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Wels
Stadt an der Traun in Oberösterreich über ur- und frühgeschichtlicher Besiedlung, nach der römischen Siedlung Ovilava (wichtiger Straßenknoten, unter K. Hadrian municipium, unter K. Caracalla colonia, ab der Diocletianischen Reichsreform Hauptstadt von Noricum ripense). Kontinuität der Besiedlung auch nach dem Rückzug der Romanen im späten 5. Jh. ist wahrscheinlich. 776 ist Weles (aus keltisch Vilesos) als castrum belegt, eine capella daselbst wenigstens seit dem 9. Jh. Die kirchlichen Interessen teilten sich vom 11. bis ins 16. Jh. die nahen Stifte Kremsmünster und Lambach. Im späten 12. Jh. gingen die Burg (oftmals verpfändet) und die Vogteirechte an die Babenberger, etwa zur Zeit des Übergangs an die Habsburger (ca. 1280) wurde das Minoritenkloster gegründet (1784 aufgehoben). 1422 erhielt die Stadt die hohe Gerichtsbarkeit. Das Stadtgericht, die Brückenmaut und ein beträchtlicher Ungeldbezirk gingen allmählich von der Burgvogtei auf die Stadt über. Trotzdem begann W. ab etwa 1490 die Priorität im entstehenden Kronland Österreich ob der Enns zugunsten von Linz zu verlieren. Ab dem 19. Jh. entwickelte sich W., nach wie vor aufgrund der günstigen Verkehrslage, zu einer bedeutenden Industrie-, Handels- und Schulstadt. Das 1878 erstmals abgehaltene Volksfest wurde zu einer bedeutenden Landwirtschafts- und Industriemesse.

Aus römischer Zeit sind Fragmente eines cornu (Austria Romana) erhalten. Die im Stadtarchiv als Bindematerial überlebenden Fragmente liturgischer (z. T. auch neumierter) Handschriften aus dem 12.–16. Jh. sind monastischer Herkunft und lassen keinen Schluss auf W. selbst zu. Obwohl es nur wenige Nachrichten dazu gibt, kann am frühen Bestand einer lateinischen Schule in W. (unter Aufsicht des Pfarrers, finanziert von der Stadt) kein Zweifel bestehen (erster Schulmeister 1273, ab 1532 ziemlich lückenlos bekannt). Daneben gab es zwei deutsche Schulen in der Stadt. Das u. a. auch für die Bezahlung der Sänger zuständige „Lichtamt“ ist schon seit dem frühen 14. Jh. belegt. Die Thurner wurden selbstverständlich ebenfalls von der Stadt besoldet, ab der 2. Hälfte des 16. Jh.s waren sie immer wieder auch in anderen Orten tätig. (Die Liste der Thurnermeister ist nahezu vollständig eruiert: 1555–58 Veit Schmidtperger, 1558–61 Adam Ferpuchler, 1561–70 Hans Wiesinger, 1570–87 Jakob Kronberger, 1597 Elias Grindlinger, 1600–08 Jonas Pramendorfer, 1610 Johann Pramendorfer, 1625–36 Maximilian Schwerdtl, 1636–41 Hans Haßmüller, 1642–45 Georg Grözer, 1646–54 Adam Gerrer, 1656, 1670–1704 Adam Edlinger, 1705–14 Philipp Edlinger, 1714–39 Leopold Franz Troyler, 1740–78 Johann Leopold Scheibmayr, 1779–93 Paul Hillany, 1793–1823 Franz Hillany.) Aus dem 15. Jh. stammen im Stadtarchiv erhaltene Reste eines Kreuzabnahme-Spiels mit Marienklage (diese notiert; geistliche Spiele; vgl. auch die berühmten Glasfenster der Stadtpfarrkirche, 14. Jh.). W. blieb theaterfreundlich: auch während der Reformationszeit gab es Schulspiele (Schuldramen), die Kapuziner (1630) brachten auch neues Brauchtum mit, im 18. Jh. gastierten die üblichen Wandertruppen, 1794 ist erstmals eine eigene Schauspielgesellschaft und 1829 ein ständisches Theater belegt. Aus „Welsa“ scheint auch Johannes Seld de Lewbs gestammt zu haben, der zuletzt Pfarrer im nahen Schleißheim war, 1440 als Pfründner in Kremsmünster verstarb und dem Stift seine Bibliothek hinterließ (darunter CC 71 u. 312 mit zweistimmigen Motetten des späten 14. Jh.s). K. Maximilian I., der sich relativ oft im (an die Polheimer verpfändeten) Schloss W. aufgehalten hatte, ist hier 1519 gestorben. Keineswegs wegen Überraschung, sondern der beschränkten Hofhaltung wurde aus diesem Anlass keine eigene Trauermotette komponiert, sondern durch den seit 1496 in seinen Diensten stehenden Sänger, Kopisten und Komponisten L. Senfl nur eine ältere (Quis dabit oculos von Costanzo Festa) adaptiert; im übrigen der gesamte Hofstaat, wie üblich, weitestgehend aufgelöst.

Die im Stadtmuseum befindlichen Fresken aus einem W.er Bürgerhaus mit Tanzdarstellungen gelten als frühe Zeugnisse volkstümlicher Tanzformen, ja Vorformen des Ländlers; jedenfalls bildete W. im 19./20. Jh. das Zentrum einer wichtigen Volkstanzregion Oberösterreichs. W. beherbergte auch eine Meistersinger-Schule, die im Schloss der Polheimer auftrat und von der noch zwei Handschriften (von Th. Stromair und P. Freudenlechner) in Göttweig (Cod. 1033, 1034) sowie eine in München (Bayer. Staatsbibl. Cgm 6250/23) zeugen. In W. soll kein Geringerer als H. Sachs 1513 seine Berufung zum Dichten erfahren und sein Buhlscheidlied im Hofton des Brennbergers gedichtet haben. Und 1519 verfasste ein Georg Pleyer zwei Lieder auf den Tod K. Maximilians. Die letzte Erwähnung einer Singschule im Rathaus stammt aus 1609. Auch sie war zweifellos evangelisch geprägt. Ähnlich wie in Steyr blühte die Lateinschule unter protestantischer Führung bis gegen 1590 und dann noch einmal kurze Zeit nach 1608. An beiden Schulen lehrten mit Ägydius Weixelperger (1590–99) und Jakob Tydeus (1615–24), die beide vorher auch an der Landschaftssschule in Horn tätig gewesen und mit P. Peuerl in enger Verbindung gestanden waren, zwei führende Pädagogen der Zeit. Nach deren Schließung im Zuge der Rekatholisierung (Gegenreformation) 1624 wurde die W.er Pfarrschule unter Leitung des Regens chori weitergeführt, die um 1664 aber einging. Dass Peuerl auch in W. als Orgelbauer gearbeitet hat, ist nicht nachweisbar. Immerhin entstand hier bald darauf durch die Zuwanderung von Mathias Großwaldt (ca. 1653–1741) aus Böhmen eine gewisse Orgelbauer-Tradition: er heiratete 1685 die Tochter des W.er Tischlers Hans Jägler und übte den Orgelbau nur nebenher aus. Sein Sohn Johann Mathias Großwaldt (1689–1734?) aber brachte es in Wien zum „kaiserl. Hoff- und Land-Orgelbaumeister“, während seine W.er Werkstatt vielleicht auf den am 4.3.1721 geborenen Sohn Casimir Sigismund und später auf dessen Schwiegersohn (unbekannten Namens) über- oder einging. Casimirs Bruder Joseph Karl (1720–60) wanderte nach Hanau/D aus, wo bereits vor ihm ein Johann Christian Großwaldt (ein weiterer Bruder?) als Orgelbauer gearbeitet hatte.

Möglicherweise aus W. stammte J. Eisnerhammer (1606–08 Organist in Kremsmünster, anschließend in Linz und vielleicht ab 1638 an St. Stephan in Wien), eventuell ein Verwandter des in W. geborenen und auch musikalisch tätigen Kremsmünsterers P. Matthäus Eisnetzhammer (1614–86) sowie des 1621 als Schulmeister und Organist in Gmunden verstorbenen Johann Eisnetzhammer. Hier geboren sind jedenfalls die Kremsmünsterer Patres Heinrich Pichler (1722–1809, Haupt eines bedeutsamen Hausmusikkreises) und J. Copisi (vielleicht ein Enkel des um 1700 in W. tätigen Organisten Johann Gottfried Copisi). Ebenso der Lautenist G. M. Frischauff, der 1695 in Penzing (Wien XIV) heiratete und einige Lautenkompositionen hinterließ. 1711 führten W.er Bindergesellen in Kremsmünster einen Reiftanz vor, 1745 zogen die W.er Wallfahrer hier „mit Trompeten und Pauken“ ein und noch bis ins frühe 20. Jh. wurden vom Stift bei Bedarf Musiker aus W. beigezogen. Wie üblich, übernahmen ab dem 19. Jh. Musiker des hier garnisonierenden Militärs (Militärmusik) z. T. die ehemalige Rolle der Thurner.

Als Beispiele für die bürgerliche Musikpflege zu nennen sind der musikalische Zirkel, den der Schubert-Freund Al. Stadler (1833–38 in W.) mit dem Apotheker Ferdinand Vielguth führte, sowie in der Familie Karl v. Hartmanns (1793–1876). Eine prägende Persönlichkeit war zweifellos auch L. Paupié, einheimischer Organist der Stadtpfarrkirche, Chormeister der Liedertafel, Musiklehrer und nicht zuletzt Komponist (darunter Lieder des ebenfalls hier geborenen Kremsmünsterer Konventualen P. Markus Holter, 1812–74). Für ihn war der Drucker Johann Haas auch als Musikverleger tätig (s. Abb.). 1856 bewarb sich Paupié neben A. Bruckner um die Linzer Organistenstelle. Als Bruckner-Adepten bekannt werden sollten der spätere Reichsratsabgeordnete A. Göllerich sen., der 1854 als Gemeindesekretär nach W. kam, und sein gleichnamiger Sohn, der hier aufwuchs. Gebürtiger W.er war auch der Hornist M. Pichler. Für das Musikleben der Stadt von großer Bedeutung waren schließlich einschlägig tätige Vereine wie der Männergesangverein (1847), die Gesellschaft der Musikfreunde (1881; Musikvereine), der Arbeitersingverein „Eintracht“ (1888, aus einer Arbeitersängerrunde von 1886 hervorgegangen), der Frauenchor (1892, der einen solchen der Liedertafel von 1861 fortsetzte), die Stadtkapelle (1891), der evangelische Chorverein (1892), der Eisenbahner Gesangsverein (1911), der Welser Kinderchor (1924), der Neustädter Musikverein (1924) und der Bachchor (1926); nicht zuletzt aber das Wirken von J. F. E. Nadler und J. N. David (besonders für die hier geborenen Schüler W. Kolneder, F. Illenberger, Brüder Doppelbauer und Heinz Peer), E. L. Leitner. Bereits unter Bürgermeister Oskar Koss (1949–62) wurden die MSch. durch die Stadt übernommen, die Stadtkapelle ausgebaut, das städtische Symphonieorchester gegründet, die Abonnementkonzerte des Kulturrings begonnen und das Stadttheater ausgebaut. In diesem sind dank des Mäzenatentums des Industriellen Walter Just seit 1995 alljährlich einige Aufführungen eines Werks von Rich. Wagner möglich, ein „Mini-Bayreuth“, das mit „möglichst getreuen“ Inszenierungen abseits von Regietheater-Moden sehr erfolgreich ist. Jedenfalls kann sich auch heute (2006) das Musikleben von W. mit dem in Städten vergleichbarer Größe sehr wohl messen.


Literatur
K. Holter/G. Trathnigg, W. von der Urzeit bis zur Gegenwart 21984/85; L. Kaff in Oberösterr. Heimatbll. 1 (1947); M. Czernin, Die Fragmente liturgischer Musik-Hss. im Bestand des Stadtarchives W., Dipl.arb. Salzburg 1989; G. Trathnigg in Jb. d. Musealver. W. 1954; G. Trathnigg in Oberösterr. Heimatbll. 24 (1970); L. Kaff in Jb. d. Musealver. W. 1959/60; Kellner 1956; R. Zinnhobler in Oberösterr. Heimatbll. 15 (1961) u. 17 (1963); R. Flotzinger in J. Sturm (Hg.), Vorchdorf 2000, 1999, 453; R. Flotzinger in H. Loos/K.-P. Koch (Hg.), [Fs.] K. W. Niemöller 2002; R. Flotzinger in M. Kube (Hg.), [Fs.] W. Dürr 2002; Oberösterr. Heimatbll. 9 (1955), 181; R. Wolfram in Jb. d. Musealver. W. 8 (1961/62); W. Deutsch et al. (Hg.), Schriften zur Volksmusik 6 (1982); A. Koczirz in StMw 5 (1918); H. Schönmayr in ÖMZ 25 (1970).

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2006
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Wels‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e68a
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10.1553/0x0001e68a
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