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Scheibenschlagen
Brauch, bei gewissen Jahresfeuern, besonders am 1. Sonntag in der Fastenzeit („Funkensonntag“), aber auch zu Ostern, zu Johannis, zu Peter und Paul, auf einer Anhöhe in der Nähe des Ortes eigens für diesen Zweck angefertigte Holzscheiben auf einen Schwingstock zu stecken, im Feuer glühend zu machen und mit Hilfe einer kleinen Holzbank abzuschlagen, sodass sie weit durch die Luft fliegen. Dazu werden Sprüche gerufen, die im Ort hörbar und immer für namentlich genannte Personen bestimmt sind, als Ehre oder Spott oder – vorzugsweise – um heimliche Liebschaften aufzudecken. Ausführende sind die Burschen, die Jugend oder die Schulkinder, heute (2005) auch Vereine; der Brauch ist oder war in Südwestdeutschland, in der Schweiz, in Teilen Westösterreichs (Vorarlberg, Tirol, Gailtal/K, Lungau/Sb), in einigen an Kärnten angrenzenden Gebieten Friauls und Sloweniens, in der Gottschee, in Südtirol und im Trentin („Tratomarzo“), dort auch in einigen deutschen Sprachinseln, sowie vereinzelt in Ungarn verbreitet. Er wurde im Lauf der Geschichte von der Geistlichkeit wegen seiner heidnischen Wurzeln („Sonnenkult“) und der sittenwidrigen Auswüchse, und zur Zeit der Aufklärung auch von der weltlichen Obrigkeit wegen der Brandgefahr bekämpft, oft vergeblich. 1885 gibt es die Nachricht von einem Kapuzinerpater, der in Brentonico, Trentino/I als Fastenprediger angestellt war und seiner Gemeinde den Segen verweigerte, weil er sich durch den Unfug des Tratomarzo-Singens, wo sogar ihm eine Gefährtin zugeteilt worden war, schwer beleidigt fühlte. Als älteste Quelle für das Sch. wird der durch eine brennende Scheibe ausgelöste Brand des Klosters Lorsch/Hessen am 21.3.1090 gewertet.
Literatur
G. Haid in K. Drexl/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols 2 (2004); R. Johler, Die Formierung eines Brauches. Der Funken- und Holepfannsonntag. Studien aus Vorarlberg, Liechtenstein, Tirol, Südtirol und dem Trentino 2000; R. Morelli in Th. Nußbaumer/J. Sulz (Hg.), Musik im Brauch der Alpenländer 2001; R. Beitl (Hg.), Wörterbuch der dt. Volkskunde 21955; R. Wolfram in Österr. Volkskundeatlas 3.–4. Lieferung (1968–71).

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Scheibenschlagen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e096
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.