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Sternsingen
Ein Ansingebrauch der Weihnachtszeit, bei dem Singgruppen oder einzelne Sänger zu den Häusern gehen, dem Brauch entsprechende Lieder singen und dafür Gaben empfangen. Haupttermin ist der 6. Jänner, der im christlichen Jahreslauf der Verehrung der Heiligen Drei Könige gewidmet ist, deren Reliquien von K.in Helena im Heiligen Land aufgefunden und von dort zuerst nach Mailand und 1164 nach Köln/D gebracht worden sind. Um 1550 häufen sich in katholischen Ländern die Hinweise auf diesen Brauch, bei dem das ältere Neujahrssingen im Zuge der Gegenreformation mit dem Dreikönigsfest verknüpft und der auf einer Stange mitgeführte Stern zum typischen (und daher Namen gebenden) Attribut wurde. Träger des Brauches waren damals in Städten und Märkten Studenten und Schüler, die auf diese Weise einen Teil ihres Lebensunterhaltes verdienten; auf dem Land auch Kirchensänger, die durch die Gaben der Hausleute für die kostenlose musikalische Gottesdienstgestaltung während des ganzen Jahres belohnt wurden. Die Lieder, die großteils von Ordensgeistlichen stammen dürften, wurden seit der 2. Hälfte des 16. Jh.s auf Flugblättern verbreitet. Die meisten Sternsingerbräuche enthalten spielhafte Elemente: Maskierung der drei Königsdarsteller, gesprochene Passagen zwischen den Liedern, abwechselndes Drehen und Anhalten des Sternes in Übereinstimmung mit dem Liedtext u. a. Typisch für das St. (Kinigsingen, koledovanje, kraljevanje) der Burschen und Knaben bei Deutschen und Slowenen in Südkärnten ist die Bekleidung der Könige mit weißen Chorhemden und roten oder weißen Kappen sowie ihre Ausstattung mit Säbeln. Manche Altformen haben sich bis heute erhalten, so z. B. in Kärnten (mit einer besonders reichen Liedüberlieferung in Heiligenblut), in Tirol, in Salzburg, im Salzkammergut. In Deutsch-Mokra in der Karpato-Ukraine konnte eine Altform dokumentiert werden, die im 18. Jh. von den Auswanderern aus dem Salzkammergut dorthin gebracht worden ist. Im Lauf der Geschichte ist der Brauch immer wieder zum Bettelbrauch abgesunken, hat Anlass zu Streit gegeben und ist oftmals verboten worden, aber nie ganz versiegt. In Österreich wurde er 1955 von der Katholischen Jungschar aufgegriffen, um für Missionsprojekte zu sammeln, und wird seither von Kindern unter Begleitung von Geistlichen oder Pfarrhelfern durchgeführt. 2005 hat die Katholische Jungschar Österreichs mit 90.000 Königinnen und Königen 15,43 Millionen Euro für Projekte in der Dritten Welt ersungen.
Literatur
(Alphabetisch:) G. Anderluh in Die Kärntner Landsmannschaft, H. 12 u. 2004, H. 1; G. Anderluh in JbÖVw 51 (2002); A. Brückner in Jb. f. Volkskunde, N. F. 22 (1999); W. Deutsch in Sänger- u. Musikantenzeitung 22/6 (1979); J. Gartner in JbÖVw 9 (1960); J. Gartner, Heiligenbluter St.-Lieder 1965; J. Gartner in Die Kärntner Landsmannschaft 1965, Nr. 3; G. Haid in G. Haid/H. Haid (Hg.), Alpenbräuche. Riten u. Traditionen in den Alpen 1994, 71–98; Beiträge v. G. Haid, D.-R. Moser u. H. Wolz in R. Morelli (Hg.), [Kgr.-Ber.] „Dolce felice notte...“. I Sacri canti di Giovanni Battista Michi (Tesero, 1651–1690) e i canti di questua natalizio-epifanici nell’arco alpino, dal Concilio di Trento alla tradizione orale contemporanea. Tesero 1999, 2001; G. Haid in Th. Nußbaumer (Hg.), Musik im Brauch der Alpenländer 2001; G. Anderluh (Hg.), Heiligenbluter St.-Lieder. Aufzeichnungen von Hausa Schmidl eingerichtet u. bearb. v. A. Anderluh 1991; K. Ikonomu, Das Liederbuch des Mathäus Trojer 1896. St.-Lieder aus Heiligenblut. Ein Vergleich zum heutigen Repertoire, Dipl.arb. Wien 2000; K. M. Klier, Altartige Neujahrslieder 1939; F. Koschier, Heiligenbluter St.-Lieder, 2 H.e 1965; Beiträge v. F. Koschier, O. Moser u. H. Schmidl in Lied u. Brauch. Aus der Kärntner Volksliedarbeit u. Brauchforschung 1956; J. Künzig, Kleine volkskundliche Beiträge aus fünf Jahrzehnten 1972, 411–426; E. Logar u. R. Morelli in G. Haid (Hg.), Kärnten und seine Nachbarn 2000; R. Morelli in W. Deutsch/G. Haid (Hg.), Beiträge zur musikalischen Volkskultur in Südtirol 1997; D.-R. Moser in Forschungen u. Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg 1971–1973, 1973; D.-R. Moser, Bräuche u. Feste im christlichen Jahreslauf. Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen 1993; H. Moser, Volksbräuche im geschichtlichen Wandel 1985, 58–97; O. Moser in JbÖVw 6 (1957); G. Pöllitsch in JbÖVw 28 (1979).

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Sternsingen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e373
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e373
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