Mit der Übernahme des neuen Stils aus Italien (Barock) zu Beginn des 17. Jh.s und den parallel dazu verlaufenden Bestrebungen der Gegenreformation erlebte mit dem Aufkommen des Oratoriums auch die P. eine Wieder- bzw. Neubelebung. Während die Choral-P. (vorwiegend nach der von Rom vorgegebenen Choral-Norm, Konzil von Trient) und auch die seit dem Mittelalter an vielen Orten gepflegten Passionsspiele (Geistliche Spiele) den Evangelientext bzw. das Geschehen vollständig wiedergaben, griff das Fastenoratorium Aspekte der P. heraus und stellte die geistliche Betrachtung und Belehrung in den Vordergrund. Pflegestätte dieser Form waren nicht nur die mit der Gegenreformation beauftragten Orden (v. a. die Jesuiten), sondern auch geistliche und weltliche Höfe (allen voran die Höfe der Habsburger). Ein sehr frühes Beispiel stellt die achtstimmige Matthäus-P. von J. Regnart vom Hof in Innsbruck dar, von der jedoch nur die Incipits überliefert sind. Am Wiener Hof entstand unter Eleonora (Gonzaga) II. mit regelmäßigen Oratorienaufführungen vor dem Heiligen Grab, den sog. Sepolcri, eine Sonderform des Fastenoratoriums. Vollständige Vertonungen des Evangelientextes stellen eher die Ausnahme dar (wie z. B. eine Johannes-P. aus Salzburg 1634); P. Metastasios La passione di Gesù Cristo (1730, Erstvertonung durch A. Caldara) bildet eine „Brücke“ zwischen Sepolcro und P. im engeren Sinn.
Mit dem Ende des Barock und durch den Rationalismus der Aufklärung wurde die P. zunehmend auf ihren eigentlichen Raum im Rahmen der Liturgie der Karwoche reduziert. Die Zahl der musikalischen Neuschaffungen ging ebenfalls deutlich zurück, doch orientierte man sich zunehmend (auch unter dem Einfluss der Händelschen Oratorien) am Wortlaut der Evangelien; L. v. Beethovens Christus am Ölberge bzw. J. Haydns Die sieben Worte unseres Erlösers Jesu Christi am Kreuz (in der Oratorienfassung) seien als Beispiele genannt; Reste barocker Tradition finden sich jedoch bis zum Ende des 18. Jh.s in P.s-Aufführungen an Klöstern und Stiften (z. B. Wilten). Die norddeutsch-protestantische P. hingegen wurde erst gegen Ende des 19. Jh.s in Österreich rezipiert (EA der Matthäus-P. von J. S. Bach 1862 in Wien), sie wurde jedoch rasch, mit den Werken Bachs an der Spitze, im Zuge des ästhetischen Kanons des Bildungsbürgertums zum Synonym der P. schlechthin. Auch Komponisten der jüngeren Zeit orientierten sich, trotz eigenständiger Wege, vorwiegend an der norddeutschen Tradition der P. (z. B. G. v. Einem, Stundenbuch, Hugo Distler, Choral-P. nach den 4 Evangelien, P.en von A. Dawidowicz, R. Schollum etc.).
NGroveD 19 (2001); MGG 10 (1962) u. 7 (1997); Riemann 1967; K. v. Fischer, Die P. 1997; Seifert 1985; Th. Göllner, Die mehrstimmigen liturgischen Lesungen 1969; K. v. Fischer in W. Arlt et al. (Hg.), Gattungen der Musik in Einzeldarstellungen 1973; MGÖ 1–3 (1995).
Elisabeth Th. Hilscher