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Vaterländische Front (VF)
Im Mai 1933 geschaffene Organisation, die nach Auflösung der politischen Parteien in Österreich und Errichtung des Ständestaats 1934 gesetzlich als alleiniger Träger der politschen Willensbildung (mit Interventionsrecht in der Gesetzgebung) verankert wurde. Öffentlich Bedienstete waren zur Mitgliedschaft verpflichtet. Die VF verfügte über eine hierarchische Struktur (Bundes-, Landes-, Bezirks-, Haupt- und Ortsgruppenleitungen, Gruppen, Sprengel, Zellen) und verschiedene Unterorganisationen, welche die angestrebte Umgestaltung des Staates gewährleisten sollten. Das Kulturamt war (wie der Wirtschaftsrat) als Hilfsorgan der Bundesleitung unterstellt. Die vom steirischen Landeshauptmann Karl Maria Stepan (1894–1972) 1934 in die VF eingeführte Kulturarbeit wurde unter Oberst Walter Adam (1886–1947) als Generalsekretär noch zurückgedrängt, aber durch seinen Nachfolger, den Schriftsteller Guido Zernatto (1903–43), ab Mai 1936 umso stärker betont. Entscheidend war ein enges Zusammenspiel von Unterrichtsministerium, Kulturreferat der VF und (seit 1936) der Organisation „Neues Leben“ zur Lenkung der Freizeitgestaltung (nach dem Vorbild der ital. Dopo lavoro und dt. Kraft durch Freude). Größter Wert wurde auf Volksverbundenheit und Bodenständigkeit, auch der Künste, gelegt.

Der Arbeitskreis Musik im Kultur-Fachbereich der VF wurde von J. Rinaldini und J. Lechthaler geleitet. Aufgrund der „Kapellmeister- und Musiker-Verordnung“ von 1934 wurden vorerst der Ring der ausübenden Musiker und die Kapellmeisterunion ins Leben gerufen, die Staatspreise eingeführt (ab 1936 finanziert durch den von der RAVAG eingehobenen „Künstlerschilling“; Preise) und 1936 sowohl das Urheberrecht als auch dessen Durchführung (Autoren, Komponisten, Musikverleger) auf eine neue Basis gestellt. Nach dem Motto „Kultur- statt Machtpolitik“ wurde durch die Übernahme von offenen Singveranstaltungen, besondere Förderung der Hausmusikpflege, Inszenierung von Wettbewerben für Volksmusik und Volkstanz, Kampagnen gegen Jazz und Schlager, einen jährlich durchgeführten „Tag der Musikpflege“, schließlich mit dem Plan zur Wiederaufnahme von Arbeiter-Sinfonie-Konzerten auf allen Linien versucht, die Musik als Erziehungsmittel einzusetzen. Eine bedeutende Rolle wurde außerdem dem Rundfunk eingeräumt. Die allgemeine anti-moderne Einstellung schlug sich nicht nur in Aufführungszahlen, sondern auch in der Komposition selbst nieder (Zurückdrängung der Moderne, sog. Symphonische Unterhaltungsmusik). Das Dollfuß-Lied diente nicht nur der Stilisierung des ermordeten Bundeskanzlers als Märtyrer, sondern auch als eine Art Hymne. In ähnlicher Weise war der Reichsverbands-Marsch von M. Damberger ein „Pflichtstück“ der Blasmusikkapellen (Blasorchester). Auf allen Linien ist sichtbar, dass und wie bereits die VF die sog. modernen Medien gezielt einzusetzen verstand. Doch ist auch mit ihrem dirigistischen Zug zu erklären, warum sie das eigentliche Ziel, eine allgemeine Volksbewegung „aller hinter der Regierung Stehenden“ auszulösen, letztlich nicht erreichte.


Schriften
Zs. Die Volksmusik. Mitt.bl. des VF-Werkes Neues Leben u. des Reichsverbandes f. österr. Volksmusik 1937/38.
Literatur
I. Bärnthaler, Gesch. u. Organisation der V. F. 1972; G. Karnthaler, Die Kulturpolitik im österr. Ständestaat im Bereich der Musik, Hausarb. Wien 1976.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
16.2.2023
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Vaterländische Front (VF)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.2.2023, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00034cb9
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
© Privatbesitz Rudolf Flotzinger
© Privatbesitz Rudolf Flotzinger
Erster Bundesappell der VF im Großen Musikvereinssaal am 19.1.1936 mit Ansprache von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (Wiener Bilder, 26.1.1936, 5)© ANNO/ÖNB