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Dirigent, Dirigieren
Die Funktion des (hauptberuflichen) Dirigenten im heute üblichen Sinn ist erst im späteren 18. sowie im Laufe des 19. Jh.s notwendig geworden. Zuvor leitete ein Mitwirkender, zunächst oft ein Sänger, später häufiger der Cembalist bzw. Organist oder auch der (1. Violine spielende) Konzertmeister die Aufführungen. Und so waren z. B. die frühen Kapellmeister an Kirchen und Höfen keinesfalls „Dirigenten“, sondern primär (komponierende) Sänger bzw. Instrumentalisten: J. Brassart z. B. fungierte als „capelle nostre cantor principalis“ Kaiser Friedrichs III., Pierre de la Rue in Burgund als „Cantor Romanorum Regis“ (Maximilians I.), und schließlich wurde 1498 mit G. Slatkonia ein Kaplan und Cantor erster Wiener Hofkapellmeister. Erst im späteren 18. Jh. „dirigierten“ die Kapellmeister bisweilen, wenngleich man nach wie vor viele Aufführungen vom Konzertmeisterpult (wie L. und W. A. Mozart) oder vom Tasteninstrument aus (wie W. A. Mozart oder J. Haydn) leitete.

Trotz steigender Bedeutung des Dirigierens wurde diese Tätigkeit aber nach wie vor von Komponisten oder Instrumentalisten ausgeführt (so z. B. von Hofkapellmeister A. Salieri, von L. v. Beethoven oder F. Liszt), eine spezielle Ausbildung zum Dirigenten gab es nicht. Insbesondere die privaten, dilettierenden bürgerlichen Orchester- und Chorvereinigungen wurden dann aber in erhöhtem Maße von Dirigenten geleitet, die keine professionellen Musiker waren; sie waren die ersten „ausschließlichen“ Vertreter ihrer Zunft. In der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde etwa sind hier (für die Zeit ab 1812) u. a. der Beamte des Obersthofmeisteramtes I. F. (v.) Mosel (er hat als einer der ersten einen Dirigentenstab benützt), der Rechnungsrat der k. k. Familiengüterverwaltung V. Hauschka, der Hofrat des Hofkriegsrates R. G. Kiesewetter, der Hof- und Gerichtsadvokat L. Sonnleithner, der Hofkammerkanzlist J. B. Schmiedel, Frh. H. E. v. Lannoy und der Hofkriegsregistrant F. Klemm zu nennen, ehe die Geiger G. und J. Hellmesberger den Stab übernahmen. Erst dann leiteten Dirigenten wie J. Herbeck, A. Rubinstein, J. Brahms, E. Kremser, W. Gericke, H. Richter, R. v. Perger, F. Löwe oder F. Schalk die Konzerte, wenngleich nach wie vor etliche von ihnen primär Pianisten oder Komponisten waren. Im Übrigen war auch der Begründer und erste Dirigent der Wiener Philharmonischen Konzerte, O. Nicolai, zunächst Sänger, Gesangspädagoge und Komponist, ehe er zum Kapellmeister mutierte.

Eine institutionalisierte Ausbildung zum Dirigenten wurde als „Kapellmeisterschule“ erst nach der Übernahme des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde durch den Staat (Hochschule für Musik und darstellende Kunst) 1909 ins Leben gerufen und bis 1919 von F. Schalk geleitet. Ihm folgten zunächst (u. a.) H. Reichenberger und Dirk Fock, später O. Kabasta (1933–35), J. Krips und F. Weingartner (1935–38), ehe die Reichshochschule (ab 1939) die Kapellmeisterschule L. Reichwein (1940–45) und das Akademieorchester K. Wöß (1938–45) anvertraute. Bereits seit dem Schuljahr 1905/06 existierte eine Chor- und Chordirigentenschule, der bis 1922 E. Thomas vorstand; danach übte (bis 1938) F. Habel diese Funktion aus, 1939–45 war es R. Winter. Daneben unterrichtete F. Großmann seit 1933 Chorleitung und Dirigieren für Musikerzieher, 1948 gab er diese Aufgabe an H. Gillesberger weiter, der der MHsch. dann bis 1980 (zuletzt an der Abteilung Kirchenmusik) angehörte. Die Chordirigentenausbildung lag 1946–72 in den Händen von Reinh. Schmid, 1973 folgte hier G. Theuring.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Leitung der Kapellmeisterschule 1946 H. Swarowsky übertragen, der ihr bis 1974/75 vorstand, daneben unterrichteten zunächst J. Krips und M. Zallinger-Thurn (1948/49) sowie C. Krauss (1949–51); 1977–92 hatte O. Suitner die Leitung inne, seit 1989 besitzt Uros Lajovic diese Funktion. – Eine zweite Ausbildungsklasse für „Dirigieren“ ging an K. Österreicher (1956–93), dem (ab 1992) L. Hager folgte.

Am Salzburger Mozarteum wurde erst 1917 eine Kapellmeisterschule ins Leben gerufen, die (zunächst bis 1938) B. Paumgartner leitete, der auch international zu den führenden Mozart-Dirigenten zählte. In den NS-Jahren der Reichshochschule für Musik lehrte C. Krauss Dirigieren, nach 1945 folgten Max Hochkofler, P. Walter, Rob. Wagner und H. v. Schmeidel, ehe ab 1953/54 wieder Paumgartner federführend wurde und (neben dem „Leiter“ G. Wimberger) bis 1959 die „Oberleitung“ der Dirigier-Ausbildung innehatte. Nach seiner Emeritierung führte Wimberger die Kapellmeisterschule bis 1981. Ihm folgten zunächst rasch wechselnde Gastprofessoren, dann M. Gielen (1987–95) und schließlich (ab 1998) Dennis Russel Davies. Die Chorleiter-Ausbildung wurde nach dem Krieg v. a. von Kurt Prestel, Walter Hagen-Groll (1986–95) und (ab 1996) Karl Kamper geführt. Dirigier-Lehrer für die Musikpädagogen ist Herbert Böck.

In Graz entwickelte sich aus Konservatorium und Landesmusikschule 1963 die Akademie für Musik und darstellende Kunst, an der zunächst M. Heider (bis 1975) Dirigieren unterrichtete. Ihm folgten M. Horvat (1975–90), Martin Turnovsky (1990–96), wechselnde Gastprof.en und schließlich (ab 2001) M. Sieghart. Die Chordirigenten-Ausbildung leitete von Beginn an K. E. Hoffmann, nach seiner Emeritierung (1996) wurde (nach einigen Jahren des Übergangs) 2000 J. Prinz sein Nachfolger. Die Musikpädagogen unterrichtet Kurt Neuhauser.

Erwähnung finden muss schließlich noch die Tatsache, dass auch an einigen österreichischen Konservatorien Dirigieren unterrichtet wird.


Literatur
G. Schünemann, Geschichte des Dirigierens 1913; R. Lach, Geschichte der Staatsakademie und Hsch. für Musik und darstellende Kunst in Wien 1927; E. Tittel, Die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien 1967; O. Kolleritsch/F. Körner (Hg.), [Fs.] Hsch. für Musik und darstellende Kunst in Graz 1974; K. Wagner, Das Mozarteum 1993; MGÖ 1–3 (1995); MGG 2 (1995).

Autor*innen
Hartmut Krones
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Hartmut Krones, Art. „Dirigent, Dirigieren‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cbc5
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