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Gumpoldskirchen
Marktgemeinde südlich von Mödling, erste urkundliche Erwähnung 1140 in einer Passauer Tradition, eigene Pfarre vor 1220, Marktrecht vor 1380. Spätestens seit der Mitte des 12. Jh.s wird in G. Weinbau betrieben, der dem Ort mit zahlreichen Gebäuden aus der Renaissance-Zeit mittlerweile zu großer Berühmtheit verhalf. 1241 erhielt der Deutsche Orden, dem bis heute die Pfarrer von G. angehören, von Hzg. Friedrich II. das Patronatsrecht der Pfarrkirche. Um 1400 erfolgte der Bau der heutigen Pfarrkirche zum Hl. Michael im Bereich der babenbergerischen Wehranlage, nach der ersten und zweiten Türkenbelagerung errichte der Orden jeweils neue, stattliche Pfarrhöfe (sog. Deutsches Haus). Das Deutsche Haus – seit ca. 1809 ist hierfür die Bezeichnung Schloss bzw. Deutschordensschloss gebräuchlich – wurde 1930/31 großzügig erweitert; 1934–38 lebte hier mit Erzhzg. Eugen der letzte Hoch- und Deutschmeister. Seit 2000 steht das Gebäude nach umfangreicher Sanierung für Veranstaltungen und als Seminarhotel zur Verfügung.

Fragmente von in G. verwendeten liturgischen Gesängen aus dem 15. Jh. haben sich als Einbände von Protokollbüchern späterer Zeit erhalten. Spätestens ab dem 16. Jh. bis 1683 kam v. a. die St. Michaels- oder Kirchen-Zeche für die musikalische Gestaltung der kirchlichen Feste finanziell auf. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang eine „Cantrey“ (erstmalige Nennung 1559), die unter der Leitung des Schulmeisters stand, weiters ein Succentor und ein Regal (Orgelklavier). Aufwendungen für die Kirchenmusik sind auch von verschiedenen Stiftungen belegt. Das Repertoire der bis 1683 nachweisbaren Kantorei ist durch ein Inventar von 1640 gut dokumentiert und zeigt hohe Ansprüche. Demnach wurden u. a. Messen von J. Gallus und Ignazio Donati gesungen, Motetten von Giovanni Croce und O. di Lasso, geistliche Konzerte von Gregor Aichinger und weitere Werke von B. Amon, Orazio Vecchi u. a. Für das Ende des 16. Jh.s ist die Abhaltung einer „Comedy“ und eines „Spiel[s]“ durch den Schulmeister am Schrannenplatz belegt. Bei Prozessionen wirkten im 17. Jh. neben den „Cantores“ auch Pfeifer und Trommler bzw. andere Musiker aus der Umgebung (z. B. Baden bei Wien) mit. Nach dem bis zur zweiten Wiener Türkenbelagerung vorhandenen Regal kaufte man 1686 ein gebrauchtes Positiv aus einem Wiener Kloster, das bis 1837 in Gebrauch stand. 1837 (durch J. Loyp, I/14), 1929 (durch F. Molzer d. J., I/14) und 1988 (durch Helmut Allgäuer aus Würflach/NÖ, mechanische Schleifladen, II/15, im Gehäuse der Loyp-Orgel von 1837) erfolgten Orgelneubauten. Als Chorregenten wirkten Johann Franz Pernold (1811–41), Franz Hofmeister (ab 1841, Vater von A. Sachse-Hofmeister), Josef Hofer (um 1870, Vater von P. N. Hofer), Franz Mayer (1880er Jahre; Musiklehrer, nachmalig Musikprof. an der Hyrtl’schen Waisenhausanstalt in Mödling), Leopold Hofer (mind. 1927–29), Franz Oswald (1931/32), J. W. Ziegler (1936?–41, nach dem Krieg Organist bis 1985 und Chorregent bis 1989), Ewald Wappel (seit 1989). Organisten sind seit 1985 Johannes Dietl und E. Wappel, auch Sieglinde Michalko. Der auf hohem Niveau agierende Kirchenchor profitiert vom reichen G.er Chorleben und pflegte unter Zieglers Ägide immer wieder auch zeitgenössische österreichische Kirchenmusik (z. B. E. Tittel); in der Ära F. Mayer ist die Aufführung von Messen W. E. Horaks, Karl Kempters und F. Schöpfs belegt. 1922–41 war der Chor als Kirchenmusikverein organisiert, Obmann war der jeweilige Pfarrer.

Die Tradition des G.er Chorlebens begründete der 1861 von H. Pehm als Liedertafel ins Leben gerufene MGV G., der als Gründungsmitglied des Niederösterreichischen Sängerbundes gilt und 1863 bereits 28 ausübende Mitglieder und 44 Unterstützer zählte. Bemerkenswert ist, dass diese Vereinigung 1865 mit den Vereinen von Guntramsdorf/NÖ, Himberg/NÖ, Laxenburg und Mödling eine frühe Vorform eines regionalen Sängergaus in Form einer Kooperation bildete („vereinigte Gesang-Vereine“), deren Ziel die Veranstaltung gemeinsamer Liedertafeln war und die rund ein Jahr lang bestand. Spätestens ab 1868 ruhte jedoch die Tätigkeit der Liedertafel, erst Ende 1878 kam es zur Reaktivierung durch F. Mayer und den Lehrer Ludwig Mayr sowie zur vereinsrechtlichen Gründung. Der Verein hatte in weiterer Folge ein Hausorchester (Orchesterverein) und brachte auch Singspiele und komische Szenen zur Aufführung. Als Chormeister fungierten: H. Pehm (1861–68?), J. Hofer (1879–86), F. Mayer (1887–1904), L. Hofer (1904–52), J. W. Ziegler (provisorisch 1937, 1952–54, 1959/60, 1973–78), Paul Wanschura (1954–59), Rudolf Kotal (1961–66), Wilhelm Vogler (1966–73), J. Dietl (seit 1978, 1988–98 Bundeschorleiter des Niederösterreichischen Sängerbundes). 1960 erfolgte die Umbenennung in MGV G. mit gemischten Chor, 1988 Rückbenennung in MGV G. und 2005 neuerliche Umbenennung in G.er Männerchor MACH4. Die von J. W. Ziegler 1949 gegründeten Gumpoldskirchner Spatzen gingen aus einer 1947 ebenfalls von Ziegler begründeten Kindersingschule hervor. Ziegler war 1966 auch für die Gründung des international erfolgreichen Kammerchors Vox humana verantwortlich, den er aus ehemaligen Mitgliedern der Spatzen zusammenstellte; 1978 übergab er die Chorleiterstelle seinem Sohn W. Ziegler. Aus einer Abspaltung von Vox humana entstand 1977 das Vokalensemble Musica 77, das bis zu seiner Auflösung 1989 unter der Leitung von E. Wappel stand. Ebenfalls aus den Spatzen gingen der nicht mehr bestehende G.er Mädchenchor (gegr. 1985 von W. Ziegler), das Cantilena Frauenensemble G. (gegr. 2004 von E. Ziegler) und das 1980–2004 bestehende Doppelquartett Vocalitas G. (Leiter: J. Dietl) hervor. Das Gesamtbild ergänzen weiters das Chorensemble Take Ten (Leitung: E. Wappel) und die 1989 gegründete Volksliedgruppe Nota Bene (Leitung: J. Dietl).

Für die 1830er Jahre belegt eine Abschrift G.er Provenienz (A-Wn) der Streichquintett-Fassung der Sinfonie caractéristique pour la paix avec la Republique Françoise von P. Wranitzky die Pflege von Kammermusik. Weitere Instrumentalmusik pflegte im 19. Jh. zunächst eine Blaskapelle, um 1900 dann die Feuerwehr-Kapelle unter Josef Freudorfer (s. Abb.) und ein Klub der Zitherfreunde. Ab 1924 bestand ein Konzert- und Theaterverein unter der Leitung von Rudolf Hofer, der wahrscheinlich aus dem Hausorchester des MGV G. hervorgegangen war; nach dem Krieg leitete das Orchester J. W. Ziegler bis zur Auflösung um 1960. Daneben existierte ab 1926 eine Arbeiterkapelle (Arbeiter-Musikbewegung) unter der Leitung von Richard Biegler (1926/27), danach unter Max Fedra, die 1933/34 als Arbeiter-Musik-Verein firmierte, 1935 als Musikfreunde G. (Leitung: Hans Köllner) und ab 1937 als Werkskapelle der Firma Richard Klinger; nach dem Zweiten Krieg bestand die Kapelle noch bis 1983. Der jährliche Hütereinzug brachte in früheren Jahrhunderten stets Tanzveranstaltungen mit sich, nach dem Zweiten Weltkrieg bestand dann auch eine eigene G.er Tanzkapelle. Vorschriften für Heurigenmusikanten in G. sind bereits aus der Zeit Maria Theresias überliefert, um 1900 belegen Photos die üblichen, am Schrammelquartett orientierten Heurigenmusikensembles.

Im bereits 1912 eröffneten G.er Kino wurden zunächst Stummfilme mit Klaviermusikbegleitung gezeigt. Für Musik- und Theaterveranstaltungen war der bis 1968 bestehende Saal aufgrund seiner guten Akustik geschätzt. 1976/77 erfolgte auf das Bestreben von J. W. Ziegler hin die Gründung einer MSch. in Form einer Erweiterung der Kindersingschule. 1988 wurde die österreichweit erste Abteilung für Popularmusik in einer MSch. eröffnet, seit 2003 heißt sie J. Zawinul MSch. Die Musikhauptschule G. wurde 1990 von E. Ziegler und E. Wappel initiiert.

Als Komponisten mit Bezug zu G. seien neben J. W. Ziegler und F. Mayer noch die in G. geborenen P. Marianus Aigner OCist (ca. 1665–1732), J. A. Th. Biegler und Anton Krug (1875–1970, Geiger bei den Wiener Symphonikern) sowie P. Coelestin Hochbrucker OSB (1727–1805, dürfte sich als Weinpropst des Stiftes Weihenstephan bei Freising/D in G. aufgehalten haben), J. J. Heckel (lebte ab 1806 in G., hier begraben) und Alois Gartner (1855–1909) genannt. Ein weiterer prominenter Sohn G.s war F. Mairecker. Max Reger war mit G. durch seinen ihn in der Frühzeit fördernden Onkel und Taufpaten Johann Baptist Ulrich verbunden, der ab 1858 in G. lebte und nach 1871 die Leitung der Blech- und Bleiwarenfabrik Winiwarter übernahm. Lieder über G. schrieben u. a. J. Fiedler (Ein kleines Schwipserl aus G.), E. Frim (In G. möcht‘ i gern Burgermaster sein!), K. Föderl (In G. draußt), F. Gebauer (In G. drausst gibt’s Weine!), O. Geitner (Da draußt in G.), Willy Jelinek (A Tröpferl aus G.), H. Lang (Der alte Huber aus G.), R. Luksch (In G.), R. Meixner (Auf nach G.), E. Track (Mein G.) und Franz Zachhalmel (Mein liebes G.).


Literatur
J. Hagenauer, 850 Jahre G. 1140–1990, 1990; J. Hagenauer, G. Eine Dt.-Ordens-Pfarre im Weinland 2002; M. Distl, Der Männergesangverein G., Dipl.arb. Wien 1990; J. Hagenauer, G. 1800 – 1950, 2000; Ch. Fastl, „Waldigen Hang, grünendes Tal durchtön’ dt.er Sang mit mächtigem Schall!“, Diss. Wien 2003; Land der Chöre 3 (1991); J. W. Ziegler in Heimatkundliche Beilage zum Amtsbl. der Bezirkshauptmannschaft Mödling 13/1 (1977); E. Ziegler in Heimatkundliche Beilage zum Amtsbl. der Bezirkshauptmannschaft Mödling 14/3 (1978); J. Hagenauer in Heimatkundliche Beilage zum Amtsbl. der Bezirkshauptmannschaft Mödling 22/2 (1986), 22/4 (1986), 25/4 (1989), 27/1 (1991), 27/2 (1991), 29/5 (1993), 30/4 (1994), 31/2 (1995), 35/4 (1999); Erhart 1998 u. 2002; E. Kral, Taschenbuch f. dt. Sänger 1864; J. Hagenauer, Der Weinort G. Ein Führer für Gäste u. Einheimische 1997; SK 36/2 (1989), 87; Eberstaller 1955; Kataloge der Musiksammlung in A-Wn; www.chorszenenoe.at (8/2015); www.musikschule.gumpoldskirchen.at/ (8/2015); eigene Recherchen.

Autor*innen
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
11.12.2017
Empfohlene Zitierweise
Christian Fastl, Art. „Gumpoldskirchen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 11.12.2017, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0029615f
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Feuerwehrmusikkapelle Gumpoldskirchen© Feuerwehrmuseum Gumpoldskirchen
© Feuerwehrmuseum Gumpoldskirchen

DOI
10.1553/0x0029615f
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