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Mehrerau
Kloster am Bodensee/V. 1086 gründete Graf Ulrich X. von Bregenz in Andelsbuch/V ein Kloster und besiedelte es mit Benediktinermönchen aus Petershausen bei Konstanz/D. Zw. 1090/1100 wurde die Niederlassung an den Bodensee verlegt. Über 700 Jahre prägte der Benediktinerorden die Kulturlandschaft der Region. 1806/07 wurde die Abtei säkularisiert, die Kirche abgetragen, die Bibliothek großteils verbrannt, Inventar und auch die Orgel verkauft. 1854 übernahmen Zisterzienser der aufgehobenen Abtei „Stella Maria“ in Wettingen/CH das Kloster und errichteten eine neue Kirche. 1938 kam es zur Auflösung von Schule und Internat, 1941 zur Aufhebung des Konvents. Erst 1945 konnten die Patres ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die Klosterbibliothek der Zisterzienser enthält bedeutende Drucke und Handschriften. Dem jeweiligen Abt des Klosters steht auf Grund eines Privilegs aus dem 17. Jh. der Rang eines Bischofs zu, er ist Mitglied der Österreichischen Bischofskonferenz. Das Kloster führt heute mehrere moderne wirtschaftliche Betriebe, ein Sanatorium, ein Privatgymnasium mit Internat (Collegium Sancti Bernardi) und ein Schülerheim.

Von der mittelalterlichen Musikpflege im Benediktinerkloster M. zeugen Fragmente musikalisch-liturgischer Handschriften mit Neumen- und Hufnagelnotation, die als Einbandverstärkung bei Rechnungsbüchern Verwendung fanden und im Vorarlberger Landsarchiv aufbewahrt werden. Zwei vollständige liturgische Codices aus dem 15. Jh. befinden sich im Vorarlberger Landesmuseum.

Auf das frühbarocke Musikleben geben uns Quellen nur wenig Hinweise. Der Einfall der Schweden hatte sich verhängnisvoll auf das Klosterleben ausgewirkt, die Zahl der Konventualen war herabgesunken, überaltert, die Disziplin mangelhaft. Unter diesen Umständen ist eine besondere Musikpflege kaum vorstellbar. Prior P. Franciscus Ransberg (1609–70) begann nach dem Dreißigjährigen Krieg das Archiv neu einzurichten, für den Erwerb von Musikalien sorgten seine Nachfolger.

Ab der 2. Hälfte des 17. Jh.s gibt es deutliche Nachrichten zum Musikleben. Vorschriften kann entnommen werden, dass es im Kloster üblich war, an den gewöhnlichen Tagen einstimmig mit Orgelbegleitung zu singen, an den Hochfesten aber „pluribus vocibus“. Ausführende waren Mönche und Knaben. Zu besonderen Anlässen zog man auswärtige Musiker bei. Unter Abt Heinrich IV. Amberg (1614–66) werden Diskantisten und Trompeter mehrmals mit Geldgaben bedacht. Sein Rechnungsbüchlein von 1650–52 verzeichnet auch den Ankauf von Musikalien. Zuständig für den Erwerb und das Binden von Büchern und Musikalien war der Prior P. Ignatius Frey (1620–83). Die Pflege des Chorgesanges oblag P. Anselm Zwicklin (1640–98), später P. Ludwig Leuthin (1652–1727), einem hervorragenden Organisten, der nicht nur im Kloster, sondern auch in der Stadt Bregenz als Praebendarius das Musikleben förderte. Organisten waren u. a. der Regens chori P. Paul Kleiner (1665–1700) aus Bregenz sowie P. Maurus Meges (1683–1711) aus Ochsenhausen/D.

Der kompositorische Nachlass der klostereigenen Komponisten ist seit der Aufhebung verschollen. Zu den zahlreichen Druckwerken des P. Josephus Langenauer (1647–1701) gehört eine Auslegung des Vater Unser und englischen Grußes mit Litanei und Gesängen, Bregenz 1702, 21704. Ob P. Joseph auch als musikalischer Autor der Gesänge gelten kann, ist unklar. Sein Schüler P. Benedikt Müller (1659–1719) aus Uznach/CH soll mehrere Messen, Arien und Motetten geschrieben und darüber hinaus Kompositionen für die Feldkircher und Rottweiler Jesuitendramen geliefert haben. Ein weiterer Schweizer, Fr. Meinrad Staub (1679–99), wird ebenfalls als Komponist von Offertorien und Messen gerühmt. Auch seine Werke sind nicht erhalten.

Nähere Angaben zum musikalischen Repertoire des M.er Konvents liefert ein Bücherverzeichnis des frühen 18. Jh.s. Es handelt sich dabei um ein von P. Apronian Hueber († 1735) für Melk angefertigtes Verzeichnis mit Werken von Ordensangehörigen (S. Erthel, Anton Holzmann, Cajetan Kolberer, Valentin Molitor, Maurus Moser, Leopold Plawenn, Marian Praunsperger, Bernhard Rauchensteiner, Epimachus Roth), um Musikdrucke Süddeutscher und Schweizer Offizinen aus der Zeit von 1613 bis 1712. Angeführt sind fast ausschließlich musikalische Werke für den liturgischen Gebrauch, Gesänge für Messen und Andachten, aber auch Musik für das Schultheater (Schuldrama). Über den Verbleib dieser Bestände gibt es keine Informationen. Zu den letzten Benediktinerkonventualen gehörte P. Meinrad Merkle (1781–1845). Er kam nach der Aufhebung des Klosters als Musiklehrer an das Gymnasium Feldkirch, nach 1812 war er dort Rektor.

Um rege Musikpflege sind seit 1854 die Zisterzienser bemüht. Der Komponist und Musiker P. A. Zwyssig war der erste Musikdirektor und Kantor im neubezogenen Kloster. Unter seinem Nachfolger P. Bernhard Hochstraßer (1814–83) wurde es üblich, an besonderen Festtagen beim Konventamt, unterstützt von Bregenzer Musikern, Instrumentalmessen aufzuführen. 1860 baute Johann Nepomuk Kiene aus Langenargen/D eine Chororgel für die neue Kirche, sie wurde 1880 durch ein neues Instrument des Schwarzacher Orgelbauers A. Behmann ersetzt. 1881 schuf die Firma Gebrüder Mayer aus Feldkirch die Hauptorgel, aus ihrer Werkstätte kam 15 Jahre später auch die neue Chororgel. P. Bernhard Widmann (1867–1934, Prior und Chorregent) setzte sich praktisch und auch theoretisch mit der Choralreform auseinander. Mit seiner Publikation Die neuen Choralbücher des Cistercienserordens (Cist.-Chronik 1905) entsprach er den Bestimmungen von Papst Pius X. Die Tradition des Choralsingens wurde von den nachfolgenden Kantoren erfolgreich fortgesetzt und wird heute (2004) noch gepflegt.

Der Musikunterricht in der von den Zisterziensern geführten, staatlich anerkannten Lehr- und Erziehungsanstalt Collegium S. Bernardi wurde neben den Kantoren und Chorregenten auch von weltlichen Lehrern gehalten, u. a. leitete der städtische Musikdirektor Adalbert Jaksch (1825–1911) die Musikkapelle der Studenten. Schüleraufführungen dokumentieren die Theatertradition (u. a. G. A. Lortzings Zar und Zimmermann 1907), Orchestermessen wurden von auswärtigen Musikern und der Militärmusikkapelle unterstützt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich der Kantor P. Adalbert Roder (1911–86) besonders um die Kirchenmusikpraxis in Vorarlberg. Regelmäßig wurden in den 1950er Jahren im Kloster Werkwochen für Organisten und Sänger sowie Choralkurse abgehalten. 1971 erhielt die umgebaute Kirche eine neue Hauptorgel (Firma Rieger), 1975 eine neue Chororgel (ebenfalls Firma Rieger).


Literatur
P. P. Lindner in Jb. Vorarlberger Landesmuseum 1902/03; G. Spahr in Jb. Vorarlberger Landesmuseum 1963 (1964); E. Bernhauer in ÖMZ 25 (1970); E. Schneider, Musik in Bregenz einst und jetzt 1993; A. Bösch-Niederer in Montfort 52 (2000); MGG 14 (1968) [Zwyßig, Johann Josef (P. Alberich)]; Beiträge v. P. K. Spahr, P. P. Sinz u. P. H. Schattinger in 100 Jahre Zisterzienser in M. 1854–1954, hg. v. den Mönchen der Abtei Wettingen-M. 1954; H. Nadler, Orgelbau in Vorarlberg und Liechtenstein 1 (1985).

Autor*innen
Annemarie Bösch-Niederer
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Annemarie Bösch-Niederer, Art. „Mehrerau‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d944
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