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Violoncello
Bassinstrument der Streichinstrumente der Violinfamilie (ital., Diminutiv von Violone, dt. Kurzform Cello). Es handelt sich um ein viersaitiges Streichinstrument mit der Stimmung C-G-d-a, das neben der Violine seit dem späten 17. Jh. sowohl als Solo- als auch Orchesterinstrument zu den wichtigsten Instrumenten zählt.

Die erste Erwähnung über ein dreisaitiges, mit der Violine verwandtes Bassinstrument findet sich bei Martin Agricola (Musica instrumentalis deudsch, Wittenberg 1529); Nachrichten über viersaitige Instrumente stammen von Giovanni Maria Lanfranco (Scintille di musica, Brescia 1533), Philibert Jambe de Fer (Epitome musical, Lyon 1556) und L. Zacconi (Prattica di Musica, Venedig 1592). Die Terminologie variierte zunächst zwischen basso di viola da braccio und violone in Italien, Bass-Klein-Geig in Deutschland und basse de violon in Frankreich. Der Begriff Violoncino ist zuerst bei Giovanni Battista Fontana anzutreffen, Vc. bei Giulio Cesare Arresti (Sonate a 2, & a tre, con la parte del violoncello a beneplacido, op. 4, Venedig 1665). Ähnlich variabel waren im 17. Jh. auch Größe sowie Stimmungen dieser Instrumente: Während die heute übliche Stimmung in Italien wahrscheinlich schon nach 1600 gebraucht wurde und auch von Michael Praetorius (Syntagma musicum II, Wolfenbüttel 1619) erwähnt wurde, bezog sich die Stimmung B1 F c g (Ph. Jambe de Fer 1556, L. Zacconi 1592, oder Marin Mersenne, Harmonie Universelle, Paris 1636) auf ein Instrument mit einem größeren Korpus, das in Italien bis zur Mitte des 17. Jh.s und in Frankreich und England bis zum Anfang des 18. Jh.s in Verwendung war. Die heute übliche Korpuslänge von ca. 75–76 cm und 11,5 cm Zargenhöhe wurde um 1710 von Antonio Stradivari entwickelt. Neben dem viersaitigen Instrument erwähnen Sébastian de Brossard (Dictionnaire de Musique, Paris 1703/05), Johann Mattheson (Das Neu-Eröffnete Orchestre, Hamburg 1713) und Johann Gottfried Walther (Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732) fünf- bzw. sechssaitige Instrumente. Die Bezeichnungen Vc. piccolo (oft fünfsaitig) oder Vc. da spalla beziehen sich auf kleinere Instrumente, die im 18. Jh. zum solistischen Spiel verwendet wurden. Bei dem sog. Arpeggione (Guitare-Violoncell, guitarre d’amour, Bogen-Guitarre, chitarra col arco) handelt sich um ein Instrument mit einem Gitarrenkorpus mit gewölbter Decke und flachem Boden, das in Kniehaltung gespielt wird. Die Haltung des Vc. erfolgte zunächst meist zwischen den Knien oder aber in aufrechter Haltung umgehängt; der Stachel als Haltungshilfe konnte sich erst seit ca. 1880 durchsetzen. Ähnlich wie bei der Violine oder Viola, jedoch seltener, wurde auch beim Vc. die Skordatur verwendet (J. S. Bach, Vc.-Suite in c-Moll f. Solo-Vc., BWV 1011; Louis-Toussaint Milandre, Méthode facile pour la viole d’amour, Paris 1777; Ferandini Milanese, Quartett Armonioso / Senza digiti / Per / Tre Violini & Vc., um 1800, A-Wgm; R. Schumann, Klavierquartett Es-Dur op. 47, 1842).

Bis ins späte 17. Jh. erfüllte das Vc. seine Funktion v. a. als Bassinstrument im Rahmen der Basso continuo-Gruppe; um 1664 begann in Bologna/I im Umkreis der Musiker der Kirche San Petronio wie Domenico Gabrielli (1651–90), Petronio Franceschini (um 1650–80) und Giuseppe Maria Jacchini (um 1663–1727) die Entwicklung des Vc. zu einem solistischen Instrument. Von G. Jacchini stammen auch die ersten Vc.-Konzerte (op. 4, 1701, op. 5, 1703). Setzte D. Gabrielli das Vc. bald als obligates Instrument in der Oper (Flavio Cuniberto, Venedig 1682, und Il Maurizio, Venedig 1687) und im Oratorium (San Sigismondo, Modena 1693) ein, lässt sich bald danach auch in der Wiener Oper ein großer Aufschwung des Vc.-Spiels beobachten. L. v. Köchel (1869) gibt die Verwendung des Vc. in der Hofkapelle mit „seit etwa 1680“ an; in den Wiener Opernpartituren ist der Begriff Vc. spätestens seit C. A. Badias La Gare dei Beni (1700) bzw. G. Bononcinis Artabano (1701) anzutreffen. Als Titel einer selbständigen Bassstimme scheint die Bezeichnung Vc. jedoch erst 1706 auf (z. B. G. Bononcinis Endimione und M. A. Zianis Meleagro), das Inventar der Hofmusikkapelle aus 1706, von J. G. Reutter d. Ä. verfasst, erwähnt dieses Instrument noch nicht.

Die Aufgaben des Vc. in der Wiener Hofoper erstreckten sich neben der Ausführung des Basso continuo (Generalbass) in den Rezitativen, Arien und Ritornellen auf die Ausführung der Bassstimme in dem überaus häufig eingesetzten dreistimmigen Concertino (2 V., Vc.) und auf solistische Aufgaben. Es ist dabei charakteristisch für die Wiener Hofoper, dass die Tradition der anspruchsvollen hochfigurativen Bassstimmen hier dank der hervorragenden Violoncellisten und Komponisten wie G. und A. Bononcini, A. Ariosti und A. Caldara bis in die späten 1730er Jahre intensiv gepflegt wurde. Als obligates Instrument wurde das Vc. in zahlreichen hochvirtuosen Partien v. a. nach 1720, praktisch zeitgleich mit der Anstellung der hervorragenden Violoncellisten Giovanni Perroni und Francesco Alborea, eingesetzt. Anders als in Italien, wo das Vc. bei Komponisten wie A. Vivaldi oder Giuseppe Tartini im Konzert oder bei A. Vivaldi, Girolamo Bassani, Giovanni Benedetto Platti, B. Marcello, N. Porpora sowie J. S. Bach (Suiten f. Vc. solo BWV 1007–1012) intensiv in den Sonaten gebraucht wurde, stammen die brillantesten Vc.-Partien in Wien – ähnlich wie bei der Violine – nicht aus der autonomen Instrumentalmusik, sondern aus der Oper. Besonders erwähnenswert ist hier das Erreichen hoher Töne (bis zum e’’ in I Due Dittatori, 1726, von A. Caldara oder Archidamia, 1727, von G. Reutter), das entweder auf die frühe Verwendung der Daumenlage (deren Einführung F. Alborea zugeschrieben wird), oder aber die Verwendung des fünfsaitigen Instruments hinweist. In den letzten Jahrzehnten des Jh.s konnte sich das Vc., Hand in Hand mit dem Rückgang der Basso continuo-Praxis, von seiner Abhängigkeit vom Kontrabass emanzipieren und wurde intensiv im Orchester, in der Kammermusik (Sonate, Duo, Streichtrio, Streichquartett und -quintett) sowie im Konzert (I. Holzbauer, C. Stamitz, M. G. Monn, I. J. Pleyel, P. Wranitzky, J. B. Wanhal, A. und N. Kraft) eingesetzt. Charakteristisch für diese Zeit ist der fortschreitende Ersatz der anfänglichen Orientierung an der Violintechnik durch eigenständige Idiomatik (z. B. die Vc.-Konzerte von J. Haydn C-Dur Hob. VIIb:1, um 1761–65?, D-Dur Hob. VIIb:2, 1783, C-Dur VIIb:3, um 1761–65? [verschollen, ident mit VIIb:1?).

Zu den wichtigsten Cellisten des ausgehenden 18. und 19. Jh.s zählten A. Kraft und sein Sohn N. Kraft, zugleich Komponisten von zahlreichen Stücken für das Vc. (Sonaten, Duos, Konzertstücke), sowie der Cellist des Schuppanzigh-Quartetts J. Linke, der auch an der UA des Tripelkonzerts von L. v. Beethoven beteiligt war. Als ein weiterer bedeutender Solist gilt J. Merk, Solocellist in der Oper, der als erster Vc.-Lehrer am Wiener Konservatorium (seit 1821) verpflichtet war und zu dessen Schülern u. a. auch L. Böhm und A. Träg zählten. Sowohl Linke als auch Merk und Böhm verfassten Vc.-Konzerte. Nachhaltige Wirkung zeigten in Wien die Konzertaufenthalte der international bekannten Cellisten Bernhard Heinrich Romberg (1796, 1800, 1806, 1822), Max Bohrer (1811, 1822) sowie Friedrich August Kummer (1821, 1835).

Im 19. Jh. entstanden v. a. zahlreiche Kompositionen für Vc. und Klavier (z. B. die bedeutenden Vc.-Sonaten v. L. v. Beethoven op. 5, F-Dur, g-Moll; op. 69, A-Dur, 1807/08; op. 102, C-Dur und D-Dur, 1815, sowie die Sonaten von J. Brahms e-Moll op. 38, 1862–65, F-Dur op. 99, 1886, oder R. Strauss, Sonate F-Dur op. 6, 1880/83), ähnlich wie bedeutende Konzerte: neben den Solokonzerten von R. Schumann (1850), Camille Saint-Saëns (1872/73, 1902) oder A. Dvořák (1894/95) auch das Konzert C-Dur f. Kl., V. u. Vc. von L. v. Beethoven (op. 56, 1803/04) oder das Doppelkonzert f. V. u. Vc. a-Moll von J. Brahms (op. 102, 1887). Im Stil des virtuosen Konzerts sind die vier Cellokonzerte von D. Popper verfasst (d-Moll op. 8, 1871, e-Moll op. 24, 1880, G-Dur op. 59, 1888, h-Moll op. 72, 1900). Darüber hinaus erfüllt das Vc. seit der Wiener Klassik wichtige und solistische Aufgaben im Bereich der Kammermusik (Streichtrio, Streichquartett, -quintett, -sextett) oder des Orchesters (R. Strauss, Also sprach Zarathustra op. 30, 1895/6, Don Quixote op. 35, 1896/97).

Im 20. Jh. wurde die Vc.-Literatur neben den traditionellen kammermusikalischen Gattungen auch in Österreich durch zahlreiche Werke für Vc. solo erweitert (E. Wellesz, Sonate op. 31, 1920, Suite op. 39, 1927; A. Hába, Fantasie im 1/4ton-System, 1924; J. M. Hauer, Vier Stücke op. 59, 1929; H. Jelinek, Suite, 1930; E. Krenek, , Suite op. 84, 1939; J. N. David, Sonate op. 31 Nr. 4, 1947; G. Ligeti, Sonate f. Vc. solo, 1948/53; P. Angerer, Musik f. Vc. allein, 1949; R. Faber, Mysterium noctis, Erste Sonate f. Vc. solo op. 9, 1988/94; Ernest Bloch, 3 Suiten, 1956/57; H. E. Apostel, Sonate op. 35, 1962; E. Krenek, Nachdenklich, 1963; K. Ager, Sonata f. Vc. solo op. 42, 1983/89; K. Rennert, Reigen II f. Vc. solo, 1986; W. Wagner, Zwei vierstimmige Kanons f. Vc. solo, 1992, u. a.). Das andauernde Interesse für das Konzert ließ auch zahlreiche Vc.-Konzerte entstehen: Nach A. Schönberg (Bearbeitung des Concerto per Clavicembalo aus 1746 von G. M. Monn, 1932, als Konzert f. Vc. u. Orch., 1932/33 für Pablo Casals komponiert) sind hier Werke von E. Toch (Vc.-Konzert op. 35, 1924), E. Krenek (1. Cellokonzert op. 133, 1952/53, 2. Cellokonzert op. 236, 1982), E. W. Korngold (Cellokonzert C-Dur, 1946), G. Ligeti (Konzert f. Vc. u. Orch., 1966), E. Vogel (Konzert f. Vc. u. Orch., 1968), H. Blendinger (Concerto tonale f. Vc. u. Orch. op. 22, 1971), H. Eder (Konzert f. Vc. u. Orch. op. 74, 1980/81), O. M. Zykan (Cellokonzerte, 1982 u. 2005), H. Ebenhöh (Konzert f. Vc. u. kleines Orch. op. 66, 1985) oder H. K. Gruber (Cello Concerto, 1989) zu nennen, ähnlich wie Konzerte für mehrere Instrumente von F. Cerha (Konzert f. V., Vc. u. Orch., 1975/76) oder H. Erbse (Tripelkonzert f. V., Vc., Kl. u. Orch. op. 32, 1972/73) u. a.

Weitere wichtige Bereiche bilden die Sonate mit Klavier (K. Rapf, Sonate f. Vc. u. Kl., 1960; E. Freitag, Sonate f. Vc. u. Kl., 1990; H. Ebenhöh, Sonate f. Vc. u. Kl. op. 77, 1992; W. Wagner, Sonate f. Vc. u. Kl., 1991), Duos bzw. Sonaten in verschiedenen Besetzungen (A. Webern, Drei kleine Stücke op. 11, 1914, P. Angerer, Duo f. Va. u. Vc., 1949; E. Krenek, Cello-Studien f. 1–4 Vc., op. 184, 1963; H. K. Gruber, Zwei Rhapsodien f. Vc. u. Kl. op. 13, 1964, Anagramm f. 6 Vc., 1987; G. Wimberger, Plays f. 12 Vc. soli, Bläser u. Schlagzeug, 1975; Th. Ch. David, Sonate f. Vc. u. Kb., 1988; H. Ebenhöh, Erzählung f. V. u. Vc. op. 55/3, 1993; W. Wagner, Sonate f. V. u. Vc., 1993; H. Schmidinger, Cordacinium f. Vc. u. Kb., 1995, u. a.). Als einer der bedeutendsten Interpreten der Neuen Musik in Österreich gilt (2006) der Violoncellist H. Schiff.


Literatur
MGG 13 (1966) u. 9 (1998); NGroveD 26 (2001); E. Hanslick, Gesch. des Concertwesens in Wien 1869; W. J. v. Wasielewski, Das Violoncell u. seine Gesch. 1889 (ND 1992); E. van der Straeten, History of the Vc., the Viol da gamba, their precursors and collateral instruments 1915; F. Vatielli in Ders., Arte e vita musicale a Bologna 1918; U. Zingler, Studien zur Entwicklung der ital. Vc.-Sonate von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jh.s 1967; St. Bonta in Journal of the American Musical Instrument Society 3 (1978); A. Planyavsky in MusAu 4 (1984); E. Selfridge-Field, Venetian instrumental music from Gabrieli to Vivaldi 31994; Th. Drescher in Glareana 44/1 (1995); W. Pape/W. Boettcher, Das Vc. Gesch., Bau, Technik, Repertoire 1996; M. M. Smith in Bach-Jb. 1998; V. Walden, One Hundred Years of Vc.: History of Technique and Performance Practice 1740–1840, 1998; D. Glüxam, Instrumentarium u. Instrumentalstil in der Wr. Hofoper zw. 1705 u. 1740, Hab.schr. Wien 2005.

Autor*innen
Dagmar Glüxam
Letzte inhaltliche Änderung
22.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Dagmar Glüxam, Art. „Violoncello‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e5a9
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

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Rudolf H. Eisenmenger, Glückliche Menschen in neuen Häusern, Sgraffito-Wandbild (1951). Gemeindebau Carrogasse 2–6 (Wien XXI)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen

DOI
10.1553/0x0001e5a9
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