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Piaristen
Ein 1597 in Rom von dem spanischen Geistlichen Joseph Calasanz gegründeter und 1622 von Papst Gregor XV. kirchenrechtlich anerkannter, der Wissenschaft und Kunst stets eng verbunden gewesener Schulorden. Der deutsche Name P. ist eine Verballhornung aus „Ordo Scholarum Piarum“. Seit der Gründung des Kollegiums in Horn ist er in Wien und Niederösterreich (früher auch Oberösterreich und Steiermark) tätig. Von den Jesuiten unterschied er sich bis zur Reglementierung des Unterrichts mit der Maria-Theresianischen Schulreform durch die Führung von höheren und niederen Schulen, die weitgehende Verwendung der deutschen Sprache im Unterricht (wie im Schultheater [Schuldrama]), eine stärkere Betonung der Naturwissenschaften und eine stärkere Berücksichtigung der Musik im pädagogischen und didaktischen Konzept. Eher vergleichbar mit den P. war das benediktinische Schulkonzept, doch haben auch diese keine niederen Schulen geführt. Das ursprünglich gegenreformatorische, dann aber beibehaltene Grundprinzip der P. war, dass das durchwegs mit Musik verbundene Schultheater und eine hoch stehende, auch para- und außerliturgische, Kirchenmusikpflege die Bevölkerung an die Kirchen und Kollegien (Ordenshäuser und Schulen) der P. stärker binden sollte.

Im 17. und 18. Jh. waren die Ordensmitglieder in den üblichen Schulfächern, aber auch als Musiklehrer im Unterricht tätig. In den von ihnen betreuten Kirchen stellten sie den Organisten und Regens chori aus eigenen Reihen. Gemeinsam mit Schülern und besoldeten Berufsmusikern sorgten sie für eine intensive Musikpflege in Kirche, Kloster und Schule. Dort war das Schultheater wegen der meist verwendeten deutschen Texte ein viel zu wenig beachteter Vorläufer des deutschen Singspiels. Am bedeutendsten und hoch stehendsten waren die musikalischen Ambitionen in den Kollegien Horn und Maria Treu (Wien VIII). Im ersten nördlich der Alpen gegründeten P.-Kollegium in Nikolsburg (Mikulov/CZ) wurde regelmäßig und in bemerkenswertem Umfang Musik aus Italien bezogen. Welche Bedeutung dies für die Kenntnis der Musik des italienischen Frühbarock (Barock) in der 1. Hälfte des 17. Jh.s auch in Österreich hatte, wurde noch nicht untersucht (2004).

Unter den in Österreich musikalisch tätigen Ordensmitgliedern gab es immer wieder auch Komponisten von überregionaler Ausstrahlung. Erwähnt seien nur die Patres Remigius Maschat (1692–1747), S. Kalaus und S. Müller; während Maschat und Kalaus auch böhmischen und mährischen Kollegien angehört haben – der P.-Orden kennt keine stabilitas loci –, hat S. Müller ausschließlich in Österreich, vornehmlich in Wien, gewirkt.

Der Orden suchte und sucht auch immer wieder, wichtige zeitgenössische Komponisten mit Funktionen an sich zu binden oder ihnen ein Forum zu geben. Im 18. Jh. lässt sich dies u. a. für J. G. Albrechtsberger, A. Caldara, C. Ditters v. Dittersdorf, K. Frieberth, J. Haydn, Mathias Paumgartner, J. G. Reutter, J. A. Scheibl und J. A. Steffan nachweisen, im 19. Jh. u. a. für J. Herbeck, V. Plachý, H. Rott, Franz Volkert und M. v. Weinzierl und im 20. Jh. für P. Angerer, C. Führich, A. Heiller, Paul Hindemith, G. Lampersberg, K. Rapf u. a. Die Schulen brachten sie mit bedeutenden Komponisten in Kontakt bzw. erlaubten ihnen, bedeutende Musiker als ihre Schüler zu bezeichnen, z. B. W. A. Mozart, C. Mozart, Fr. Schubert, L. v. Matačić, C. Krauss u. a. Heute ist die Kirchenmusik immer noch ein besonderes Anliegen des Ordens, während er in den von ihm geleiteten Volksschulen keine außerordentlichen musikalischen Akzente setzen kann.


Literatur
J. Schaller, Kurze Lebensbeschreibungen jener verstorbenen gelehrten Männer aus dem Orden der Frommen Schulen, die sich [...] besondere Verdienste [...] 1799; A. Horányi, Scriptores Piarum Scholarum Liberaliumque Artium Magistri, 2 Bde. 1808; F. Endl, Ueber die Schul-Dramen und -Komödien der P. 1895; A. Brendler, Das Wirken der P. P. Piaristen seit ihrer Ansiedelung in Wien 1896; Th. Viñas, Index bio-bibliographicus CC.RR.PP. Matris Dei Scholarum Piarum, 3 Bde. 1908–11; L. Picanyol, Brevis conspectus historico-staticus ordinis Scholarum Piarum 1932; G. Winner, Studien zur Gesch. der P. in Österreich, Diss. Wien 1952; O. Biba, Der P.-Orden in Österreich 1975; O. Biba in [Fs.] 250 Jahre Piaristenpfarre Maria Treu 1969; [Fs.] 1965-1990. 25 Jahre Chor der Basilika Maria Treu 1990.

Autor*innen
Otto Biba
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Otto Biba, Art. „Piaristen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dd01
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001dd01
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