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Tagelied
Liedtyp der mittelhochdeutschen Liebeslyrik (Minnesang), die den Abschied der Liebenden am Morgen zum Thema hat. Die Thematik erscheint in vielen Literaturen, so in der lateinischen Liebeslyrik (z. B. Ovid), in der arabischen und mit Einfluss auf die deutschen Dichter in der romanischen Lyrik. Bei den Trobadors werden die Lieder nach dem Refrain Alba (Morgengrauen) genannt. Auch die christlichen Morgenhymnen (Ambrosius; Hymnus) kennen den Tagesherold (Stern).

Im mittelhochdeutschen T. seit dem 12. Jh. mahnt meist der Wächter auf der Burg den Ritter, die geheim besuchte höfische Dame zu verlassen. Als Autoren sind in dieser frühen Zeit des Minnesangs Heinrich von Morungen, Friedrich von Hausen und Reimar der Alte zu nennen, die die romanischen Lieder gekannt haben. Einen ersten Höhepunkt bildete Wolfram von Eschenbach mit seinen gewaltigen Bildern des heraufziehenden Morgens („das Tagungeheuer schlägt seine Klauen durch die Wolken“). Er setzt in einem Lied dem Liedtyp ein Ende, indem der Mann von seiner Ehefrau eben trotz des „gewaltigen Morgens“ nicht scheiden muss.

Nach 1200 verbreitet sich dieser Liedtyp bis ins späte Mittelalter mit reichen Varianten: Walther von der Vogelweide, Ulrich von Liechtenstein, das geistliche T., die T.- Parodie (Knecht und Magd nach dem Nachmittagsschlaf beim Mönch von Salzburg und bei Oswald von Wolkenstein). Auch noch in den sog. Liederbüchern des 15. und 16. Jh.s finden wir solche Lieder.


Literatur
M. Backes, T.er des dt. Mittelalters. Mittelhochdt./Neuhochdt. 1992.

Autor*innen
Franz Viktor Spechtler
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Franz Viktor Spechtler, Art. „Tagelied‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e42b
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.