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Bürgertheater, Wiener
Ehemaliges Theater in Wien III (Landstraße). 1905 auf Betreiben von O. Fronz sen. nach Plänen von Franz v. Krauß und Josef Tölk erbautes Theater in Wien III (Vordere Zollamtsstraße 13/Gigergasse 8) mit knapp 1.250 Plätzen. Die offizielle Eröffnung des damals einzigen Theaters im dritten Bezirk fand am 7.12.1905 mit dem Stück Der alte Herr von Beatrice Dovsky (1866–1923), später Librettistin von M. Schillings Oper Mona Lisa, statt. Bei der Generalprobe vor geladenen Gästen dirigierte R. Fronz, der Kapellmeister des B.s, die Zwischenaktsmusik. Anfangs spielte man in dem von O. Fronz gepachteten und geleiteten, zunächst als Sprechtheater bewilligten Haus „zur Pflege des Wiener Volksstückes, dann des Schau-, Trauer- und Lustspieles“ v. a. anspruchslose Sprechstücke und Lustspiele (u. a. mit H. Niese, A. Girardi), zum Teil mit Musik von R. Fronz. Dazu kamen regelmäßig auch Gastspiele in- und ausländischer Theatertruppen. Eine Erweiterung der Konzession auf musikalische Darbietungen wurde sowohl 1905 als auch 1910 abgelehnt, allerdings erlaubte man 1910 die probeweise Aufführung eines musikalischen Lustspiels. Fronz brachte die UA von E. Eyslers Operette Der unsterbliche Lump (T: F. Dörmann, UA 14.10.1910), die sich als so erfolgreich erwies, dass Fronz am 13.9.1911 die Bewilligung zur „Aufführung auch von Werken der Tonkunst“ erhielt. Damit erfolgte die Umwandlung des B.s in eine Operettenbühne. Eysler wurde bald zum inoffiziellen Hauskomponisten, der bis 1933 und erneut 1947 mit der Operette Wiener Musik (T: P. Herz und Martin Costa) oft mehrmals pro Jahr zahlreiche seiner Operetten zur UA brachte. Dazu kamen mehr oder weniger erfolgreiche Operetten, zum Teil als UA.en, u. a. von O. Straus, Ch. Weinberger, L. Ascher, R. Stolz, R. Benatzky, P. Knepler, F. Lehár, M. Niederberger, O. Jascha oder B. Granichstaedten. Der Schwerpunkt lag dabei auf „wienerische[r] Operettenhausmannskost“ (Was nicht im Baedeker steht, 97). Man brachte am 24.1.1925 aber auch die deutschsprachige EA (dt. T: Josco Schubert) von P. Mascagnis Operette unter dem Titel „Ja“ (Die Dame aus den Folies Bergères) auf die Bühne. Einige Aufführungen dirigierte der Komponist selbst. Ab 1926 spielte man, ganz der Mode entsprechend, auch Revuen bzw. Revue-Operetten, erstmals am 29.1.1926 mit Journal der Liebe von K. Farkas und F. Grünbaum mit der Musik des Hauskapellmeisters E. Neumann. 1926 veröffentlichte das B. im Eigenverlag auch einige Nummern aus dieser Revue; 1925 war dort u. a. bereits der Klavierauszug von Mascagnis erschienen. Man setzte aber weiterhin auch auf die Wiener Operette etwa von E. Eysler. Im Juli 1927 kam O. Fronz jun., der die Direktion nach dem Rücktritt seines Vaters Mitte August 1923 zunächst mit Siegfried Geyer (1883–1944), ab 1924/25 mit Hugo Lischka-Raul und seit Juni 1927 alleine innehatte, finanziell ins Trudeln. Ende August 1928 musste das Theater geschlossen werden. Erst am 4.10.1930 folgte die Wiedereröffnung mit der Wiener EA von A. Pepöcks Operette Mädel, ade! (T: B. Hardt-Warden) unter der neuen Direktion von Hans Chlodwig Gahsamas, der jedoch bereits am 4.12.1930 36-jährig unerwartet verstarb und hohe Schulden hinterließ. Nach einem zweimonatigen Gastspiel eines Ensembles unter Hans Bartsch mit der Operette Jim und Jill (M: Vivian Ellis und Richard Myers, dt. T: Hans Adler) musste das B. am 9.4.1931 erneut geschlossen werden. Im Herbst 1931 übernahm H. Stilp als Vertreter einer Arbeitsgemeinschaft die Leitung des Theaters, in seine kurze Direktionszeit fällt die UA von H. Streckers Operette Mädel aus Wien am 20.1.1932 mit L. Haid in der Titelrolle. Am 2.5.1932 erfolgte die nächste Schließung des Theaters. Nach den glücklosen Kurzzeitdirektionen von Bernhard Marholm im Herbst 1932 und Hans Baars in der Saison 1933/34, der im Mai 1934 sogar wegen Veruntreuung verhaftet wurde, verbunden mit zeitweiligen Schließungen des B.s, fand der Innsbrucker Ferdinand Exl (1875–1942) mit seinem Ensemble, der sog. „Exl-Bühne“, ab der Saison 1934/35 im B. ein dauerhaftes Quartier. Das Ensemble, das sich in erster Linie dem literarischen Volks- und Heimatstück verschrieb, spielte dort bis Mai 1938, unterbrochen u. a. von einigen Gastspielen und einer einmonatigen Direktion von Erich Müller Anfang 1936, der davor zeitweise bereits als Co-Direktor fungiert hatte. Müller brachte u. a. die Revue Was kostet Wien? (T: F. Grünbaum u. K. Farkas/M: Walter Hahn und Fritz Kramer) heraus. Bespielt wurde das B. noch bis Juli 1938 unter der Leitung von Peter Schubert. Im Dezember 1938 kaufte die Stadt Wien durch eine Zwangsveräußerung im Zuge der nationalsozialistischenArisierungsmaßnahme) – das B. war immer im Eigentum jüdischer Besitzer gestanden, zuletzt von Hermann Lederer und fünf Mitgliedern der Familie Schweinburg – das Theater mit dem Ziel, es an private Betreiber weiterzuveräußern. Für eine geplante Renovierung des Hauses fehlte jedoch das Geld, und das B. wurde 1939 als Getreidelager und 1941 zur Einlagerung von Heeresbeständen zweckentfremdet. 1942–44 fungierte der nationalsozialistische Schauspieler Robert Valberg (1880–1955) als Pächter und Direktor des B.s, der auch für Instandsetzungsarbeiten und Umgestaltungen verantwortlich zeichnete. Eröffnet wurde am 17.4.1942 mit der UA der sog. Revuekomödie Ringstraßenmelodie (M: H. Knaflitsch, H. Lang, K. Loubé, H. Sandauer, A. Steinbrecher, B. Uher, F. Wunsch, T: Rudolf Weys u. Hans Schott-Schöbinger) unter Mitwirkung des Bohème-Quartetts. Am 2.7.1943 gelang Valberg mit der UA von J. Nestroys Posse mit Gesang Nur keck! in der Bearbeitung von Franz Paul (M: H. Lang) ein besonderer Erfolg. Mit diesem Stück wurde das B. im Mai 1945 unter der kurzen Übergangsdirektion durch Ernst Nadherny (1885–1960) wiedereröffnet. Davor war es seit Ende August 1944 aufgrund der allgemeinen Theatersperre bis Kriegsende wieder geschlossen gewesen. Ab 1.9.1945 bis zu seinem Wechsel an das Theater in der Josefstadt 1953 leitete Franz Stoß (1909–95) das B. und brachte v. a. heitere Stücke und Operetten. Der letzte Direktor, Harald Röbbeling (1905–89), scheiterte Ende 1953 mit dem Konzept, das B. unter dem neuen Namen „Broadwaybühne“ in eine andere Richtung zu führen und es für ein junges Publikum zu öffnen. Das Theater wurde endgültig aufgelassen, diente 1954–56 dem Sender Rot-Weiß-Rot als Studiobühne, war 1957 Ausstellungsort für die Österreichische Spielwarenschau und 1958 das „Haus der Jugend“. 1958 wurde das B. an die Zentralsparkasse verkauft, die das Theater 1960 abriss und an seiner Stelle ihre neue Hauptanstalt errichtete.
Literatur
M. H. Langer, Wiener Theater nach dem „Anschluss“ 1938 im Fokus nationalsozialistischer Arisierungsmaßnahmen dargestellt am Beispiel des Bürgertheaters, Dipl.arb. Wien 2009 (online: https://utheses.univie.ac.at/detail/3339#); Hadamowsky, 1988; Czeike 1 (1992); H. Pemmer in Das Landstraßer Heimatmuseum 4 (1867)Sonderheft Mai; Das kleine Volksbl. 6.12.1945, 7; Neues Wr. Tagbl. 5.10.1930, 14, 31.3.1931, 9, 26.10.1932, 8, 26.12.1936, 16, 24.3.1942, 4; Neues Wr. Journal 16.1.1930, 8, 15.10.1933, 26; Der Wr. Tag 5.12.1930, 8, 11.4.1931, 3, 3.5.1932, 7, 6.12.1932, 6, 6.5.1934, 5; Neuigkeits-Welt-Bl. 13.6.1931, 10; Illustrierte Kronen-Ztg. 30.3.1926, 10; www.geschichtewiki.wien.gv.at (10/2024); www.1030wien.at (8/2024); www.de.wikipedia.org (10/2024); www.digital.wienbibliothek.at (10/2024); eigene Recherchen (www.anno.onb.ac.at; Bibliothekskataloge).

Autor*innen
Monika Kornberger
Letzte inhaltliche Änderung
6.2.2025
Empfohlene Zitierweise
Monika Kornberger, Art. „Bürgertheater, Wiener“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 6.2.2025, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003b84b0
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Der Bautechniker 26 [1906], Beilage © ANNO/ÖNB
Innenansicht von der Bühne zum Zuschauerraum (Der Bautechniker 26 [1906], Beilage) © ANNO/ÖNB
Innenansicht vom Zuschauerraum zur Bühne (Der Bautechniker 26 [1906], Beilage) © ANNO/ÖNB
Foto: Paul Ledermann 1914© Wienmuseum

DOI
10.1553/0x003b84b0
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