B. gilt als Stammvater einer eigenständigen österreichischen Philosophietradition, der – weniger durch seine Schriften als vielmehr über seine Schüler – wesentlichen Einfluss auf das philosophische, pädagogische und politische Denken in der Habsburgermonarchie ausübte. Seine Auffassungen zur Ästhetik hat B. in zwei kleineren Studien (1845, postum 1851) dargelegt. Zentralbegriff ist in traditioneller Weise „das Schöne“, Ästhetik ist die Summe all jener „Wahrheiten“, die zur Herstellung und Rezeption von Kunstwerken notwendig ist. B. verwirft entschieden die Idee einer Begründung ästhetischer Urteile durch Gefühle. Da diesen keine objektive Substanz zukomme, könnten auch keine objektiven Urteile aus ihnen abgeleitet werden. Andererseits grenzt B. sich durch die Einbeziehung rezeptionstheoretischer Überlegungen auch von einer rein formalen Ästhetik ab, welche Schönheit als Eigenschaft von Objekten interpretiert. Das Urteil „schön“ ist nach B. vielmehr die Rückübertragung des Wohlgefallens, das der Betrachter bei der aktiven Rezeption der jeweils kunstspezifischen Regelhaftigkeit eines Kunstwerkes empfindet, auf den Gegenstand der Wahrnehmung; es beruht demnach auf einer kommunikativen Wechselwirkung zwischen Betrachter und Objekt. Ästhetische Wahrnehmung wird von B. als objektiver – vom individuellen Rezipienten prinzipiell unabhängiger – rationaler Erkenntnisprozess verstanden, in dem analytischer Verstand, Gedächtnis und Urteilskraft bei der intellektuellen Erkenntnis rein geistig aufgefasster Formen zusammenwirken; die Fähigkeit dazu muss erlernt und geschult werden, der Vorgang selbst wird als teilweise automatisiert und unbewusst interpretiert. Über die ästhetische Beurteilung von Musik heißt es bei B. dementsprechend: „Was bei der Aufführung eines tonischen Kunstwerkes auf unser Auge einwirkt, wie etwa die schöne edle Gestalt des Künstlers selbst, seine Bewegung und Haltung dabei, [ist] nicht in Betracht zu ziehen, sooft wir den Wert des bloß tonischen Kunstwerkes für sich allein beurteilen wollen.“
Großen Einfluss übten B.s. Ansichten zur Ästhetik v. a. auf seinen Privatschüler R. Zimmermann, über diesen auf E. Hanslick, der ihm teilweise bis in die Formulierung hinein folgte, sowie auf den Prager Formalismus (Josef Durdek, O. Hostinsky) aus.
Untersuchungen zur Grundlegung der Ästhetik. Mit einer Einleitung hg. von D. Gerhardus 1972.
K. Blaukopf, Die Ästhetik B. B.s 1996; R. Haller, Studien zur Österreichischen Philosophie 1979; R. Hofmann, Der Begriff des Schönen und der Kunst bei B. B., Diss. Wien 1953; Ch. Landerer inKriterion 3,5 u. 3,6 (1993); Ch. Landerer in ÖMZ 54/9 (1999); O. Neumaier in E. Morscher (Hg.), B. B.s geistiges Erbe für das 21. Jh. 1999; E. Winter, B. B. 1969.