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Theaterarchitektur
Baugeschichte der Theater. Erste Theaterbauten auf österreichischem Boden stammen aus der Römerzeit (z. B. in Carnuntum, heute [2006] Petronell-Carnuntum/NÖ), doch wurden diese in der Folge völlig zerstört. Obwohl das Mittelalter eine sehr spielfreudige Zeit war, wurden keine nur diesem Zweck dienenden Bauten errichtet: gespielt wurde auf Holzpodien und -gerüsten (meist im Freien), auf Dekorationswagen bzw. in großen Sälen (bei festlich-repräsentativen Anlässen) oder in Kirchen (geistliches Spiel). Da diese Orte keine Verwandlung des Bühnenbildes im modernen Sinn ermöglichten, wurden von den Spielern entweder die Wagen oder auf einer lang gestreckten Simultanbühne von einem Handlungsort zum nächsten gewechselt. Für die Entwicklung des modernen Theaterbaus war neben einem geänderten Geschmack in der höfischen Repräsentation die Entdeckung der Schriften des römischen Baumeisters Vitruv (88–26 v. Chr.) von Bedeutung. Seine Beschreibung des römischen Theaters im 5. Band seiner De architectura wurde von den Humanisten und Theatertheoretikern der Renaissance und des Frühbarock (Barock) zum Idealtypus und Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Im 15. Jh. wurde vorerst im Freien gespielt (meist in den Höfen der Paläste), wobei die Komödienbühne des Terenz, eine Simultanbühne, Verwendung fand. Bühne wie Zuschauertribüne wurden meist für den Anlass extra aus Holz gezimmert und anschließend wieder abgetragen. Einen Meilenstein in der Geschichte des Theaterbaus stellt die Verlegung des Spiels in einen geschlossenen Raum dar – erstmals 1491 in Ferrara/I (1532 abgebrannt) –, meist verbunden mit dem Einbau einer zunehmend auch mehrmals bespielbaren Bühne; diese Theaterbauten waren in den Palastbau integriert (genutzt wurden oft leerstehende Hallen und Säle). Eines der frühesten und bis heute erhaltenen Beispiele für eigenständige Th. stellt das Teatro Olimpico in Vicenza/I dar: Sind Zuschauerraum und Vorderbühne noch streng nach dem Vorbild der Antike gestaltet, führte Palladio mit fünf sich perspektivisch verjüngenden Kulissengasse ein neues Element in die Gestaltung des Bühnenbildes ein, das von der Fläche zum (auch bespielbaren) Raum wurde.

Vorbild gebend für die Theaterbauten und Bühnen des Barock wurde ein weiteres italienisches Theater: das Gran Teatro Farnese in Parma/I, 1618/19 durch Giovanni Battista Aleotti im Auftrag von Ranuccio I. Farnese errichtet (im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, wurde das Theater detailgetreu rekonstruiert). Nur wenige Jahre später (1629/30) ließen Erzhzg. Leopold V. und Claudia Felicitas de Medici in Innsbruck die Dogana nach dem Vorbild der italienischen Theaterbauten errichten, den ersten gemauerten Theaterbau jenseits der Alpen (Tiroler Landestheater).

Geschah die Verwandlung des Bühnenbildes seit der 2. Hälfte des 16. Jh.s durch sog. Telari, dreiachsige Prismen, die durch Seilzüge gedreht werden konnten (vorher beherrschte das durch Schieber bewegte flächige Bild die Bühnenarchitektur), so wurden diese im 17. Jh. zunehmend durch aufwändige Kulissen abgelöst, die eine Vertiefung der Perspektive durch die Verschiebung des Fokus hinter die Bühnenrückwand ermöglichten (länger hielten sich die Telari in den Ordenstheatern, deren Theatersäle meist nur geringe Bühnentiefe aufwiesen). Die Kulissen benötigten einerseits eine große Bühnentiefe, um entsprechende perspektivische Wirkung zu erzielen, andererseits – um den dafür nötigen Schnürboden unterzubringen – ein entsprechend hohes Bühnenhaus; Bühnenmaschinen (auch in der Unterbühne) ermöglichten Spezialeffekte und rasche Verwandlungen. Erstmals in der Geschichte der Th. wird im Gran Teatro Farnese ein Prospekt (Proscenium) verwendet, der nicht nur den Übergang von Zuschauerraum auf die Bühne und die Kulissen kaschierte, sondern auch Realität und Illusion voneinander trennte.

Um den Forderungen des Publikums nach besseren Sichtbedingungen bzw. nach mehr Bequemlichkeit Rechnung zu tragen, wurde einerseits das fächerförmige Halbrund des antiken Theaters nach hinten zu einer Halbkreis- bzw. Hufeisenform verlängert (dadurch kam die Perspektive des Bühnenbildes auch besser zur Geltung), andererseits wurden Galerien errichtet; diese waren anfangs offen (palchi), wurden aber bald durch Wände in Logen eingeteilt (das 1639 in Venedig errichtete Teatro S. Cassiano hatte z. B. drei senkrecht übereinander liegende Logenränge). In Italien und dem unter seinem Einfluss stehenden Raum (d. h. auch für Österreich) wurden die Logen zu kleinen Zimmern mit abschließbaren Türen, die auch gegen den Zuschauerraum durch einen Vorhang bzw. eine Art Fensterladen geschlossen werden konnten; in Frankreich hingegen und später auch in Deutschland wurde diese Entwicklung zurückgenommen und die Logen nur durch halbhohe Trennwände geteilt. Während sich Bühnenhaus und Bühnenbild zwischen höfischen und öffentlichen Theatern des Barock kaum unterschieden, war die soziale Rangordnung der Plätze im Zuschauerraum gegensätzlich: Im höfischen Theater war das Parterre der vornehmste Platz, wobei die Rangordnung auf der Bühne mit dem Prospekt als Achse im Auditorium gespiegelt wurde: in der Mitte saß der Herrscher, neben und hinter ihm nach Rangordnung der engere Hof und hochgestellte Gäste; alle anderen hatten mit Logen vorlieb zu nehmen, wobei der unterste Rang der bessere war (für die Habsburgerhöfe galt diese Sitzordnung im Theater bis zum Ende der Regierungszeit K. Karls VI.; erst Franz I. hat unter italienischem wie französischem Einfluss die ranghöchsten Sitzplätze in die Mittelloge des ersten Ranges verlegt). Im öffentlichen Theater hingegen galten die Logen als die besten Plätze, welche pro Stagione gemietet werden konnten (als Zeichen erhielt der Logeninhaber den Schlüssel zu „seiner“ Loge); der „Pöbel“ drängte sich auf den billigen Plätzen (Stehplätze bzw. einfache Bänke) im Parterre.

Der Wiener Hof trat erst sehr spät als Bauherr von Theatern auf, beliebt waren hingegen Freiluftaufführungen (z. B. in der alten bzw. neuen Favorita, in Laxenburg). Der erste eigenständige Theaterbau, das Komödienhaus auf der Cortina, war ein Holzbau, der zwar innen aufwändig dekoriert, außen jedoch einer besseren Scheune glich; aufgrund der hohen Brandlast musste das Theater 1683 zu Beginn der Zweiten Wiener Türkenbelagerung abgetragen werden. Erst unter Joseph I. kam es mit der Errichtung des Kärntnertortheaters und des großen Hoftheaters auf dem heutigen Josefsplatz (Redoutensäle) zu ersten gemauerten Theaterbauten in Wien. Während das Kärntnertortheater (zwar abgebrannt und mehrfach umgebaut) bis zur Schleifung der Stadtmauern Mitte des 19. Jh.s Bestand hatte, wurde das große Hoftheater unter Maria Theresia in die Redoutensäle umgebaut und statt dessen das Ballhaus auf dem Michaelerplatz zu einem Theater umgebaut (Altes Burgtheater; s. Abb.); auch in Schönbrunn errichtete Maria Theresia einen eigenständigen Theaterbau (Schönbrunner Schlosstheater). Zusätzlich gab es in den größeren Städten seit dem frühen 18. Jh. öffentliche Theaterbauten, die von Wandertruppen bespielt wurden, jedoch nicht an die Größe und Pracht der höfischen Theaterbauten herankamen (z. B. Theater auf dem Tummelplatz in Graz, Freihaustheater in Wien). Im 18. Jh. wurde es auch unter Adeligen Mode, Theater zu errichten (z. B. Fürsten Esterházy in Eszterháza, Questenberg in Jarmeritz [Jaroměřice nad Rokytnou/CZ], Sporck in Prag, Schwarzenberg in Krumau [Český Krumlov/CZ]).

Mit dem Wandel des Theaters von einer höfischen Institution zu einem Bildungsinstitut für die Untertanen änderte sich der Zuschauerraum und die Verteilung der Plätze: Der Adel zog sich in die Logen zurück, das Bürgertum eroberte auf den sog. Sperrsitzen (für die man nach Zahlung des Abonnementpreises einen Schlüssel erhielt; heute noch erhalten im Stadttheater Grein/OÖ) das Parterre; die billigsten Plätze befanden sich auf den Galerien über den Logenrängen bzw. hinter den Sitzen im Parterre (Stehparterre). Waren die Theaterbauten bis in das 18. Jh. von außen kaum als solche zu erkennen (am ehesten noch am deutlich höheren Bühnenturm, nicht jedoch aufgrund prächtiger Eingänge), forderte die bürgerliche Repräsentation eine nach außen erkennbare Th., die auch in den Nebenräumen das Theater als Schaubühne bürgerlicher Eitelkeit nutzbar machte (das höfische Theater musste diese Funktion nicht erfüllen, da dafür der Palast zur Verfügung stand). In Deutschland wurde diese Entwicklung durch Karl Friedrich Schinkel initiiert und in der Folge von Gottfried Semper getragen (Semper entwickelte u. a. auch die Grundkonzeption des Bayreuther Festspielhauses, das durch Otto Brückwald realisiert wurde). Neu war ein amphitheaterartig angeordnetes Auditorium im Parterre, die Versenkung des Orchesters (mit teilweiser Abdeckung) und die Abdunklung des Zuschauerraumes während der Vorstellung (dies wurde durch die Beleuchtung mit Gas möglich).

In der 2. Hälfte des 19. Jh.s kam es zu einer Vielzahl an Theaterneubauten im Bereich der Habsburgermonarchie, wobei das Bürgertum (bürgerliche Musikkultur) bzw. die Kommunen als Trägerinstitutionen auftraten. Dominierend für den gesamten Raum wurden die Bauten des Architekturbüros Fellner und Helmer in Wien, die, basierend auf mehreren Prototypen, in historistischem Stil ihre Gebäude errichteten: Das Theatergebäude gliederte sich in vier Hauptbereiche: den hohen Zuschauerraum mit niedrigen (repräsentativen) Nebenräumen, den hohen Bühnenturm und den niedrigen Bühnennebenräumen. Der Ringtheaterbrand 1881 hatte mit der österreichischen Verfügung vom 1.7.1881 erstmals gesetzlich verankerte Sicherheitsauflagen für Theater vorgeschrieben (bis heute zählt das Gesetz weltweit zu den strengsten), was auch in der Th. ihren Niederschlag fand: in breiten Haupttreppen und -türen, zahlreichen Nebenstiegen (v. a. als gesonderte Fluchtwege für Logen und Galerie), geteilten Sitzreihen im Parterre, zwingend vorgeschrebener Notbeleuchtung und dem eisernen Vorhang, der das Bühnenhaus vom Zuschauerraum trennt. Als bühnentechnische Neuerung wurde 1882 der hydraulische Bühnenantrieb und die elektrische Beleuchtung eingeführt, auf dem Gebiet des Bühnenbildes Rundhorizont und Bühnenhimmel. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele Theater zerstört worden waren, kam es zu keinen wesentlichen Neuerungen auf dem Gebiet der Th. in Österreich; viele der Theater wurden gemäß dem historischen Vorbild wieder aufgebaut bzw. sanft modernisiert, ohne jedoch das Grundkonzept zu ändern (z. B. Wiener Staatsoper, Festspielhaus in Salzburg).


Literatur
[Kat.] Fellner & Helmer. Die Architekten der Illusion. Theaterbau u. Bühnenbild in Europa 1999; NGroveDO 4 (1992) [Theatre architecture]; A. Sommer-Mathis in J. J. Berns/Th. Rahn (Hg.), Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter u. früher Neuzeit 1995; eigene Recherchen.

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Letzte inhaltliche Änderung
16.2.2023
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Theaterarchitektur‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.2.2023, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e46d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Wien, Altes Burgtheater, Blick gegen die offene Bühne (1888)© ÖNB
© ÖNB
Wiener Bilder, 4.10.1911, 23© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x0001e46d
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