Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Toskana
Historisches Großherzogtum (Hauptstadt Florenz) in Mittelitalien, ab 1737 lothringisch, 1765–1860 habsburgisch-lothringische Sekundogenitur; seit 1861 Teil (Region) Italiens.Im Mittelalter wurde Turscia (das antike Etrurien) nach Herrschaft der Ostgoten und Byzantiner ab 568 unter den Langobarden zum Herzogtum (Hauptstadt: Lucca/I), ab 774 stand es unter der Herrschaft der Franken. Im 11. Jh. eroberten die Grafen von Canossa als Markgrafen von Tuscien fast die gesamte T. Mit dem Aufstieg von Florenz ab dem 13. Jh. entstand ein neues wirtschaftliches wie politisches Zentrum in der T. (1406 Niederwerfung von Pisa/I, 1555 von Siena/I) – Lucca und der Hafen Livorno/I behielten vorerst noch ihre Unabhängigkeit. 1537 wurde Cosimo I. Medici von K. Karl V. zum Hzg. ernannt, 1569 die T. durch Papst Pius V. zum Großherzogtum erhoben. Der Hof der Medici wurde in der Folge zu einem kulturellen Zentrum Italiens, wobei die Dynastie es verstand, sich mit allen europäischen Herrscherhäusern zu verschwägern (was wiederum den Kulturtransfer förderte). Musikalisches Zentrum blieb Florenz, wenngleich Pisa und Siena v. a. auf dem Gebiet der Kirchenmusik beachtliche Leistungen erbrachten (v. a. die jeweiligen Domkirchen).

Siena, das ab 1557 Teil des Hzg.tums T. war, verfügte seit dem 13. Jh. über ein reges Musikleben, das einerseits durch die Dommusik, andererseits durch die zünftisch organisierten Stadtmusiker dominiert wurde. Ab dem 16. Jh. wurde eine eigenständige Entwicklung durch die von Florenz ausgehenden und von der Herrscherfamilie gesteuerten kulturellen Impulse reduziert; von Bedeutung blieb die Domkapelle bzw. wurden adelige Dilettanten (Tommasso und Desiderio Pecci, Alessandro Della Ciaia) und die 1525 erstmals erwähnte Accademia degli Intronati aktiv. Erst 1670 fand die erste Opernaufführung in Siena statt (1690 Bau des ersten Theaters). Im 18. und 19. Jh. sank die Bedeutung Sienas noch deutlicher und erlebte erst durch das Mäzenatentum von Guido Chigi Saracini, der 1932 die Accademia Musicale Chigiana gründete (Musikfestival, Kompositionspreis, Stipendien), eine Wiederbelebung. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Musikleben Pisas zu beobachten: Auch in dieser Stadt, die ab 1284 unter der Herrschaft der Medici stand, wurde das Musikleben primär durch die Musik an der Domkirche und der anderen Hauptkirche der Stadt, San Stefano dei Cavalieri, bestritten. Ab dem 17. Jh. traten zahlreiche Akademien hinzu (Accademia dei Lunatici bzw. Pisani Accademici, Accademia dei Ravvivanti), die v. a. als Veranstalter musikdramatischer Darbietungen (Intermezzi, komische Opern, opere serie, opere buffe) hervortraten.

Als zu Beginn des 18. Jh.s das Aussterben der Medici abzusehen war, wurde im Frieden zu Haag/NL 1720 (Spanischer Erbfolgekrieg) dem König von Spanien eine Sekundogenitur in Parma/I, Piacenza/I und der T. versprochen; im Frieden von Wien 1735 wurde dies insofern revidiert, als Lothringen an Stanislaus Leszinski abgetreten wurde und Franz Stephan (Franz I.) mit der in nächster Zeit neu zu belehnenden T. entschädigt werden sollte (auch Parma und Piacenza fielen an Habsburg und wurden zu einer Tertiogenitur); im Gegenzug erhielt Spanien Neapel-Sizilien, wo es eine Sekundogenitur errichtete. 1737–65 war die T. lothringischer Besitz und wurde nach dem Tod K. Franz’ I. 1765 zur habsburgischen Sekundogenitur (unter Pietro Leopoldo/Leopold II.), der die T. zu einem Musterland der Aufklärung machte und es kulturell öffnete. In den napoleonischen Kriegen wurden die Habsburger aus der T. vertrieben (Republik Etrurien) und im Reichsdeputationshauptschluss 1803 mit Salzburg, dem Breisgau/D und Teilen des Bistums Passau entschädigt. Durch den Wiener Kongress erhielten die Habsburger ihre italienischen Besitzungen wieder zurück (nur Parma, Piacenza und Guastalla/I gingen an die zweite Frau Napoleons I., Erzhzg.in Marie Louise, blieben aber somit auch im österreichischen Einflussbereich). 1847 wurde Lucca, die alte Hauptstadt von Tuscien, Teil der T. Im Jänner 1849 kam es im Zuge der Einigungsbewegung, die Kg. Karl Albert von Sardinien-Piemont 1848 losgetreten hatte, zu einem Aufstand in der T., der niedergeschlagen wurde; jedoch schlug ab diesem Zeitpunkt die ohnehin latente Abneigung gegen die Fremdherrschaft zu glühendem Nationalismus und Patriotismus um. Im Frieden von Zürich/CH musste Österreich große Teile seiner oberitalienischen Besitzungen abgeben (mit Ausnahme Venetiens); T., Modena und Parma entschieden sich in einer Volksabstimmung für die Loslösung von Österreich und die Eingliederung in den neuen italienischen Staat unter der Führung des Königshauses Sardinien-Piemont, dessen Hauptstadt 1864–70 Florenz war. Für das Musikleben in den Städten der T. bedeutete die Vereinigung Italiens einerseits eine Reduktion auf Provinzniveau, das nur durch private Eigeninitative (in Siena) verbessert werden konnte, andererseits eine Angleichung an den internationalen Musikbetrieb.


Literatur
dtv-Brockhaus-Lex. 18 (1982); R. A. Kann, Gesch. des Habsburgerreiches 1526–1918, 1990; eigene Forschungen.

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Toskana‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e4d1
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e4d1
ORTE
Orte
LINKS
LOCI - Ortsdatenbank für Musik, Kultur und Geschichte


ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag