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Budweis (deutsch für tschechisch České Budějovice)
Die südböhmische Stadt liegt am Zusammenfluss von Maltsch (Malše) und Moldau (Vltava). Ursprünglich hieß der Ort vermutlich Budivojovice oder Buducyz (davon abgeleitet der deutsche Name B.), das Adjektiv České (Böhmisch) wurde erst später hinzugefügt. Die ursprüngliche Gemeinde slawischer Herkunft wurde 1215 erstmals urkundlich erwähnt und lag nördlich der Königsstadt (zur Erhebung zur Stadt kam es 1265 durch Kg. Přemysl Otakar II.). Dank ihrer Funktion als Festung, ihrer günstigen Lage (an der Kreuzung mehrerer Handelswege) und der lokalen Silbervorkommen wurden der Stadt schon früh städtische Privilegien zuteil. Während der Hussiten-Herrschaft blieb B. ein Zentrum des Katholizismus. Auch unter den Habsburgern bewahrte sich die Stadt ihre bedeutende Stellung, davon zeugen z. B. die dort abgehaltenen Landtage, die Errichtung des Bischofssitzes im Jahr 1783 wie auch der ersten Pferdeeisenbahn auf europäischem Festland: Diese verband B. mit Linz (1832). Im Verlauf des 19. und 20. Jh.s wurde die Stadt zum industriellen, administrativen und kulturellen Zentrum Südböhmens. Das tschechische Element ist in der Stadt seit jeher präsent gewesen, in größerem Ausmaß dann ab der 2. H. des 19. Jh.s. Sein Anteil wuchs stetig und überwog letztlich (Volkszählung 1930: 43.788 Einwohner, davon nur 6.681 Deutsche).

Der Stadtkern steht heute unter Denkmalschutz. Die Kirchen (Klosterkirche Mariä Opferung, Sankt-Nikolaus-Kathedrale, Friedhofskirche [Johannes dem Täufer und dem Hl. Prokop geweiht], Dominikanerkloster [bestand bis 1784, bis 1871 beheimatete es ein Piaristenkollegium], Kapuzinerkloster (1784 aufgelöst, in der Folge als bischöfliches Priesterseminar weitergeführt) bildeten bedeutende Musikzentren. Christoph Schweher (Hecyrus; 1520/21–93) verbinden zwei Lebensabschnitte (1542–70, 1581–91) mit B. Er war Pädagoge an der hiesigen Lateinschule, von großer Bedeutung war sein deutsches Kirchengesangbuch von 1581. Von wichtigem Stellenwert war auch die Tätigkeit der Literatenbruderschaft (Literátské bratrstvo) mit ihrem lateinischen und deutschen Chor (die Bruderschaft war katholisch, ihre Satzung wurde 1615 von K. Matthias bestätigt). B.er Musiker setzten sich auch außerhalb ihrer Heimatstadt durch, Siegmund v. B. z. B. wirkte 1482 als Organist am St.-Veits-Dom in Prag. Um 1600 waren Michael? Hess und Veit Grotmaier (Grotmayr, Grotmer) Musiker B.er Herkunft, in Europa tätig. Vom 15. bis zum 17. Jh. galt die Stadt gemeinhin als Orgelbauzentrum Südböhmens. Zu den bedeutendsten Orgelbauern gehörten M. Khall (u. a. 1497 für St. Wolfgang/OÖ), Matthias Birger, Nikolaus Christeindel (tätig in B. im letzten Viertel des 17. Jh.s) und die Familie Rudner (z. B. Joachim und Albrecht Rudner). Neben dem Orgelbau trug auch der Glockenguss zum Renommee von B. als Musikzentrum bei. Ihre Wurzeln hat die langjährige Tradition im Jahr 1539. Zu jener Zeit wirkte ein Glockengießer namens Stephano in der Stadt. Im 17. und 18. Jh. übten hier die Familien Arnold und Haag das Glockengießer-Handwerk aus, von Bedeutung war auch Georg Wenzel Köhler. Gegen Mitte des 18. Jh.s zog die Familie Perner aus Brixen nach B., davor hatte sie ihr Handwerk in Pilsen und Schlackenwerth (Ostrov nad Ohří/CZ) ausgeübt. Der Familienbetrieb exportierte seine Glocken sogar nach Übersee. Die Produktion wurde im Jahr 1939 unterbrochen und nach der Abschiebung der Familie aus der Tschechoslowakei in Passau im Jahr 1946 wieder aufgenommen.

Das B.er Gymnasium wurde von Bürgern gegründet und von Piaristen geleitet. Zu Absolventen, die später berühmt geworden sind, zählen u. a. die Dichter Josef Krasoslav Chmelenský (1800–39) und František Ladislav Čelakovský (1799–1852), des Weiteren A. Gyrowetz und K. Konrád. Kirchenmusikalisches Zentrum war die St. Nikolaus-Kirche (zunächst Stadtpfarrkirche, ab 1785 Dom). Gyrowetz’ Vater Adalbert war in der 2. H. des 18. Jh.s Leiter des Domchors. Zur weiteren Entfaltung der Sakralmusik beigetragen haben Jan Evangelista Ferdinand Hartmann (ca. 1717–1803), Václav Josef Kypta (1780–1868, Organist und Subkantor in B. 1801–06), Jan Nepomuk Wozet (Vocet; ca. 1776–1843, Regens Chori an der St. Nikolaus-Kathedrale, bis zu seinem Ableben auch Stadtkapellmeister) wie auch der Organist und Komponist Jáchym (Joachim) Stepanowsky (Stupanowsky, Štěpanovský, Stiepanowski; 1775–1801). Die Zusammensetzung des Kirchenmusik-Repertoires weist eine starke Beeinflussung durch das in Wien und Österreich im Allgemeinen aufgeführte Repertoire auf.

Bereits zu Beginn des 15. Jh.s wurde in B. ein Komödienhaus betrieben, ursprünglich war es im Besitz des Stadtrichters. Von den 1760er Jahren an fanden in der Stadt Bühnenaufführungen statt, Gastspiele der Wiener F. J. Scherzer-Theatergesellschaft sind bis ins Jahr 1782 belegt. Seit dem Jahr 1799 wurden Opern (z. B. W. A. Mozarts Zauberflöte) im sog. Schupfentheater inszeniert. Unzureichende Bedingungen und der Mangel an Kunstschaffenden erlaubten jedoch nicht die Entstehung einer Tradition. Im Jahr 1819 ließ die Stadt ein neues Stadttheater errichten. In der 1. H. des 19. Jh.s bemühten sich die österreichischen bzw. deutschen Theaterdirektoren K. Mayer, Ignatz Siege (1818–87) und J. Lutz um die Entfaltung des Theater- und Opernbetriebs in B. In den Jahren 1871–82 wurde das sog. Deutsche Haus, das zum Zentrum regulärer Aufführungen deutscher Operetten und Singspiele werden sollte, erbaut. Nach dem Brand im Jahr 1923 erfüllte diese Funktion einstweilig das sog. Clementinum. In den Jahren 1850–80 fanden an der städtischen Bühne auch tschechische Aufführungen statt, z. B. F. Smetanas Verkaufte Braut.

Der erste tschechische Gesangverein Beseda entstand 1862, die deutsche Liedertafel (B.er erste Liedertafel, ab 1885 Deutsche Liedertafel) hatte ihre Tätigkeit bereits früher aufgenommen (Männergesang). Der Musikverein wurde 1853 gegründet, die Anregung dazu kam von Karl Adalbert Ritter v. Lanna (1805–66). Dieser war auch die Triebfeder hinter der Musikschulgründung. Beide Institutionen, wie auch der erwähnte Verein Liedertafel, wurden anfangs von Adalbert Johann Nowotny, einem Absolventen des Leipziger Konservatoriums, geleitet. Der erste Höhepunkt auf dem Gebiet der Chormusik war das im Jahr 1876 abgehaltene große Sängerfest. Musikveranstaltungen wurden ebenfalls vom K. k. privilegierten bürgerlichen Scharfschützenkorps und vom Deutschen Turnverein veranstaltet. Der Beginn des 20. Jh.s, insbesondere die Phase nach 1918, stand im Zeichen des Erfolgs der Gesangvereine Hlahol und Foerster. Auch die Militärmusik erlebte damals ihre Blütezeit, am Pult der Militärkapelle lösten einander folgende Dirigenten ab: Eduard Horný (1838–1907, in B. seit 1899), K. Bernard, Jan Kalenský (1855–1917, 1910 in B.), Josef Potužník (1882–1947, in B. kurz nach 1918), František Bartoš und Jaroslav Pasovský (1882–1952, seit 1927 in B.). Hervorgetan haben sich auch die Kapellen der Scharfschützen, der Veteranen, der Eisenbahner, der Feuerwehrleute, wie auch jene der Postangestellten und jene des Sokol. Ein Orchester (Orchesterverein) bestand im Rahmen des Deutschen Dilettantenvereins in Böhm. B. – dieser entstand kurz nach dem Zerfall der Monarchie. Die im Jahr 1903 entstandene Česká matiční hudební škola gehörte bald darauf zu den besten Institutionen ihrer Art in der Monarchie. Vom Sommer 1906 an stand ihr B. Jeremiáš vor, später dessen Sohn O. Jeremiáš und nach diesem Josef Beran (seit 1929). Der Letztgenannte war mannigfaltig tätig, sein Name steht auch mit seinen Aktivitäten beim Philharmonischen Orchester, beim Gesangverein Foerster, beim Rundfunkchor sowie beim Suk-Quartett in Verbindung. Die Schule war in der Lage, künstlerisch wertvolle Konzerte und auch Opernaufführungen darzubieten. Für Operetten und Bühnenstücke für die deutschsprachige Bevölkerung sorgten regelmäßige Gastspiele des Brüxer (Most/CZ) Stadttheaters. Darüber hinaus hat die Schule Musiker hervorgebracht, die sich im Laufe des 19. und 20. Jh.s im Ausland durchsetzten: Antonín Jan Barcal (1847–1927) und Jan Barcal († 1895) in Russland, Karel Josef Jermář (1858–1920) in Bulgarien, Bohuslav Čumpelík (1894–1943) in Wien. Im Jahr 1919 wurde von Bohuslav Růžička angeregt, in B. eine Genossenschaft für das Südböhmische Nationaltheater(Družstvo Jihočeského národního divadla v Českých Budějovicích) zu gründen. Das Theater nahm bereits im selben Jahr seine Tätigkeit auf und führte damit die B.er Bühnentradition – bis dahin insbesondere durch Brünner und ostböhmische Theatergesellschaften im Stagione-System gesichert – fort. Die Struktur des neuen Theaters bildeten die Sparten Oper, musikalisches Bühnenwerk, Musiktheater, Schauspiel mit Musik und Schauspiel. Als bedeutende Dirigenten dieser Zeit sind Josef Charvát (1884–1945, in B. tätig 1919–22) und O. Jeremiáš zu nennen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer Reorganisation des Theaterlebens in der Stadt. Das Theater erhielt den Status eines Landestheaters. Ab der 2. H. der 1950er Jahre wurden Opern aufgeführt, ab 1959 regelmäßig. Heute wirkt das Opernensemble im Rahmen des Südböhmischen Theaters.

Bei der Entfaltung des Musiklebens halfen ferner die Musikredaktion des regionalen Rundfunksenders (ab 1945) sowie das Südböhmische Staatsorchester (gegr. 1981 vom Dirigenten Jaroslav Vodňanský), das sich seit 1989 Südböhmische Kammerphilharmonie (České Budějovice) nennt. Vom Jahr 1991 an wurde sie vom Dirigenten Ondřej Kukal geleitet, danach von Břetislav Novotný und in der Folge dann von Jaroslav Krček und Stanislav Vavřínek. Das Ensemble ist bis heute (2012) der einzige professionelle philharmonische Klangkörper in der Region Südböhmen, es absolviert Auftritte im In- und Ausland. Das Philharmonische Orchester České Budějovice wirkt seit 1995. B. ist aber auch der Schauplatz von Musikfestivals und Austragungsort von Musikwettbewerben: Seit dem Jahr 1990 wird das Musikfest zu Ehren von E. Destinn (Hudební slavnosti Emy Destinnové) veranstaltet, der Internationale Orgelzyklus (Mezinárodní varhanní cyklus) seit 2001 und seit 1992 der nationale Wettbewerb junger Blasorchester Zlatá křídlovka. Seit 2005 finden in B. Veranstaltungen im Rahmen des südböhmischen Jazzfestivals (Jihočeský jazzový festival) statt.

Die musikwissenschaftliche Arbeit stützte sich anfänglich auf das südböhmische Musikarchiv (Jihočeský hudební archiv), das 1929 von Josef Beran als Bestandteil der MSch. (seit 1945 Bestandteil des Südböhmischen Museums) gegründet wurde (Nachlässe von Komponisten, Archiv der B.er Kathedrale, alte Drucke, Musikinstrumentensammlung etc.). Zu weiteren Institutionen, die in musikalischer Hinsicht relevant sind, gehören die Musikabteilung des Südböhmischen Museums (verfügt über bedeutende Bestände zur Musikgeschichte der Stadt), die Musikabteilung der Südböhmischen wissenschaftlichen Bibliothek in B., das B.er Konservatorium sowie die Pädagogische Fakultät der Südböhmischen Universität.

Zu den bedeutenden Vokalensembles der Stadt gehören heute: Českobudějovický dětský pěvecký sbor Canzonetta (Budweiser Kindersängerchor Canzonetta, seit 1988), Da Capo (seit 1998), Dětský pěvecký sbor Carmína (Kindersängerchor Carmína, seit 2006), Dětský pěvecký sbor Domu dětí a mládeže Jitřenka (Kindersängerchor des Kinder- und Jugendhauses Jitřenka, seit 1966), Dyškanti (seit 1982), Pěvecký sbor Gabriel (Sängerchor Gabriel, seit 2003), Pěvecký sbor jihočeských učitelek (Sängerchor südböhmischer Lehrerinnen, seit 1963), Jihočeský vysokoškolský sbor (Südböhmischer Hochschulchor, seit 1982), Mendík (seit 1989).

In B. wirkten stets mehrere Blasmusikkapellen. Die älteste davon ist die Gruppe Babouci (seit 1875), zu den beliebtesten gehört Budvarka (seit 1941), zu neueren Klangkörpern zählen Velký dechový orchestr České Budějovice (Großes Blasorchester B., seit 2007), Správná pětka (Die richtigen Fünf), Salonní orchestr Václava Plášila (Václav Plášils Salonorchester) und Tanční orchestr Saturn (Tanzorchester Saturn). Nach der Entstehung der unabhängigen Tschechoslowakei wanderte die B.er Garnisonsmusik nach Olmütz ab und wirkte dort als Regimentskapelle des IR.s Nr. 27. Mehrere Rundfunksender haben Studios in der Stadt, zu traditionellen B.er Musikclubs für Jazz- und Rockmusik gehören die Modrý dveře (Die blaue Tür), K2 und Velbloud (Kamel).


Literatur
K. Konrád, Dějiny posvátného zpěvu staročeského od XV. věku do zrušení literátskch bratrstev 1893; K. F. Kühn in Mitt.en des Vereines f. Gesch. der Deutschen in Böhmen 56 (1918); W. Wonesch, [Fs.] Dt.e Liedertafel in B. 1856–1926, 1926; Čtyřicet let pěveckých sborů Hlahol v Č. Budějovicích. 1890–1930, 1931; B. Bělohlávek, Jaroslav Jeremiáš 1935; R. Quoika, Die Musik der Deutschen in Böhmen und Mähren1956; K. A. Sedlmeyer (Hg.), B.: B.er und Stritschitzer Sprachinsel 1979; K. A. Sedlmeyer in Informationsbrief für sudetendt.e Heimatarchive und Heimatmuseen 17 (1979); J. Ludvová in Hudební rozhledy 47 (1994), Nr. 10; L. Vrkočová in Slovník české hudební kultury 1997; LdM 2000; J. Malý in Památky archaeologické a místopisné 3 (1858/59), Nr. 4; E. K. Blümml/G. Gugitz, Alt-Wr. Thespiskarren 1925, 286–288 u. 530; K. Kratochwil/A.Meerwald, Heimatbuch der Berg- u. Kreisstadt Böhmisch–B. 1930; V. Ambrož, Z minulosti Českých Budějovic. Příručka k vlastivědě o Českých Budějovicích 1933: A. Einstein (Hg.), Vlastní životopis Vojtěcha Jírovce 1940, übersetzt v. František Bartoš; A. Einstein (Hg.), Lebensläufe dt.er Musiker von ihnen selbst erzählt Bd. III/IV (1915); E. F. Schmid, Musik an den schwäbischen Zollernhöfen der Renaissance 1962, 504 u. 509; Beiträge von G. Černušák in Československý hudební slovník osob a institucí 1 (1963), 600 u. 1051; B. Štědroň in Československý hudební slovník osob a institucí 2 (1965); R. Quoika, Der Orgelbau in Böhmen und Mähren 1966; M. Tarantová in Hudební věda 3 (1966), Nr. 1; L. Vrkočová, Domovem hudby 1988; J. Kocourek in Ars Organi 57 (2009), H. 1; www.musicamigrans.de (10/2012).

Autor*innen
Viktor Velek
Letzte inhaltliche Änderung
9.1.2013
Empfohlene Zitierweise
Viktor Velek, Art. „Budweis (deutsch für tschechisch České Budějovice)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 9.1.2013, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x002d3604
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