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Volksmusik
Wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Überbegriff für Volkslied, volksmäßige Instrumentalmusik und Volkstanz verwendet; im engeren Sinn meint man lediglich die volksmäßige Instrumentalmusik. V. als Überbegriff sowie dessen Definition und Abgrenzung ist in der Volksmusikforschung vorwiegend anhand des Volksliedes diskutiert worden.

Im Zentrum der instrumentalen V. steht die bäuerliche Tanzmusik einschließlich der aus ihr hervorgegangenen konzertanten Formen wie Instrumentaljodler (Jodler) oder Wiener „Tanz“ sowie die in Fest und Alltag verankerte Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik traditioneller Gemeinschaften, wobei es zahlreiche Schnittstellen zur komponierten Musik gibt. Das reicht von der Musik der mittelalterlichen Spielleute über die der Thurner, die Militärmusik, die Gesellschaftstanzmusik, die Kirchenmusik, die Blasmusik (Blasorchester) bis zu Erscheinungen der Volksmusikpflege, zur volkstümlichen Kommerzmusik und zur Popularmusik.

Indirekte historische Zeugnisse zur Geschichte der instrumentalen V. haben wir durch Darstellungen von Musikinstrumenten und durch die in Museen erhalten gebliebenen Musikinstrumente selber, weiters durch Archivalien, durch V.-Zitate in komponierter Musik und durch Musikantenhandschriften; direkte Zeugnisse durch Tonaufnahmen und Erhebungen der rezenten Feldforschung. Während vor dem Einsatz von Tonaufnahmegeräten in der V.-Forschung bereits zahlreiche Volkslieder aufgezeichnet wurden, gilt dies für die Instrumentalmusik kaum, da diese für das schriftliche Festhalten im Augenblick des Erklingens meist zu komplex war. Auch aus diesem Grund hat die Instrumentalmusikforschung erst lange nach Beginn der Volksliedsammlung eingesetzt.

Der Spielmann des Mittelalters ist in Österreich durch Ottokars Reimchronik und durch Seifried Helbling belegt; auch wissen wir, dass in vielen Hofhaltungen Spielmänner und Hofnarren beschäftigt waren. Wie hoch ihr Anteil an der Entwicklung der bäuerlichen V. ist, wissen wir jedoch nicht. Seit dem Ende des 13. Jh.s tauchen sesshafte Spielleute auf, so ein „Geigaer“ und eine „Fistulatrix“ (Pfeiferin oder Witwe eines Pfeifers) als Zinspflichtige des Stiftes Admont oder ein „Rudel, dorfmaister et fistulator“ im Ausseerland als erstes konkretes Zeugnis für einen Volksmusikanten. Seit dem 15. Jh. werden in den Städten Thurner angestellt, dieses Amt besteht teilweise bis ins 19. Jh. Was sie aber wirklich musiziert haben, wissen wir nicht. Nur das relativ junge Spielgut für Tanzunterhaltungen ist uns beispielsweise aus der niederösterreichischen Thurnerfamilie Pfleger erhalten geblieben. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hat es vielerlei Typen von Spielleuten nebeneinander gegeben, wie etwa die Reisetagebücher des Paolo Santonino (1485–87) bezeugen, der als Sekretär den Bischof von Caorle/I auf Visitationsreisen südlich der Drau begleitet hat. In Kötschach/K trat damals nach dem Essen ein Possenreißer auf, der Zither spielte und auf dem Waldhorn blies, also vielleicht ein fahrender Spaßmacher war, aber wir hören gleichzeitig von den einheimischen Lesachtalern, von denen es in diesem Bericht heißt, sie seien von Natur aus Zither- und Harfenspieler („chitaredi et lyriste“). Die Spielleute waren schon im Mittelalter in einer Zunft, dem Spielgrafenamt zusammengeschlossen (in Tirol z. B. ab 1451). Der Zunft stand ein vom Landesfürst ernannter Spielgraf vor. Er überwachte die Einhaltung der Zunftordnung, sprach Recht bei Streitigkeiten und nahm die Spielleute vor fremdem Wettbewerb und gegenseitiger Unredlichkeit in Schutz. Später, als entsprechende Verordnungen dies verlangten, stellte er den Spielleuten gegen die ihm entrichtete jährliche Abgabe die notwendigen Spielzettel aus. Das war notwendig, denn die Akten sind voll von Zwistigkeiten zwischen Thurnern und Spielleuten, von Verboten für Wandermusikanten von auswärts, von genauen Regelungen für die verschiedenen Geschäfte. In Dokumenten des 18. Jh.s werden mehr und mehr die hierarchischen Strukturen offenbar. Es gab demnach unbürgerliche und bäurische Musikanten, denen das Aufspielen in der Stadt verboten war, weiters bürgerliche Stadtgeiger, die „gemeine Hochzeiten auf Anverlangen deren Partheyen“ sowie „ehrliche Täntz“ zu geigen hatten, und schließlich Thurner, die Berufsmusiker waren mit dem Privileg, „importante Täntz“ und „namhaffte Hochzeiten“ zu spielen, und die für die städtische Repräsentation zur Verfügung stehen mussten. Tanz und Tanzmusik wurden immer wieder von der Obrigkeit verboten, wegen der Türkenkriege 1605, wegen Erscheinen eines Kometen 1681, beim Tod eines Herrschers usw., wobei die Spielleute unter Umständen ein Wartegeld erhielten. Eine Steuer für Musikveranstaltungen wurde zum erstenmal 1707 von Kaiser Joseph I. eingehoben, weil wegen des Spanischen Erbfolgekrieges das Geld knapp geworden war. Ab diesem Zeitpunkt war für Tanzveranstaltungen eine Steuer zu entrichten (Musikimpost), u. zw. überall (in großen Städten mehr, in kleineren weniger) und egal mit welchen Instrumenten. Es war binnen 14 Tagen eine Liste sämtlicher Wirtshäuser abzugeben. Wenn gespielt wurde, war die Anzahl der Spielleute anzugeben. Für Tanzveranstaltungen war – bei entsprechender Strafe – im Voraus ein Verlaubzettel zu lösen. An Tanzveranstaltungen werden in dieser Resolution genannt: „Hochzeiten, Ehr- und Kindmahle, Kirchtage, Außspillen, Baumsteigen, Schnitt-, Lösens- und Faschingszeiten.“ Die daraus folgende Musiksteuer-Enquete von 1738 bezeugt etwa für Kärntnen 504 Geiger und Spielleute. Eine Studie für Salzburg zeigt die Situation der Musikanten nach den napoleonischen Kriegen. Es gab ein Verbot für fremde Musikanten, ausgenommen einige durch „Geschicklichkeit und gute Sitten“ sich auszeichnende Musikanten-Gesellschaften, oder für einzelne Musikanten, die ein Patent besaßen. Diese Einschränkung galt auch für truppenweise herumziehende Thurnergesellen. Kurz nach den Franzosenkriegen zogen viele Musikanten durchs Land; die Ansuchen 1817–49 galten für Musikanten aus Böhmen, Wien, Tirol und Italien, einzeln und in Gruppen. Pässe wurden z. B. für die Adventzeit ausgestellt. Ab 1804 wurde das Spielmannsgewerbe in Salzburg neu geregelt als Personal-Konzession. Dass das Musizieren ein wichtiger Nebenverdienst, insbesondere für Handwerker war, zeigt das Einnahmebuch eines Mühlviertler Musikanten 1790–1822. Er verzeichnet 22 Spielorte an 444 Spieltagen zu folgenden Gelegenheiten: Tanzveranstaltungen, Hochzeiten, Nachhochzeiten, Jahrtage der Handwerker, Kirchtage, Rockenreisen, Ladschießen, Schlittenfahrten, Kirchengeigen bei den Meisterjahrtagen, Pfarrerinstallationen, Auszüge, Primiz, Richtermahl, Bauernleich. Viel wurde im Fasching gespielt, dann auch bei Freitänzen im Wirtshaus, bei Bürgerbällen, Cäcilientänzen, Burschenbällen, Soldatentänzen, Ehafttänzen (nach dem feierlichen Verlesen von Ortstaidingen oder Weistümern), Landmiliztänzen, Schützenbällen, Jägerbällen, Lichtmessbällen, bei einem „Franzosentanz“, einem Tanz nach dem Theater und einem Tanz „wegen Linzer Menscher“. Das Einkommen entspricht dem Halbjahreseinkommen eines damaligen Schulmeisters. Meistens spielten sie zu zweit, manchmal zu dritt, einmal zu sechst in einer gemischten Streich- und Blasbesetzung. Traditionellerweise waren die Tanzmusikanten fast ausschließlich Männer. In manchen Gegenden (Niederösterreich, Wien) hat sich eine eigene Musikantensprache (aus Elementen der Gaunersprache) entwickelt.

Durch Musikantenhandschriften und frühe Aufzeichnungen erfahren wir erstmals etwas Konkretes über die gespielte Musik. Die älteste Ländleraufzeichnung Österreichs findet sich in der Sonnleithner-Sammlung, eingeschickt aus Zell am Windhag/NÖ, und geht auf 1702 zurück. Den Handschriften zufolge hat sich seit dem 17. Jh. im süddeutsch-alpenländischen Raum der ländlerische Tanzmusikstil herausgebildet, der zahlreiche regionaltypische Besonderheiten ausgeprägt hat und noch bis weit ins 20. Jh. tradiert worden ist. Träger dieses Stils sind vorwiegend halbprofessionelle Musikanten. Auch diese Musik wird schriftlos tradiert und unterliegt gewissen Beschränkungen in der musikalischen Technik, in ihrem Umfang und ihrer Form. Sie dürfte sich aus real obligater Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit, zuerst mit Bordunbegleitung, dann mit figuriertem Bass entwickelt haben. Wichtigste Tanzmusikinstrumente waren früher Dudelsack, Drehleier und Fidel, später die Geige, und für die Ausbildung der Mehrstimmigkeit das Streichtrio (2 Geigen und Bassgeige; Kirchentrio).

In Österreich war die Frage nach Tanzweisen bereits in den statistischen Umfragen Erzhzg. Johanns enthalten. Als großartiges Dokument eines Einsenders ist die Obersteirische Volkskunde des Kameralverwalters Johann Felix Knaffl zu bewerten, die später von Viktor v. Geramb herausgegeben wurde. Sie enthält zahlreiche Nachrichten über die Tanzmusik, einschließlich entsprechender Notenaufzeichnungen. Auch für die Sonnleithner-Sammlung 1819 waren Nationalweisen gefragt; sie bieten einen ersten Überblick über das Instrumentalmusikgut der österreichischen Kronländer der Monarchie. Die darin enthaltene Tanzmusik ist großteils dem Typus Ländler zuzuordnen; die Stücke sind mit Tänze, Deutsche Tänze, Ländler, Walzer, Pfannhauser-Tänze, Steyrer (Steirischer), Redout-Deutsche, Nationaltänze, Salzburger, Rußbacher Tänze, Abtenauer Tänze, Tyroler und Obersteyerisch überschrieben. An weiteren Gattungen wurden eingeschickt: Menuett, Kirchenzugsmarsch, Tafelstück, Kehraus, die sieben Sprünge, Bauerntanz, Jucker, Springer, Baierische Auf- und Abtänze, Ehrentänze, Neu-bairischer Tanz, Alt Bairisch, Bauernmarsch, Stockerauer Tanz, Melodie zum Spennadel-Suchen, Melodie zum Polsterltanz, Trauermarsch. Zu Beginn der systematischen V.-Sammlung startete J. Pommer 1902 eine Umfrage nach steirischen Tanzweisen, deren Ergebnis nie erschienen ist, doch ist die Korrespondenz mit dem Musikanten Cyprian Händler aus Rottenmann erhalten geblieben, die die Situation dieses Musikanten 1839–93 beschreibt. Die Besetzung bestand aus 2 Geigen, Seitenpfeife, Hackbrett, Klarinette und Bass. Das meiste wurde auswendig gespielt, doch war der Schreiber stolz darauf, die Violinschule von L. Mozart zu besitzen; er war auch Kirchenmusiker. Die meisten Musiker waren Gewerbetreibende. Händler selbst hat viele Tänze aus dem Gedächtnis notiert. Gespielt wurde in Applikaturen auf Geigen mit starkem Ton auch in der Tiefe. Die guten Cymbalisten spielten nicht Begleitakkorde, sondern die Melodie. Das Repertoire bestand aus Ländlern, Steirern, Hochzeitsmärschen, Pfannhausern, Neubayrischen, dem Tommerltanz, dem Polsterltanz, Stoansteirischen, Oberländern und Instrumentaljodlern.

Die Zusammensetzung des Repertoires und die Besetzung der Tanzmusik haben während des 19. Jh.s starke Veränderungen erfahren. Zwischen 1820/50 wurde von fast ausschließlich Saiteninstrumenten auf gemischte Besetzungen umgestellt, wobei die Blasinstrumente schnell überwogen und es zu einer unüberschaubaren Vielfalt von Besetzungen kam. Ursache dafür war der Einfluss der Militärmusik, der Blasmusik, der böhmischen Musikanten und die insgesamt bessere wirtschaftliche Situation nach den napoleonischen Kriegen. Über die städtischen Zentren verbreiteten sich Gesellschaftstänze wie Polka, Walzer, Mazurka, Tyrolienne u. a., doch lösten diese Tänze in vielen Regionen die Ländlertänze nicht ab, sondern wurden in den ländlerischen Tanzmusikstil integriert und bereicherten lediglich das Repertoire. Auch die neu aufkommenden Musikinstrumente prägten den Stil nicht grundsätzlich um, sondern veränderten ihn langsam. Daher konnten in rezenter Feldforschung noch zahlreiche regionaltypische Tanzmusikstile festgestellt werden, in denen ältere Gestaltungsmodelle und Spielpraktiken überliefert wurden. Das gilt v. a. für jene Regionen, in denen sich die Geigenmusik erhalten hat, wie in Wien, in manchen Gegenden Niederösterreichs, im Innviertel, im Salzkammergut, in der Weststeiermark, im Zillertal/T, im Südtiroler Passeiertal. Dabei unterscheiden sich die Regional- und Zeitstile nach Besetzung, Repertoire, Melodieführung, rhythmischen Parametern, Mehrstimmigkeit, Spieltechnik und Aufführungspraxis. Bei den Besetzungen steht im Kern meistens das Streichtrio, erweitert um Schwegel (z. B. früher in Tirol), Klarinette (ab ca. 1820), diatonisches Hackbrett (Tirol, Steiermark), diatonische Harmonika (heute fast überall), Volksharfe (Zillertal), Blechbläser (Innviertel). Typisch für die Wiener Schrammelmusik sind 2 Geigen, Schrammelharmonika und Kontragitarre. Alle Musikinstrumente können auch solistisch zum Tanz spielen, bevorzugt jene, die gleichzeitig mit der Melodie auch Bass und Begleitung realisieren können, wie die Volksharfe, die Zither, die Harmonika. Untersuchungen zum Ländler haben ergeben, dass die musikalische Differenzierung in die Untergattungen Landler, Steirischer und Schleuniger bereits um 1760 eingesetzt hat. In rhythmischer Hinsicht ist besonders der zwischen ungeradem und geradem Takt schwebende Rhythmus beim Innviertler Landler bemerkenswert, der beim Salzkammergut-Landler zu einem vollkommen geraden Takt geworden ist, sowie die freirhythmische Führung beim Wiener Tanz (zu dem nicht getanzt wird!), der auch durch die Verwendung chromatischer Fortschreitungen und harmonischer Nebenstufen am Übergang zur Kunstmusik steht. Wichtige rhythmische Elemente sind zudem das Takttreten der Musikanten sowie das Paschen, Schnalzen, Trestern und Platteln der Tänzer. Die besondere Spieltechnik der Ländlergeiger wurde bereits von frühen Beobachtern bemerkt, wie z. B. von F. Knaffl, der den eigentümlichen Strich, die besondere Applikatur und die ungewöhnlichen Bindungen hervorhebt. Einiges von diesen typischen Musizierstilen kann noch heute beobachtet werden. Zur Charakteristik des bäuerlichen Geigenspiels im Zillertal gehört das Repertoire, das hauptsächlich aus Tanzln, Walzern, Polkas, Boarischen (Bayrisch-Polka) und Mazurken besteht; die wesentliche Eigenart der Spielweise als „non legato in einem Bogen“, sowie in der Mehrstimmigkeit die Eigenständigkeit der 2. Stimme und ihr Abspringen am Schluss der Kadenz in die Quinte des Schlussakkords. Spieltechnische Besonderheiten weisen neben der Geige auch insbesondere die Volksharfe, das Hackbrett und die Harmonika auf; eine eigene volksmusikalische Stimmung, die „Zigeunerstimmung“ wurde beim volksmäßigen Gitarrespiel angewendet.

Viele Lebensbilder von Musikanten vermitteln Ausschnitte aus der Geschichte der österreichischen Tanzmusik, wie z. B. jene über den Ischler Salzamtsschreiber Johann Michael Schmalnauer (1771–1845), den Ausseer Tanzgeiger German Roittner, über den Gailtaler Bauernmusiker Wilhelm Viertler (1855–1933), über Franz Grasl, den letzten Harfenisten des Tullnerfeldes, die Innviertler Musikantenfamilie Geisberger aus Gilgenberg/OÖ, die Mooskirchner Altsteirermusik, die 1978 sogar mit dem Europapreis für Volkskunst ausgezeichnet worden ist, den Traunviertler Komponisten und Tanzmusikanten Johann Holzinger, den „Geiger-Heini“ aus Wien, Josef Steidl (1864–1945) aus Innervillgraten/T, den Ennstaler Musikanten Alois Schupfer, den Maurer, Spielmann und Kapellmeister in Maria Neustift/OÖ Dominik Obermüller, die Original Ertler Saugeigenmusik aus dem Waldviertel, den Bergmeister Leopold Khals u. v. a. Dem Ischler Bergmeister und Musikanten Alois Blamberger, Mitglied der Simon-Geigenmusi, ist 1982 sogar eine eigene Festschrift gewidmet worden. Gegenwärtig (2006) lassen Projekte zur Dokumentation traditioneller Musik zunehmend einen großen Stilpluralismus erkennen, der das Landschaftstypische mehr und mehr verschwimmen lässt, was sowohl mit der allgegenwärtigen V.-Pflege, wie auch mit der volkstümlichen Kommerzmusik zusammenhängt.

Abgesehen von der Tanzmusik gibt es eine traditionelle Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik, die ebenfalls zur V. gerechnet wird. Dazu gehören Kinderinstrumente und Lärminstrumente, die brauchmäßig eingesetzt werden, wie Glocken, Peitschen und Böller, und insbesondere die im Karwochenbrauch verwendete Ratsche, sowie Signalinstrumente wie Tierhörner, Post- und Jagdhörner. Dazu gehört auch die Hausmusik zur eigenen Unterhaltung, die wohl in erster Linie eine bürgerliche Angelegenheit war, aber mit fließenden Übergängen zur bäuerlichen Musik, wie beispielsweise die um 1800 entstandene Ausseer Gitarretabulatur mit ihrem Nebeneinander von kunstvoll gestalteter und volkstümlicher Musik zeigt. Dazu gehört auch die Musik von Schwegel und Trommel, die ja nicht nur militärische Funktion hatte, sondern auch die Fronleichnamsprozession mitgestaltete, wo sie später von der Türkischen Musik und von der Blasmusik ersetzt wurde und bis heute mit dem Schützenwesen verbunden ist. Die Schwegel wird dabei unabhängig von der Trommel auch zum Blasen von Jodlern und Weisen verwendet. Das Vortragen langsamer Weisen ist auch die Funktion des Alphorns, einstimmig oder mehrstimmig in Gruppen, oder von Blechblasinstrumenten, sei es beim Turmblasen in der Weihnachtszeit oder beim Brautblasen bei der Hochzeit. „Aufzüge“ oder die an gewissen Feiertagen geblasene Fanfare der Stadt Hall/T sind ein Nachleben der Musik der Thurner. Rund um die Hochzeit gibt es – abgesehen von der Tanzmusik – mehrere traditionelle Musikfunktionen: den Marsch auf dem Weg zur Kirche und von der Kirche zum Gasthaus, die Musik zum Vorziehen, die Tafelmusik, das „Übers Kraut Geigen“, den Tusch. Musik als ehrendes Ständchen erklingt darüberhinaus beim Neujahrblasen und beim Maiblasen und in parodistischer Form als Katzenmusik. Prozessionsmusik war zwar meist komponierte Musik, hat aber durch ihren volkstümlichen Charakter sicher auch die schriftlose Überlieferung beeinflusst, wie jene Kompositionen für 2 Clarini um 1675 aus dem Besitz des Fürsten Esterházy. Dasselbe gilt allgemein für die Kirchenmusik, die immer wieder äußerst volkstümliche Gattungen hervorgebracht hat, wie z. B. die Pastorelle oder das „Flügelhorn-Tantum ergo“ ländlicher Kleinmeister aus vorcäcilianischer Zeit (Cäcilianismus), v. a. von Dorfschullehrern und Dorfkapellmeistern für Chor und Orchester. Einige davon sind bis heute überliefert, weil sie eng mit dem kirchlichen Festbrauch verbunden sind.


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Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Volksmusik‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e5d6
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10.1553/0x0001e5d6
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