolution, der Napoleonischen Kriege und des beginnenden Nationalismus in den Griff zu bekommen versuchte. Schon bei den ab 1771 veranstalteten Konzerten der Wiener Tonkünstler-Sozietät sollen 1773 bei einem Oratorium 400 Personen mitgewirkt haben; bei jener Aufführung von Händels Alexanderfest 1812, die Ausgangspunkt der Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien war, sollen es sogar 1000 Mitwirkende gewesen sein. Diese Tendenz zum Großchor und zum gemeinsamen Singen bei Musikfesten ist ein Charakteristikum des Musiklebens des 19. Jh.s. (Bürgerliche Musikkultur). Obwohl die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und die kurze Zeit später in den habsburgischen Ländern nach ihrem Vorbild gegründeten Vereine (Musikverein für Steiermark, Musikverein für Kärnten usw.) regelmäßig Oratorien aufführten und in den für die Zeit typischen Mischprogrammen immer wieder Stücke, die großen Chor verlangten, eingeflochten waren, wurden die Chöre bis zur Jh.mitte auf Projektbasis geführt. Um die daraus resultierenden Missstände abzustellen und eine regelmäßige Chorpflege auf hohem Niveau zu institutionalisieren, wurde 1858 die Wiener Singakademie gegründet, wenig später (ebenfalls 1858) der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde (heute Wiener Singverein). Ebenso kam es zu Chorgründungen in den diversen Musikvereinen von Städten und Ländern, die von mehr oder minder langem Bestand waren. Die seit den 1830er Jahren (von Deutschland beeinflusst) aufkommenden Musikfeste (in Wien ab 1834) förderten einerseits die Entwicklung der Konzertchöre, andererseits des Männerchorwesens. Trotz Zensur und eingeschränkter Versammlungsfreiheit gab es bereits im Vormärz in fast jeder größeren Stadt Österreichs neben der traditionellen Kirchenmusik einen (gemischten) Gesangverein und/oder einen Männerchor. Konzentrierten sich die großen Konzertchöre der Musikvereine auf das „klassische“ Oratorium (Händel, J. Haydn, Felix Mendelssohn Bartholdy u. a.), verlangte der Männerchor nach einer eigenen Chorliteratur: a cappella bzw. mit Klavierbegleitung, in deutscher Sprache und mit national-deutschen oder romantisch-sentimentalen Inhalten. Ein ähnliches Repertoire wurde auch von den studentischen Chorvereinigungen verwendet; die erste Chorvereinigung von Studenten wurde bereits 1814 in Graz gegründet; der prominenteste Chor dieser Art ist der 1858 gegründete Wiener Akademische Gesangverein (heute: Akademische Sängerschaft Barden). Träger und Basis aller dieser Chöre war das Bürgertum. Erst gegen Ende des 19. Jh.s im Zuge der Organisation der Arbeiterschaft kam es auch zur Gründung von Arbeitersängerbünden (der erste war der 1878 gegründete Arbeiter-Sängerbund Wien, Arbeitermusikbewegung); doch Struktur (die meisten Arbeitergesangvereine waren Männerchöre) und Repertoire spiegeln die Sehnsucht der Arbeiterschaft nach Bürgerlichkeit wider: Zwar wird deutsch-nationales Liedgut von klassenkämpferischem überlagert, das allgemeine „unpolitische“ Liedgut war in Männer- und Arbeitergesangvereinen jedoch weitgehend gleich. Angeregt durch die Alpensänger und Volksmusikgruppen entstanden in der 2. Hälfte des 19. Jh.s, v. a. aber nach dem Ersten Weltkrieg (auch bedingt durch die Suche nach dem typisch „Österreichischen“, Identität) zahlreiche Chöre, die im Sinne der Volksmusikpflege „österreichisches“ Liedgut (in mehrstimmigen, nach den klassischen Tonsatzregeln gesetzten bzw. korrigierten Volksliedsätzen) sangen; besonders beliebt sind bis heute sog. Kärntnerlieder; v. a. in Kärnten (durch Th. Koschat und A. Anderluh und seine Turnersee-Singwochen popularisiert) und in den westlichen Bundesländern ist diese Form chorischen Singens auch heute noch sehr populär.
Zwei Weltkriege, gesellschaftlicher Wandel und die politischen wie wirtschaftlichen Turbulenzen der 1. Hälfte des 20. Jh.s haben die Chorlandschaft Österreichs grundlegend verändert. Neben den professionellen Chorvereinigungen an den Opernhäusern und Landestheatern konnten sich mit dem Arnold Schoenberg Chor und dem Wiener Konzertchor (dem ehemaligen ORF-Chor/Rundfunk-Chor) nur zwei international tätige Profi-Konzertchöre etablieren. Im semi-professionellen Konzertchor-Bereich haben sich neben den beiden alten, international renommierten Chören Wiener Singverein und Wiener Singakademie (seit 1913 der Haus-Chor des Wiener Konzerthauses), den ebenfalls auf eine lange Tradition zurückblickenden Chören der verschiedenen Bach-Gemeinden in Österreich (v. a. Salzburg und Wien) bzw. der Musikvereine und den diversen Jeunesse-Chören in den letzten Jahrzehnten einige neue sehr ambitionierte Chöre etablieren können (Hugo Distler Chor, Concentus vocalis, WU-Chor Wien, Chorus sine nomine etc.); leider sind die meisten sehr stark an die Person des Gründers/Chorleiters gebunden, so dass viele nach einigen Jahren wieder verschwinden. Im Gegensatz zu den gemischten Chören, die sich (auf lokaler Ebene agierend, vereinsmäßig organisiert) großer Beliebtheit erfreuen, erlitten Männerchorwesen und Arbeitergesangvereine große Einbußen; nur wenige haben sich in das 21. Jh. retten können, kämpfen jedoch (bedingt durch das Klischee, das ihnen anhaftet und das traditionell gepflegte Repertoire) mit großen Nachwuchsproblemen (z. B. Wiener Schubertbund oder Wiener Männergesang-Verein). Im Gegensatz dazu haben die Umbrüche zu Beginn des 20. Jh.s ein neues Blühen der Kirchenmusik-Vereine und Kirchenchöre in den 1920er und 1930er Jahren gebracht. Der Cäcilianismus zu Ende des 19. Jh.s hatte eine Repertoire-Erweiterung gebracht, die traditionellen Messen der Klassiker in Österreich jedoch nicht verdrängen können. Ständestaatliche Rekatholisierung und der bewusste Traditionalismus der Kirche trugen das Ihre zu einem Aufleben der Kirchenmusik und -chöre (nun meist gemischt mit Frauen- statt Knabenstimmen) bei. Seit den späten 1960er Jahren sind jedoch starke Verfallstendenzen bedingt durch eine allgemeine Profanierung und eine Missinterpretation der Intentionen des 2. Vaticanum (Vatikanisches Konzil) zu beobachten. Dennoch verfügen alle Domkirchen, die Hauptkirchen der größeren Städte und die meisten Stiftskirchen wieder (2012) über ausgezeichnete Chöre. Einige Klöster und Stifte pflegen nach wie vor Sängerknabeninstitute bzw. haben solche neubegründet: z. B. St. Florian, Wilten, Seitenstetten, Altenburg. Das Sängerknaben-Institut der Wiener HMK wurde 1920 geschlossen und als Verein (heute Wiener Sängerknaben) 1924 – mit zunehmend veränderter Aufgabenstellung – wiedergegründet.
Die Organisation der Chöre erfolgt zumeist auf Vereinsbasis bzw. als Zweigverein eines großen Konzerthauses bzw. Musikveranstalters (v. a. professionelle und semi-professionelle Konzertchöre); die Kirchenchöre sind in den jeweiligen Pfarren organisiert bzw. haben sich ihre traditionelle Vereinsstruktur erhalten und sind im jeweiligen Kirchenmusikreferat der Diözese zusammengefasst. Für alle anderen bietet sich der 1949 gegründete Österreichische Sängerbund als Dachverband an.
NGroveD 5 (2001); MGÖ 2 u. 3 (1995); MGG 2 (1995) u. 2 (1952); P. Ebner, Strukturen des Musiklebens in Wien 1996; K. Ulz, Die Wiener Singakademie, Diss. Wien 1986; J. Trummer (Hg.), Kirchenchöre Österreichs 1987; A. Böhm, Geschichte des Singvereines der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 1908.