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Krain (deutsch für slowenisch Kranjska)
Historisches Gebiet, Herzogtum (Hauptstadt Laibach), seit 1335 unter Herrschaft der Habsburger; zuletzt Kronland der österreichisch  ungarischen Doppelmonarchie, 1918 aufgegangen in den Staaten Jugoslawien (Slowenien), Italien (Friaul) und Österreich (Kärnten).

(I) In das Gebiet des späteren Herzogtums K. wanderten seit dem 6. Jh. slawische Stämme ein, die im 7. und 8. Jh. in wechselnden Beziehungen und Abhängigkeiten zu den Awaren standen. Nach deren Niederlage gegen Karl d. Gr. wurde der krainische Raum in den fränkisch-bayerischen Herrschaftsbereich, in kirchlicher Hinsicht dem Patriarchat Aquileia eingegliedert (811). Doch erst das nach den Magyareneinfällen errichtete ottonische Markensystem sollte sich als beständig erweisen. In einer Urkunde von 973 findet sich die erste Erwähnung des Namens K. (= Grenzgebiet; übrigens in einer Form, die das Vorbild für die 996 ausgestellte sog. „ostarrichi-Urkunde“ abgab: „in regione vulgari vocabulo Chreine“). Ursprünglich dem Herzogtum Kärnten zugeordnet, kam die Markgrafschaft K. Ende des 11. Jh.s an die Patriarchen von Aquileia. Diese übertrugen die Markgrafenwürde an die im Land ansässigen Grafen von Andechs-Meranien, deren Erbe traten zunächst die Babenberger bzw. die Spanheimer an, 1269–76 König Przemysl Ottokar v. Böhmen. König Rudolf v. Habsburg verpfändete die 1282 neu gewonnenen Besitzungen an die Grafen von Görz und Tirol. Nach deren Aussterben (1335) ging das Gebiet in die bis 1918 andauernde direkte Herrschaft der Habsburger über. 1364 nahm Herzog Rudolf IV. („der Stifter“) auch den Titel „Herzog von K.“ an.

Waren im Hochmittelalter neben Adeligen und Klerikern (die sich z. T. assimilierten) aus dem deutschen Sprachraum nur relativ wenige Bauern ins Land gezogen (wo sie kleinere oder größere Sprachinseln bildeten, z. B. die Gottschee), nahm das deutsche Element in den seit dem Spätmittelalter aufblühenden Städten zu, die von intensivierten Handelsbeziehungen zwischen dem Ostalpenrand und der nördlichen Adria profitierten. Die gegen Ende des 15. Jh.s einsetzenden Türkeneinfälle führten zu einem stärkeren Zusammenrücken der „innerösterreichischen“ Länder Steiermark, Kärnten, K., was auch in der habsburgischen Herrschaftsteilung von 1564 zum Ausdruck kam. Gewisse Elemente einer verwaltungsmäßigen Sonderstellung und die Erinnerung an die Eigenständigkeit Innerösterreichs blieben noch lange nach deren Ende 1619 erhalten.

Auch das Aufkommen des Protestantismus verband die drei Länder. Doch während in der Steiermark und Kärnten der Adel bei der Reformation eine entscheidende Rolle spielte, lag in K. das Schwergewicht bei der slowenischen bäuerlichen Bevölkerung. Die Tätigkeit einheimischer Reformatoren hat nicht nur zur geistig-politischen Emanzipation der Landbevölkerung beitragen, sondern leistete auch einen Beitrag zur Entstehung einer einheitlichen slowenischen Schriftsprache. (Auf Dauer setzte sich allerdings die Gegenreformationdurch, u. zw. so gründlich, dass bis weit ins 19. Jh. hinein „slowenisch“ und „katholisch“ als Synonyme gelten konnten.) Dem religiös motivierten kulturellen Aufschwung – in der krainischen Hauptstadt Laibach, die schon seit 1461 Bischofsitz war, wurde in den 1560er Jahren eine Landschaftsschule für den Nachwuchs des ständischen Adels und der Bürgerschaft gegründet, 1595 eine hochschulähnliche Institution – folgte jedoch eine bis in die Aufklärungszeit währende Phase der Stagnation, an der auch die Gründung einer Academia Operosorum im späten 17. Jh. oder der Academia philharmonicorum am Beginn des 18. Jh.s nichts Wesentliches ändern konnte.

Die als Folge der Schlesischen Kriege in den habsburgischen Ländern notwendig gewordenen Reformen, die auf eine Entmachtung der Stände hinausliefen, wurden in einer Art Probelauf ab der Mitte des 18. Jh.s zuerst in Kärnten und K. zur Anwendung gebracht. In gewisser Weise ebenfalls als Fernwirkung dieser Kriege kann man die Gründung der diversen Ackerbaugesellschaften betrachten: die 1767 in Laibach gegründete K.er Ackerbaugesellschaft ging über ihren vordergründigen Zweck, den ständischen Grundherren ein Forum zur Vermittlung neuester Methoden der Landwirtschaft zu bieten, weit hinaus und wurde zu einem Kristallisationspunkt der neuen, von der Aufklärung erfüllten Geistigkeit (was übrigens auch von der 1794 gebildeten Philharmonischen Gesellschaft gilt). Auch für die von Joseph II. betriebene Diözesanregulierung bot K. den Anstoß: der Laibacher Bischof regte an, seine Diözese in Einklang zu bringen mit den Landesgrenzen, woraus sich die bis dato größte Veränderung der kirchlichen Sprengel entwickelte. 1786 wurde Laibach anstelle von Görz zum Erzbistum erhoben, 1807 wieder „zurückgestuft“ und 1830 schließlich der Görzer Kirchenprovinz unterstellt.

Im Frieden von Schönbrunn (1809) musste Österreich K. zusammen mit Osttirol, Teilen Kärntens und Kroatiens an Napoleon abtreten, der diese Gebiete mit Istrien und Dalmatien zu den „Illyrischen Provinzen“ zusammenfasste, deren Hauptstadt Laibach wurde. 1815 fielen die Gebiete wieder an Habsburg, die alten Länder wurden wiederhergestellt, doch das Gubernium, die staatliche Verwaltungsinstitution zweiter Instanz, blieb weiterhin in Laibach, das somit gegenüber Klagenfurt eine deutliche Aufwertung erfuhr. Ab 1849 wurden beide Länder wieder auf gleiche Stufe gestellt.

Die Revolution von 1848 machte sich in K. nur sporadisch bemerkbar. Die im Neoabsolutismus begonnenen Reformen im Bereich der Agrarverfassung hatten ebenso tiefgreifende Änderungen zur Folge wie die Vollendung der Südbahn Wien-Triest, durch die K. zwar leichter in den internationalen Wirtschaftskreislauf eingebunden war, im Bereich des bisherigen Transportwesens aber große Verluste in Kauf nehmen musste. Auch andere Zweige des Dienstleistungs- und Industriesektors entwickelten sich nur langsam, sodass K. bis zum Ende der Habsburgermonarchie vorwiegend Agrarland blieb.

Das politische Leben im Land wurde seit der Konstitutionalisierung der Habsburgermonarchie in den 1860er Jahren lebhafter. Anfänglich war es auf die sozialen Eliten beschränkt, wobei der ideologischen Fragmentierung bald auch die nationale entsprach: den vom Adel, dem Beamtentum und einem Teil des Bürgertums getragenen, deutsch-orientierten „Verfassungstreuen“ stand die „Slowenische Nationalpartei“ gegenüber, die ab 1883 im Landtag auch über die Mehrheit verfügte. Im Jahr zuvor hatten die Slowenen auch die Mehrheit im Laibacher Gemeinderat erlangt und gestalteten die Landeshauptstadt planmäßig zum politischen und kulturellen Zentrum der Slowenen um. Seit den 1890er Jahren waren die Slowenen in zwei Lager gespalten: die „Katholische Nationalpartei“ und die „National-Fortschrittliche Partei“. Dass trotz aller Auseinandersetzungen um eine Besserstellung der Slowenen im öffentlichen Leben das nationalpolitische Klima lange Zeit besser war als in anderen zweisprachigen Ländern der Monarchie, beweist der Umstand, dass um 1900 der Landtag durch mehr als sieben Jahre von einer slowenisch-deutschen liberalen Koalition beherrscht war. Dann gelang es der Katholischen Nationalpartei jedoch, die Landbevölkerung mit einem modernen christlichsozialen Programm auf ihre Seite zu bringen, die Dominanz der Liberalen zu brechen und durch gezielte wirtschafts- und kulturpolitische Maßnahmen ihre Herrschaft zu festigen.

Die moderne slowenische Nationalbewegung – wie überall ursprünglich eine rein kulturelle – entwickelte sich aus bescheidenen Anfängen in der 2. Hälfte des 18. Jh.s erst im letzten Drittel des 19. Jh.s zu einiger Bedeutung. Zwar gelang es den Slowenen bis 1919 nicht, eine eigene Universität zu erhalten, doch machten sie im übrigen Bildungswesen große Fortschritte und überflügelten auf manchen Gebieten sogar die Deutschen im Lande, was sich auch in organisatorischer Hinsicht niederschlug. Es entstand ein reiches, in nationaler (später innerhalb des slowenischen Lagers auch in ideologischer) Hinsicht parallel organisiertes Vereinsleben. Dass das ursprünglich als übernationale Institution gedachte K.ische Landestheater knapp vor dem Ersten Weltkrieg zu einer rein slowenischen Anstalt wurde (und die Deutschen sich in Laibach ein eigenes Theater erbauten, während das Landestheater wegen mangelnder Unterstützung durch die katholische Landtagsmehrheit schließlich den Betrieb einstellen musste), ist für die Situation im Lande ebenso aufschlussreich wie die Tatsache, dass sowohl die Glasbena matica als auch die Philharmonische Gesellschaft (die 1891 das erste Konzerthaus in einer habsburgischen Provinzstadt errichten ließ) lange Zeit hindurch von der K.ischen Sparkasse finanziell unterstützt wurden. Im alltäglichen Leben, in der Arbeitswelt und in der Alltagskultur, funktionierte das Zusammenleben zwischen Deutschen und Slowenen gar nicht so schlecht und die Menschen kommunizierten intensiv miteinander. Erst wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg und vollends während des Krieges verschlechterte sich das Klima zwischen den beiden nationalen Gruppen (deren Anliegen nunmehr von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wurden – der lange Zeit vorherrschende Typus des national unentschiedenen „Utraquisten“ schwand fast völlig) sosehr, dass die slowenischen Politiker ohne Widerspruch am 28.10.1918 die Loslösung von der Habsburgermonarchie und die Schaffung des „Staates der [ehemals habsburgischen] Slowenen, Kroaten und Serben“ verkünden konnten, der sich am 1.12.1918 mit dem Königreich Serbien zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, dem nachmaligen Jugoslawien, zusammenschloss.

(II) Die Christianisierung von der Mitte des 8. bis zum 10. Jh. brachte auch die Einführung des Gregorianischen Chorals. Davon zeugen einzelne Codices und zahlreiche Fragmente, die sich heute noch in situ oder in Bibliotheken oder Archiven befinden. Zu den frühesten zählen die Bibliotheken der Franziskanerklöster in Laibach, Kamnik und Novo mesto, weiters die Klöster in Stična, Pleterje, Bistra usw.; später wurde ein beträchtlicher Teil dieses Archivmaterials nach Laibach (National- und Univ.sbibliothek, Historisches Archiv, Erzbischöfliches Archiv und in das Archiv der Republik Slowenien) verbracht. Das älteste erhaltene mittelalterliche Zeugnis ist ein Fragment mit St. Galler Neumen aus den Moralia Gregors d. Gr. (10. Jh.). Ebenso bewahrt die Nationalbibliothek noch, als ältesten vollständig erhaltenen Codex in Slowenien, ein Graduale aus dem 13. Jh. mit Quadratnotation (Notation) und Kartäuser Herkunft auf, vielleicht aus Bistra (gegr. 1260). Aus dem Zisterzienserkloster in Stična (als erstes Kloster in K. 1136 von Rein aus besiedelt) stammt ein unvollständiges Graduale (59 fol., 12. Jh.), das jetzt (2003) im Archiv der Republik Slowenien (früher im Landesmuseum Rudolphinum) aufbewahrt wird. Aus Bistra stammt das Fragment eines Traktats über musikalische Formeln aus dem 14. Jh., aus demselben Jh. ein Psalter aus der Kartause Pleterje (gegr. 1403), der zweite zur Gänze erhaltene Codex auf slowenischem Boden (beide in der Nationalbibliothek Ljubljana). Die Reste der Bibliothek der Kartause Seitz (Siče) befinden sich heute (2003) in der Univ.sbibliothek Graz. Am repräsentativsten ist das reich illuminierte und in zwei großen Bänden erhaltene K.er Antiphonale mit gotischer Notation, 1491 in Augsburg/D nach einem Auftrag aus K. entstanden (jetzt im Erzbischöflichen Archiv Ljubljana). Um die Akklamationen Kyrie eleison, mit denen das Volk bei Gottesdiensten mitwirkte, entwickelten sich neue Texte, die vom 11. bis 15. Jh. die Entstehung des slowenischen mittelalterlichen Kirchenliedes beeinflussten (abgesehen von Einflüssen aus dem mitteleuropäischen Raum, insbesondere des deutschen Kirchenlieds). Einige solcher slowenischer Kirchenlieder blieben in den Liedersammlungen der slowenischen Protestanten des 16. Jh.s erhalten.

Die Aufzeichnungen von Paolo Santonino, des Sekretärs des Kardinals und Patriarchen in Aquilea, der 1485–87 mit Bischof Pietro Carl von Caorle in K., der Steiermark und Kärnten auf Visitationsreise war, lassen erkennen, dass im Spätmittelalter der mehrstimmige figurale Gesang bereits üblich war. Sie bestätigen außerdem, dass auch weltliche Musik gepflegt wurde, insbesondere Instrumentalmusik, wie sie erhaltene Fresken ab dem 11. Jh. erahnen lassen. Verbreitet wurde sie von einheimischen wie gastierenden Vaganten und deutschen Minnesängern. Dass der Adel auch das slowenische Volkslied kannte, bekundet u. a. Oswald v. Wolkenstein, der unter zehn Sprachen auch die slowenische (windische) anführt und in dessen Texten nahezu 40 slowenische Wörter erhalten blieben.

Schon in dieser Zeit kann von einer musikalischen Emigration aus K. gesprochen werden. Manchmal ist diese wegen der latinisierten, germanisierten und romanisierten Namen schwierig zu verfolgen; bei einigen Komponisten ist sie jedoch aufgrund der Beifügung Carniolusunbestritten. Allgemein orientierte sich das geistige Leben nach Norden, besonders der Kaiserstadt Wien. So war an der dortigen Univ. in ihren ersten Jh.en ein Fünftel der Studenten und Prof.en slowenischer Herkunft, darunter 40 ihrer Rektoren. Unter den Musikern war der angesehenste der in Ljubljana geborene Humanist J. Slatkonja.

Im 15. und 16. Jh. waren die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht so günstig wie in anderen österreichischen Ländern. Mit Bauernaufständen wuchs die soziale Krise, auf religiösem Gebiet kam es zu Verschärfungen zwischen der Reformation und Gegenreformation, lebensbedrohlich waren zeitweise türkische Einfälle. Der Protestantismus, der die 2. Hälfte des 16. Jh.s kennzeichnete, hat die Verbreitung der Renaissancemusik aus Italien und auch aus Österreich behindert. Sie wurde v. a. vom Adel unterstützt (z. B. der Familie Khisl, die zu Beginn des 16. Jh.s aus Bayern nach K.gekommen sein soll; einigen ihrer Mitglieder wurden zw. 1561/1615 mehrere Sammlungen von Komponisten aus dem nahen Italien und vom Grazer Hof sowie sämtliche slowenische protestantische Liederbücher gewidmet). Das Musikleben konzentrierte sich hauptsächlich auf Laibach. Der führende protestantische Ideologe war Primož Trubar (1508–96). Nach dem Catechismus (1550), dem ersten gedruckten Buch in slowenischer Sprache, der auch Lieder in mensuraler Notation enthält, wurden von seinen Mitarbeitern neben einer vollständigen Bibelübersetzung (1584) auch fünf Liedersammlungen (1567, 1574, 1579, 1584 und 1595 mit 69 Weisen) herausgegeben, die weite Verbreitung fanden. Gedruckt wurden sie in Ljubljana, in Wittenberg/D, die meisten aber in Tübingen/D, dem langjährigen Zufluchtsort von Trubar. Nach den Bestimmungen der Cerkovna ordninga (Kirchenordnung) von 1564, die den protestantischen Gottesdienst definierte, wurde die Musik auch in den Schulen eingeführt. Von protestantischen Komponisten blieb nur einiges von Wolfgang Striccius (* vor 1570 Wunstorfbei Hannover/D, † nach 1611), 1588–92 Kantor der protestantischen Schule in Laibach, erhalten. In der ersten Sammlung Neue Teutsche Lieder (gedruckt in Nürnberg, datiert 1588 in Ljubljana) führte er sich selbst als Kantor der K.er Stände an.

Gegen Ende des 16. Jh.s war eine Reihe von Musikern an Höfen in Wien, Prag, Innsbruck u. a. tätig. So war Krištof Kral 1546–64 Mitglied der Wiener Hofmusikkapelle, danach in Innsbruck tätig; Michael Voglar (Carbonarius) war 1563/64 „Cappelsinger“ und wurde nach zweijähriger Tätigkeit in Prag Mitglied der Hofkapelle Ferdinands II. in Innsbruck, wo er sich wahrscheinlich auch niederließ. Als Sänger und Komponist wirkte in dieser Kapelle auch Georg Knez (Khness, Khnies usw.) aus Vrhnika mit. Aus Celje (Cilli) stammte ein gewisser Mathes Singer, 1567–80 in Wien tätig, ebenso wie der gebürtige Laibacher J. Prenner. Die zentrale Stelle unter den aus K. stammenden Komponisten aber nimmt zweifellos J. Gallus ein, einer der bedeutendsten europäischen Schöpfer der Spätrenaissance.

Günstigere Umstände für die Musik ergaben sich im 17. Jh. als Folge der Konsolidierung des Bauernstandes, der Durchsetzung der Gegenreformation mit Überwindung der religiösen Entzweiungen und der wesentlichen Verminderung der türkischen Gefahr nach dem Sieg in der Schlacht bei Sisak (1593). Bis in die 1. Hälfte des 18. Jh.s hinein wurde nun die Entfaltung des Barock, mit direkten Einflüssen aus Italien und indirekten aus dem österreichischen Norden, ermöglicht. Kennzeichnend für die ersten Jahrzehnte des 17. Jh.s ist daneben jedoch auch der Zulauf der zuvor behinderten Renaissancemusik. Getragen wurden sie vom geistigen Führer der Gegenreformation in K., Fürstbischof Tomaž Hren (Chrön; * 1560 Ljubljana, † 1630 Gornji Grad), der selbst für die Anschaffung der Musikliteratur v. a. aus Venedig und aus Graz sorgte. Von dort erhielt er als Geschenke auch 6 große Chorbücher, die jetzt in der National- und Univ.sbibliothek Ljubljana aufbewahrt werden; G. Kuglmann). Bedeutend war auch die Rolle der Laibacher Jesuiten, die unmittelbar vor 1600 ihre Theateraufführungen begannen (Jesuitendrama). Noch bedeutender waren die ersten Opernvorstellungen (drei in den 1650er Jahren nachgewiesen), regelmäßige Gastspiele italienischer und später auch deutscher Operngesellschaften ab den 1740er Jahren bis über die Mitte des 19. Jh.s hinaus. Die Orientierung zum Barock wurde weiters von den Stadtmusikern und v. a. von Musikern der Kirchen- und Adelskapellen gefördert, von welchen die der seit dem 13. Jh. in K. ansässigen Auerspergs und des Vicedoms die größte Bedeutung hatten. Zeitlich und räumlich überschritt ihren Rahmen die Academia Philharmonicorum Labacensium, 1701 nach italienischem Vorbild und als erste ihrer Art auf dem Gebiet des Habsburger-Staats gegründet, informell jedoch schon ein Jahrzehnt früher tätig. Als Institution des Adels ist sie sowohl der Pflege der kirchlichen und als auch der Verbreitung der weltlichen Musik des Barock gewidmet.

Die Musik des verhältnismäßig breiten Komponistenkreises, von dem wir annehmen dürfen, dass er sich am Spätbarock orientierte, ist nicht erhalten, ebenso wenig die zum Jesuitentheater. Einige bedeutende Komponisten dieser Epoche waren in der Fremde tätig: Gabrijel Plavec (Plautz, Plautzius; ca. 1590–1641) leitete die Musik am Hof des Kurfürsten in Mainz/D. Der in Kamnik geborene, bereits dem Mittelbarock verbundene J. K. Dolar leitete ab 1661/62 die Musik an der Jesuitenkirche Am Hof in Wien. Der in Krems geborene I. Posch war als bedeutender Vertreter der Variationensuite, als Komponist Geistlicher Konzerte sowie als Orgelbauer und -reparateur zwischen Kärnten und K. tätig.

In der 2. Hälfte des 18. Jh.s trat den bisherigen Trägern der Entwicklung, dem Adel und der Kirche, das Bürgertum an die Seite (bürgerliche Musikkultur). Die neuen Ideen der Aufklärung haben gegen Ende des Jh.s auch den Blick auf die Slowenen als einer Volksgemeinschaft geschärft, die in verschiedenen Einheiten des Landes lebten. Auf musikalischem Gebiet wirkte sich die neue Orientierung auch in Gastspielen italienischer Operngesellschaften aus, zu denen auch österreichische kamen: u. a. A. Mingotti, Giuseppe Bartolini bzw. F. Berner (erstmals 1768, danach 1784), E. Schikaneder (in den Saisonen 1779–82), Friedrich Johann Zölner (1785/86, J. F. Zöllner), Johann Friedl (1786, 1787/88). Ihr besonderer Förderer und Berater, Baron Sigismund (Žiga) Zois von Edelstein (1747–1819), hat nach zeitgenössischem Bericht „die schönsten Melodien krainisiert“, d. h. ins Slowenische übersetzt. Aus Wiedergeburtsideen entstanden auch die ersten slowenischen Beiträge zum Musiktheater, die Allegorie Belin (1780 oder früher, mit – leider nicht erhaltener – Musik des in der Steiermark geborenen J. F. Zupan) und die offenbar unter dem Einfluss von W. A. Mozart entstandene Szenenmusik Figaro (um 1790) zu A. T. Linharts Komödie Der heitere Tag oder Matiček heiratet von J. K. Novak. Hier verwendete der Komponist jedenfalls erstmals die slowenische Sprache als Grundlage musikalisch-szenischen Ausdrucks.

Den traditionellen Anregungen unmittelbar aus dem Westen folgten also nun verstärkt solche aus dem Norden. Der Wiedergabe der entstehenden klassischen Musik widmete sich die 1794 von der musikbewussten Bürgerschaft gegründete Philharmonische Gesellschaft, der sich später der vorerst reservierte Adel anschloss. Hier, im Zentrum der slowenischen Kultur, haben sich in dieser ersten Institution ihrer Art im Habsburger-Staat, im Geist der Aufklärung Freunde der Musik der deutschen Minderheit und der slowenischen Mehrheit vereinigt. Die Orientierung nach Wien (Wiener Klassik) wird auch durch die Wahl ihrer führenden Repräsentanten zu Ehrenmitgliedern bestätigt: J. Haydn (1800), L. v. Beethoven (1819), nach dem schon verstorbenen Mozart dessen Sohn Wolfgang (1820), später u. a. N. Paganini (1824), J. Brahms (1885) und eine Reihe weiterer österreichischer Musiker (H. Proch, T. und K. Haslinger, J. Eybler, A. Hüttenbrenner, E. Hanslick, W. Kienzl). Auf Grund einer Ausschreibung der Philharmonischen Gesellschaft, der Bischöflichen Kapelle und des Ständischen Theaters bewarb sich für die Stelle eines Musiklehrers an der Öffentlichen Musikschule u. a. der neunzehnjährige Fr. Schubert, der aber seiner Jugend wegen und trotz einer Empfehlung von A. Salieri (er gab Empfehlungen auch für drei weitere Kandidaten ab), nicht angenommen wurde; die Stelle erhielt Franz Sokoll (1779–1822) aus Klagenfurt.

Wieder sind sowohl eine Reihe von ausgewanderten K.er Komponisten als auch von in K. tätig geworden tschechischen und österreichischen Komponisten zu nennen: der Steirer V. Lechner, der 1806 als Musiklehrer im Dom von Ljubljana aufgenommen wurde, sich der Stelle aber entsagte; F. Pollini, der schon früh nach Wien ging, dort mit W. A. Mozart Kontakt aufnahm, seine Karriere aber in Mailand beendete. J. Mihevec zog 1823 nach Wien und später weiter nach Frankreich. Der in Wien geborene Matthäus Babnigg (Babnik; 1787–1868) wirkte ab ca. 1805 in Ljubljana als Komponist, Sänger und Instrumentalist, zog als Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft nach Pest (Budapest), wo er bei der Gründung des ersten dortigen Musikvereins Hilfe leistete. Dagegen naturalisierte sich in K. der Tscheche G. Mašek; ein größeres Messenopus schuf hier V. Wratny; František Benedikt Dusík komponierte u. a. drei Symphonien für die Philharmonische Gesellschaft; als Geiger und Kapellmeister machte sich J. Beneš geltend. Anton Höller (ca. 1760–1826) war von 1800 bis zu seinem Tode Organist und Regens chori der Domkirche in Ljubljana und Komponist sakraler und verschollener weltlicher Werke. Der bedeutendste unter ihnen war Ferdinand Schwerdt (zw. 1770/77–1854), der als Musiker und Komponist ab spätestens 1806 zumeist in Ljubljana und Novo mesto tätig war. Er schuf ein Opus von ca. 150 Werken, sowohl sakrale (v. a. Messen) als auch weltliche (neben szenischer Musik wenigstens eine Symphonie).

Die Epoche des Übergangs in die Romantik ist vom Prozess des „nationalen Erwachens“ gekennzeichnet. Dieser regte ein weitreichendes politisches Programm aus dem Jahre 1848 an, das zur Vereinigung aller Slowenen in einer Staatsform Slowenien innerhalb des Habsburger-Staates aufrief und Richtlinien für das politische und kulturelle Leben der Nation enthielt. So kam von nun an der Musik die Funktion zu, auf einem als ethnisch slowenisch angesehenen Gebiet eine Kultur mit nationaler Identität zu unterstützen. Das hatte Rückwirkungen auf das Musikleben in K.: ab diesem Zeitpunkt verlief es getrennt für die deutsche Minderheit und die sich bewusst national formende slowenische Mehrheit. Dieses Konkurrenzverhalten führte anfangs, v. a. hinsichtlich der Qualität, zu einer Steigerung und gegen Ende des 19. Jh.s zu einer Art Ausgleich der slowenischen Seite mit der deutschen. Es kam aber auch zu Reibereien zwischen den beiden nationalen Entitäten, die von der slowenischen Seite als Germanisierung aufgefasst wurden. So wurde die Tätigkeit der fortan deutsch orientierten Philharmonischen Gesellschaft bis zum Ersten Weltkrieg mit deutsch akzentuierten Programmen fortgeführt. Seit 1883 gab sie regelmäßig Kammerkonzerte, an Stelle des 1887 abgebrannten Ständischen Theaters erbaute sie 1891 ein neues Gebäude (Tonhalle, heute Sitz der Slowenischen Philharmonie). Die slowenische Seite aber hat schrittweise ihre eigenen Musikinstitutionen gegründet. Vorerst waren es kulturelle, politische und gesellschaftliche Veranstaltungen, bésede (= eig. Predigt) genannt, die 1848 vom Slowenischen Verein organisiert wurden und die sich von Ljubljana aus im ganzen Land, ja bis zu den slowenischen Studenten in Graz und Wien ausbreiteten. Anfang der 1860er Jahre wurden sie in den slowenischen Kulturvereinen čitalnice – auf slowenisch besiedeltem Gebiet gab es in diesem Jahrzehnt etwa sechzig – als Vorläufer des Konzertlebens veranstaltet. Nunmehr aber traten an die Stelle von Werten der nationalen Aufklärung künstlerische aus den Anfängen der Romantik. Für den Bedarf eines allgemeinen Musiklebens am bedeutsamsten wurde die 1872 gegründete Glasbena matica (Musikanstalt; Musikverein), die sich vorerst auf große Chorkonzerte (mit bis zu 200 Aktiven) konzentrierte. Ihre Erfolge wurden 1896 mit zwei Auftritten in Wien bestätigt (der erste unter Leitung von M. Hubad, der zweite von A. Dvořák, der später auch zum Ehrenmitglied ernannt wurde). Aus dem Dramatischen Verein in Ljubljana (1867) entstand 1892 die slowenische Oper, die sich das im gleichen Jahr gebaute Landschaftliche Theater vorerst mit der deutschen Oper teilte; 1911 bauten sich die deutschen Bürger ein eigenes Theatergebäude (wurde nach 1918 Slowenisches Schauspielhaus). Auf Anregung der Glasbena matica wurde 1908 das Orchester der Slovenska filharmonija (Slowenische Philharmonie, unter Leitung von Václav Talich) gegründet. Talich war auch in der slowenischen Oper tätig, in welcher Fritz Reiner als Dirigent (1910/11) angestellt war. Im Ständetheater war in der Spielzeit 1881/82 G. Mahler engagiert. Das rege Musikleben von Ljubljana war ein Ergebnis reproduktiver Tätigkeiten von beiden Seiten.

Dagegen hat sich das kompositorische Schaffen aus verschiedenen Gründen nur auf der slowenischen Seite weiter entwickelt. Die Glasbena matica übernahm mit planmäßigen Bemühungen das immer notwendiger werdende Verlagswesen, unterstützt durch das Erscheinen von Musikzeitschriften: den Cerkveni glasbenik [Der Kirchenmusiker] mit ältester Tradition (1878–1945, 1976ff) und den für die Entwicklung bedeutenden Novi akordi [Neue Akkorde], die G. G. Krek von Wien aus redigierte. Den bescheidenen kompositorischen Anfängen von J. Fleišman und Miroslav Vilhar (1818–71) folgte K. Mašek, zur Frühromantik neigten A. Nedvěd und D. Jenko, der anfangs als Chorleiter des Slowenischen Sängervereins in Wien (1859–62) tätig gewesen war und später zur Entwicklung der serbischen Musik beitragen sollte. Einige Komponisten widmeten sich v. a. der dem Volksempfinden näheren Vokalmusik, ohne aber Volksliedzitate zu verwenden, z. B. A. Hajdrih und Jakob Aljaž (1845–1927). An der mittleren und späten Romantik orientierten sich die drei bedeutenden Komponisten B. Ipavec, Primarius am Kinderkrankenhaus in Graz, jedoch in enger Verbindung mit der Heimat stehend, F.Gerbič und A. Foerster, der als naturalisierter Tscheche die erste slowenische nationale Oper schuf. Die Komponisten um die Zeitschrift Novi akordi neigten zur Neuromantik; zu ihnen gehörten Anton Lajovic (1878–1960), ein Lieder- und Chorkomponist europäischen Formats, und Risto Savin (1859–1948), die beide in Wien bei R. Fuchs studiert hatten, weiters Emil Adamič (1877–1936), G. G. Krek, Janko Ravnik (1891–1982), der in Prag, und Marij Kogoj (1892–1956), der während des Ersten Weltkrieges in Wien bei F. Schreker und A. Schönberg studiert hatte. V. Parma widmete sich v. a. der Oper und Operette. Das Entstehen neuer slowenischer Musik hat auch die Anfänge der slowenischen Musikwissenschaft angeregt. Ihr Repräsentant J. Mantuani hat sich während seines Aufenthalts in Wien v. a. der älteren Musikgeschichte Wiens und der Edition des Opus musicum von J. Gallus in den DTÖ gewidmet.

1918 geht K. in Slowenien auf, die Fortsetzung der Musikgeschichte sollte unter abermals geänderten Bedingungen stattfinden.


Tondokumente
TD: I. Klemenčič (Hg.), Musica noster amor, Musical Art of Slovenia from its Beginnings to the Present, An Anthology on 16 CDs with an Accompanying Book 2002.
Literatur
Enc. Slov. 5 (1991) (Kranjska [Krain]) u. 8 (1994) (Notranjeavstrijske dežele [Die innerösterreichischen Länder]); Dokumenti slovenstva [Dokumente des Slowenentums]; D. Perko/M. Orožen Adamič (Hg.), SlovenijaSlovenija. Pokrajine in ljudje [Gegenden und Menschen] 1998; J. V. Valvasor, Die Ehre des Hertzogthums Crain 1689; P. v. Radics, Frau Musica in K. 1877; F. Rakuša, Slovensko petje v preteklih dobah [Der slowenische Gesang in vergangenen Zeiten] 1890; J. Mantuani in [Fs.] G. Adler 1930; M. Kos/F. Stele, Srednjeveški rokopisi v Sloveniji [Mittelalterliche Manuskripte in Slowenien] 1931; D. Cvetko in MozartJb 1956; D. Ludvik, Nemško gledališče v Ljubljani do l. 1790 [Das Deutsche Theater in Ljubljana bis 1790] 1957; D. Cvetko, Zgodovina glasbene umetnosti na Slovenskem (Résumé: Histoire de la musique en Slovénie) 1–3 (1958–60); D. Cvetko, Academia Philharmonicorum Labacensis 1962; J. Höfler in Kronika 13 (1965) u. 14 (1966); D. Cvetko, Histoire de la musique Slovène 1967; J. Höfler/I. Klemenčič, [Kat.] Glasbeni rokopisi in tiski na Slovenskem do leta 1800/Music manuscripts and printed music in Slovenia before 1800, 1967; J. Höfler, Glasbena umetnost pozne renesanse in baroka na Slovenskem [Die Kunst der Musik der Spätrenaissance und des Barocks in Slowenien] 1978; D. Cvetko, Glasbeni svet Antona Lajovca (Zusammenfassung: Anton Lajovic und seine Musikwelt) 1985; D. Cvetko/D. Pokorn (Hg.), Evropski glasbeni klasicizem in njegov odmev na Slovenskem/Der europäische Musikklassizismus und sein Widerhall in Slowenien 1988; J. Snoj in Muzikološki zbornik 25 (1989); D. Cvetko, Slovenska glasba v evropskem prostoru (Summary: Slovene Music in its European Setting) 1991; I. Klemenčič in Muzikološki zbornik 28 (1992); I. Klemenčič (Hg.), [Kgr.-Ber.] Marij Kogoj, 1892–1992 Ljubljana 1992, 1993; I. Klemenčič in MusAu 16 (1997); J. Snoj, Medieval Music Codices. A selection of Representative Samples from Slovene Libraries 1997; P. Kuret, Mahler in Laibach. Ljubljana 1881–1882, 2001; SAZU (Hg.), Monumenta artis musicae Sloveniae 1983–.

Autor*innen
Peter Urbanitsch
Ivan Klemenčič
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Peter Urbanitsch/Ivan Klemenčič/Rudolf Flotzinger, Art. „Krain (deutsch für slowenisch Kranjska)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d5bf
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10.1553/0x0001d5bf
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