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Millstatt
Benediktinerstift am gleichnamigen See in Kärnten. Wurde spätestens zw. 1086/88 von Pfalzgraf Aribo († 1102) und seinem Bruder Poto († 1104) gegründet und von St. Paul aus besiedelt (der erste Abt, Gaudentius, stammte aus Hirsau/D), 1221 und um 1290 abgebrannt; 1245 wurde der Abt mit den Pontifikalien ausgestattet. Neben dem Männerkloster bestand von etwa 1188/90 bis zumindest 1450 auch ein kleines Frauenkloster, dessen Kirche dem Hl. Andreas geweiht war, über das aber fast nichts bekannt ist. Bis 1389 hatten die Görzer Grafen, dann die Grafen von Ortenburg bzw. Cilli die Vogtei über das Männerkloster inne, ab 1456 K. Friedrich III. Dieser hob es 1469 auf und wies die Anlagen dem von ihm gegen die Türken gegründeten St. Georgs-Ritterorden (erster Hochmeister war der kaiserliche Küchenmeister Hans Siebenhirter, 1469–1508) zu. Dieser wurde 1479 nach Wiener Neustadt verlegt, mit dem neuen dortigen Bistum vereinigt und durch Erzhzg. Ferdinand (Ferdinand II.) 1598 endgültig aufgehoben (der dritte und letzte Hochmeister, Wolfgang Prantner, war bereits 1541 gestorben). M. beherbergte bis 1773 ein Graz unterstelltes Jesuitenkollegium. Seither dient die Kirche nur mehr als Pfarrkirche.

Bei den weit verstreuten Resten der ehemaligen M.er Bibliothek (heute v. a. in den Univ.sbibliotheken Klagenfurt und Graz [s. Abb.], im Kärntner Landesarchiv, in den Nationalbibliotheken Wien und Budapest sowie in Streubesitz) sind also verschiedene Herkunft und Bestimmungen auseinanderzuhalten. Immerhin sind in gedruckten Katalogen an die 250 Nummern erfasst. Noch aus der Grundausstattung des Klosters dürften ein Benediktionale (LA 6/4, 11. Jh.), ein Martyrologium (LA 6/36, 12. Jh.) und das Fragment einer Riesenbibel (UB Graz Ms. 1703, 11. Jh.) stammen; dazu kommen als älteste zwei Breviere (UB Klagenfurt Perg. 38, ca. 1165; LA 6/7, 12./13. Jh.) und ein Gradual-Fragment (UB Graz Ms. 697, 12. Jh.). Aus M. stammen wohl die berühmte sog. „Klagenfurt-Millstätter Handschrift“ (LA 6/19; zw. 1180/1210), die neben einer Vorauer und Wiener zu den wichtigsten Überlieferungen der früh-mittelhochdeutschen Literatur gehört (vermutlich in Regensburg entstanden, enthält sie acht Reimgedichte, Genesis, Physiologus, Exodus, Vom Recht, Hochzeit, Sündenklage, Paternoster, Auslegung der Siebenzahl, Himmlisches Jerusalem); das M.er Sakramentar (Missale, LA 6/35, 3. Viertel des 12. Jh.s) sowie das M.er Totenbuch (LA 6/36), vielleicht auch einzelne bedeutsame mittelhochdeutsche Text-Fragmente (zum Nibelungenlied, Lanzelot, Iwein, Willehalm, von Neidhart, Frauenlob u. a.). Bereits ab dem späten 12. Jh. besaß M. eine eigene Schreibschule. Von Salzburg (z. B. das Evangeliar UB Graz 805, ca. 1060–80, aus der Umgebung des Kustos Perhtold) und Admont (sog. M.er Psalter ÖNB Cod. 2682, um 1200) abhängig, scheint sie später auch auf Klöster des Friaul (besonders Moggio; vielleicht auch Rosazzo, das bei der Umwandlung in ein Benediktinerkloster um 1090 von M. aus besiedelt worden sein soll) eingewirkt zu haben. Fragmente notierter hochmittelalterlicher Handschriften lassen schließlich eine gewisse Nähe zu oberösterreichischen Benediktinerklöstern (Garsten, Kremsmünster) erkennen; vielleicht hängt Letzteres mit dem bereits im 13. Jh. beginnenden inneren wie äußeren Niedergang der M.er Klöster zusammen.

Aus der Zeit des St. Georgs-Ritterordens stammen das berühmte Siebenhirter-Antiphonar (UB Graz Ms. 1, 1480) und dessen Brevier (ca. 1470, Stockholm). Insgesamt ist, was allerdings nicht besonders verwundert, bisher (2004) über die Musik in M. kaum Näheres bekannt.

Seit 1977 werden in der ehemaligen Stiftskirche im Sommer durch Internationale Musikwochen M. (gegründet durch Franz Nikolasch, der sie bis 1996 auch leitete, dann bis 2001 Gerda Gratzer und seither Orthulf Prunner) Klassik-, Chor-, Orchester- und Jazzkonzerte sowie Kinderproduktionen und Soloabende organisiert.


Literatur
E. Weinzierl-Fischer, Gesch. des Benediktinerklosters M. in Kärnten 1951; M. Mairold in Carinthia I/170 (1980); H. Voss, Studien zur illustrierten Millstätter Genesis 1962; R. Flotzinger in C. Scalon (Hg.), [Kgr.-Ber.] Il monachesimo Benedittino in Friuli in età Patriarcale. Udine-Rosazzo 1999, 2002; F. Nikolasch (Hg.), Studien zur Gesch. von M. in Kärnten 1997 (bes. die Beiträge P. Wind, P. Pascher/J. Gröchenig, St. Engels); [Kat.] Romanische Kunst in Österreich 1964; [Kat.] Friedrich III. Kaiserresidenz Wr. Neustadt 1966; Mitt. Int. Musikwochen.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Millstatt‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d9b0
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
UB Graz Ms.1, Antiphonale des St. Georg-Ritterordens in M., um 1480, fol.357v.© UB Graz
© UB Graz

DOI
10.1553/0x0001d9b0
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