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Mach, Mach, true Ernst
* 1838 -02-1818.2.1838 Turas bei Brünn/Mähren (Tuřany/CZ), † 1916 -02-1919.2.1916 Haar bei München/D. Physiker und Philosoph. Sohn eines Lehrers, aufgewachsen in Untersiebenbrunn bei Wien/NÖ, kurzzeitig Besuch des Benediktinergymnasiums Seitenstetten/NÖ, danach Privatunterricht und handwerkliche Ausbildung (Tischlerlehre). 1853–55 Besuch des Piaristengymnasiums in Kremsier (Kroměříž/Mähren), 1855–60 Studium der Physik an der Univ. Wien, 1861 Habilitation, bis 1864 Privatdozent in Wien, 1864–66 o. Univ.-Prof. für Mathematik in Graz, 1866/67 ebendort o. Univ.-Prof. für Physik. 1867–95 o. Univ.-Prof. für Physik in Prag, 1879/80 Rektor, 1883/84 Rektor der nunmehrigen deutschen Univ. in Prag (Trennung in eine deutsche und eine tschechische Univ. 1882). 1895 Berufung auf die umgewidmete Lehrkanzel für „Philosophie, insbesondere Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften“ an der Univ. Wien. Einschränkung der Lehrtätigkeit durch vollständige Lähmung der rechten Körperhälfte nach einem Schlaganfall (1898), 1901 krankheitsbedingt vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. 1913 Übersiedlung von Wien nach Vaterstetten bei München/D zu seinem ältesten Sohn Ludwig.

M.s wissenschaftliche Arbeiten decken ein breites Feld physikalischer, wissenschaftsgeschichtlicher und erkenntnistheoretischer Themen ab, durch populärwissenschaftliche Vorträge und Veröffentlichungen wirkte er überdies auf eine breitere Öffentlichkeit, v. a. auf Künstler und Intellektuelle ein. Mit experimentellen Versuchen zur Akustik und Optik gelang ihm der Nachweis des sog. „Dopplerschen Gesetzes“, die nach ihm benannte „M.sche Zahl“ bezeichnet das Verhältnis der Geschwindigkeit eines Körpers zur Schallgeschwindigkeit (Maßeinheit der Überschallgeschwindigkeit). Seine Kritik an der auf Isaac Newton zurückgehenden, in der Physik seiner Zeit üblichen „absoluten“ Verwendung von Begriffen wie „Raum“ und „Zeit“, übte maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Relativitätstheorie durch Albert Einstein aus, seine Ablehnung der Atomtheorie erwies sich dagegen als Irrweg (Kritik u. a. von Ludwig Boltzmann und Max Planck). Mit Hilfe mathematischer Bewegungsgleichungen entdeckte M. – zeitgleich mit dem Arzt Josef Breuer – die sog. „Bogengänge“ des Innenohres.

In seiner experimentellen physikalischen Forschung ließ sich M. von erkenntnistheoretischen Prinzipien leiten: Als Vertreter eines radikalen Empirismus und eines erkenntnisleitenden „Prinzips der Denkökonomie“ plädierte er dafür, dass die Wissenschaft sich auf die Beschreibung von Phänomenen beschränken und auf die Suche nach Gründen – die er als „metaphysisch“ auffasste – verzichten sollte. Ein konsequenter Empirist müsse sich damit begnügen, Komplexe von Sinneswahrnehmungen zu beschreiben, über allfällig hinter diesen Wahrnehmungen stehenden „Wirklichkeiten“ (im Sinn des Kantischen „Dinges an sich“) könne wissenschaftlich nichts ausgesagt werden (umstritten bleibt, ob M. die Existenz einer solchen „Wirklichkeit“ auch in ontologischer Hinsicht anzweifelte). Diese erkenntnistheoretische Konzeption wirkte stark auf die sog. „Wissenschaftliche Weltauffassung“ des „Wiener Kreises“, der sich im „Verein E. M.“ (1928–34) organisierte. Über die akademische Öffentlichkeit hinaus wirkte v. a. M. in seiner Studie Beiträge zu einer Analyse der Empfindungen (1886, zahlreiche weitere Auflagen) geäußerte Auffassung, dass das „Ich“ unbeständig und keine Substanz sei, vielmehr als ein bloßes Bündel von Elementen- bzw. Empfindungskomplexen verstanden werden müsse: „Das ‚Ich‘ ist unrettbar“ (Einfluss u. a. auf Schriftsteller wie H. Bahr, H. v. Hofmannsthal und Robert Musil, der seine Dissertation über M. schrieb). M., der eine grundlegende musikalische Ausbildung genossen hatte (Unterricht in Generalbass, Harmonielehre und Kontrapunkt durch den Kremsierer Domorganisten Ludwig, 1853–55) war bestrebt, Erkenntnisse der Akustik in populärwissenschaftlicher Form auch Musikern und Komponisten nahe zu bringen, er selbst betrachtete diese Bemühungen jedoch im Nachhinein als gescheitert: „Seit dem Erscheinen des Helmholtz’schen, für die Musiktheorie so wichtigen Werkes (Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik) habe ich mir vielfach Mühe gegeben, dasselbe durch Vorlesungen in den Kreisen der Musiker populär zu machen. Ich stiess jedoch hierbei bald auf bedeutende Schwierigkeiten. Gerade das, was mir als Naturforscher recht wichtig erschien, wurde von den Musikern mit grosser Gleichgiltigkeit aufgenommen und verdarb ihnen, wie ich glaube, sogar den Geschmack an dem, was für sie verwerthbar gewesen wäre.“ (Einleitung in die Helmholtz’sche Musiktheorie 1867). Ungeachtet dessen wurde M. von Mendel-R. 1877 als „ein um die Wissenschaft der Musik hochverdienter Gelehrter“ beurteilt.


Ehrungen
w. M. der kaiserlichen Akad. der Wissenschaften 1880; Ernennung zum Mitglied des österr. Herrenhauses 1901.
Schriften
Zwei populäre Vorträge über musikalische Akustik 1865; Einleitung in die Helmholtz’sche Musiktheorie. Populär dargestellt 1867; Beiträge zur Doppler’schen Theorie der Ton- und Farbenänderung durch Bewegung 1873; Optisch-akustische Versuche 1873; Die Mechanik in ihrer Entwicklung 1883; Beiträge zur Analyse der Empfindungen 1886; Erkenntnis und Irrtum 1905; Kultur und Mechanik 1916.
Literatur
Mendel-R. 7 (1877); W. I. Lenin, Materialismus und Empiriokritizismus 1909; H. Dingler, Die Grundgedanken der M.schen Philosophie 1924; K. D. Heller, E. M. Wegbereiter der modernen Physik 1964; J. T. Blackmore, E. M. His Life, Work and Influence, Diss. Los Angeles 1970; A. d’Elia, E. M. 1971; R. Musil, Beitrag zur Beurteilung der Lehren M.s 1980 [Diss. Berlin 1908]; F. Stadler, Vom Positivismus zur wissenschaftlichen Weltauffassung am Beispiel der Wirkungsgesch. von E. M. in Österreich von 1895–1934, 1982; R. Haller/F. Stadler (Hg.), E. M. Werk und Wirkung 1988; A. Kalt, E. M. Leben und Wirken, Dipl.arb. Wien 1988; D. Hoffmann/H. Laitko (Hg.), E. M. Studien und Dokumente zu Leben und Werk 1991; J. Blackmore (Hg.), E. M. 1992; J. Blackmore (Hg.), E. M.’s Vienna 1895–1930, 2001.

Autor*innen
Peter Stachel
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Peter Stachel, Art. „Mach, Ernst‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d845
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d845
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