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Schelle
Geschmiedete Klöppelglocke, also ein aus Metallblech gefertigter, unten offener Hohlkörper mit eingehängtem Klöppel für die Tonerzeugung. Ein Henkel dient zum Durchziehen eines Riemens oder Halsreifens, mit dem die Sch. z. B. als „Weideglocke“ am Hals eines Tieres angebracht werden kann, was ihr ursprünglicher Zweck ist (Lärmgeräte). Landläufig unterscheidet man – besonders in Westösterreich – die geschmiedeten Sch.n von den gegossenen Glocken, doch ist der Sprachgebrauch regional unterschiedlich und inkonsequent. Darüber hinaus bezeichnet man auch die kugelförmigen Glöckchen, wie man sie z. B. vom Schlittengeläut kennt, als Sch.n (meist „Roll-Sch.n“). Man findet sie seit dem Mittelalter auf Narrengewändern und sie hängen auch auf dem „Schellenbaum“, dem „Glöcklhut“, der ehemals als Wahrzeichen von Regimentsmusiken mitgeführt wurde. Die ältesten bekannten Sch.n Österreichs stammen aus der Römerzeit (Austria Romana). Die eisernen Klangkörper wurden damals verkupfert, um die Rostbildung zu verhindern. Vor den eisernen Glocken könnten hölzerne im Gebrauch gewesen sein, wie sie lange noch beim Almabtrieb für den Stier verwendet wurden (angeblich, weil der Stier von einer klingenden Sch. zu sehr erregt würde; nach Schmidt aber eher als Rückgriff auf ältere Verhältnisse zu verstehen). Heute werden geschmiedete Sch.n noch im Tiroler Oberland erzeugt. Dabei werden Stahlplatten zugeschnitten, in der Esse glühend gemacht, mit dem Hammer in Form gebracht, zusammengenietet, mit gezielten Hammerschlägen gestimmt und „vermessingt“. Nach der Form unterscheidet man zwischen Breit-Sch.n (mit der Sonderform „Froschmaul-Sch.“), Flach-Sch.n, Keil-Sch.n, Rund-Sch.n und Hoch-Sch.n oder auch zwischen gewölbten Sch.n, Rund-Sch.n, trapezförmigen und rechteckigen Sch.n. Sie wiegen zwischen 25 dkg und 8 kg und werden nicht nur in Österreich, sondern vorwiegend auch in die Ost-Schweiz verkauft, wo die größten Exemplare für die prunkvollen Alpaufzüge und beim Sch.n-Schütten (Geläute als Begleitung zum Jodeln) verwendet werden, wobei in aller Regel drei Sch.n in der Tonhöhe aufeinander abgestimmt sind. Außer in der Viehhaltung sind die Sch.n wichtige Requisiten für manche Bräuche, so bei den großen Tiroler Fasnachten (Fasching), wo die Figuren der „Scheller“ und „Roller“ Sch.n um den Leib gebunden tragen, die sie durch ihre Sprünge zum Klingen bringen, was auch für das Glöcklerlaufen im Salzkammergut gilt. Viele herbstliche und winterliche Umzugsgestalten führen Sch.n als Attribute mit sich. Das ist der Fall bei den nächtlichen Lärmumzügen um Martini (Kasmandlfahren im Lungau/Sb, Alpererfahren im Pinzgau/Sb und im angrenzenden Nordtirol; Martinslied) sowie bei verschiedenen Advent-, Neujahrs- und Dreikönigsbräuchen (so z. B. bei den Glöckelkindern und Perigln in Bad Aussee). Im Frühjahr markiert das Grasausläuten der Schulbuben mit Sch.n, Glocken und Peitschenknallen (Tirol, Salzburg) die Zeit des Viehaustriebs und des Weidebeginns.
Literatur
Lit (alphabet.): B. Bachmann-Geiser, Die Volksmusikinstrumente der Schweiz 1981; B. Bachmann-Geiser in W. Deutsch (Hg.), Der Bordun in der europäischen Volksmusik 1981; W. Deutsch/M. Walcher in JbÖVw 39/40 (1991); W. Deutsch/M. Walcher, [Kat.] Slg. der Musikinstrumente des Österr. Museums f. Volkskunde. Idiophone und Membranophone 2004; A. Dörrer in Rheinisches Jb. f. Volkskunde 5 (1954); E. Egg in M. Schneider (Hg.), [Fs.] K. Horak 1980; B. Geiser in Studia instrumentorum musicae popularis 5 (1977); K. Hörmann in Hessische Bll. f. Volkskunde 12 (1913) u. 13 (1914); K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956; F. Mandl in F. Mandl (Hg.), Alpen, Archäologie, Felsbildforschung 2000; L. Schmidt, Volksmusik. Zeugnisse ländlichen Musizierens 1974; M. Schneider in Der Schlern 51 (1977); M. Schneider in W. Deutsch/M. Schneider (Hg.), Beiträge zur Volksmusik in Tirol 1978; M. Schneider in Tiroler Heimatbll. 1977; B. Hörmann/R. Daub, [Kat.] Tierschellen und Tierglocken aus aller Welt. Die Slg. Daub, Ulm. Schriftenreihe des dt. Hirtenmuseums Hersbruck 5 (1993); R. Wolfram in Österr. Volkskundeatlas 6/2 (1979); www.musikland-tirol.at (5/2005).

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.6.2005
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Schelle‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.6.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e0a3
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