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Carltheater
Vorstadttheater in Wien. 1781 wurde das Theater in der Leopoldstadt (Wien II, Jägerzeile, heute Praterstraße 31) unter der Leitung von K. Marinelli eröffnet. Auf dem Spielplan standen v. a. Wiener Volksstücke von C. F. Hensler und J. Perinet sowie Zauberspiele. Am 26.12.1838 wurde das Theater vom neuen Pächter und gleichzeitigen Direktor des Theaters an der Wien, C. Carl, wiedereröffnet. Am 7.5.1847 fand die letzte Vorstellung statt, in nur 7 Monaten wurde an derselben Stelle nach Plänen von Eduard van der Nüll (1812–68) und August Sicard von Sicardsburg (1813–68) ein Neubau errichtet und am 10.12.1847 als k. k. priv. Carltheater eröffnet. Carl leitete das modern ausgestattete Theater (Gasbeleuchtung) bis 1854 und spielte v. a. Lustspiele und Vaudevilles. 1854–60 war J. N. Nestroy Pächter. In seine Direktion fallen die für die Entwicklung der Wiener Operette bedeutsamen Aufführungen von Werken J. Offenbachs, die von C. Binder für das C. eingerichtet und instrumentiert wurden (Verlobung bei der Laterne 1958, Orpheus in der Unterwelt). Als erste Operette F. v. Suppès wurde am 24.11.1860 Das Pensionat aufgeführt. Weitere Pächter waren Gustav Brauer (1817–78) und der Theatermaler Moritz Lehmann (1819–77), die v. a. das Schauspielrepertoire pflegten. 1863–66 leitete der auch als Schauspieler und Regisseur tätige C. Treumann das Theater. Wiener Komponisten versuchten sich an einaktigen Operetten: G. Zaytz, Robert von Hornstein, A. M. Storch, am erfolgreichsten aber war Suppè (Flotte Bursche 1863, Die schöne Galathée 1865, Leichte Kavallerie 1866). Während der Direktion Anton Ascher (1820–84) dirigierte Offenbach seine Werke mit großem Erfolg (z. B. 1867 die 100. Aufführung der Schönen Helena), die Werke Nestroys erlebten eine Renaissance. Zweimal leitete F. Jauner das C. 1872–78 erlebte das Theater unter seiner Leitung eine Glanzzeit mit Werken von Offenbach (Prinzessin von Trapezunt), Charles Lecocq (Madame Angot 1874, Giroflé-Girofla 1875), Suppè (Fatinitza 1876, Der Teufel auf Erden 1878) und J. Strauß Sohn (Prinz Methusalem 1877). Danach folgten als Direktoren Franz Tewele (1842–1914) mit Operetten von C. Zeller und C. M. Ziehrer sowie französischen Lustspielen; Friedrich Strampfer (1823–90); Carl Tatárczy (1835–88) mit Sprechstücken und Operetten von J. N. Brandl, R. Dellinger und C. Millöcker; F. Steiner mit Werken von J. Hellmesberger jun., R. Genée und A. Czibulka in Ensuite-Aufführungen und C. Blasel mit französischen Salonstücken sowie Operetten von Ch. Weinberger und K. Komzak. In seiner zweiten Direktion (1895–1900) ließ Jauner den Zuschauerraum restaurieren, das Theater modernisieren und eine elektrische Beleuchtung installieren. Allerdings konnte er an seine einstigen Erfolge nicht mehr anschließen. Neben der Operette (u. a. Die Geisha von Sidney Jones, Wiener Blut von J. Strauß Sohn/Ad. Müller jun.) standen auch Theaterstücke der Moderne (H. Bahr, Arthur Schnitzler) auf dem Programm; wegen finanzieller Misserfolge schied Jauner freiwillig aus dem Leben. Dann folgten Andreas Amann (1843–1927), bis 1907 gemeinsam mit L. Müller, ab 1907–09 mit S. Eibenschütz. Nach 1900 erlebte das C. eine Glanzzeit der silbernen Ära der Operette, es gab 40 Premieren von 31 Komponisten: 1902 Der Rastelbinder von F. Lehár, 1905 Die Schützenliesl von E. Eysler, 1907 Der Walzertraum von O. Straus, 1908 Die geschiedene Frau von L. Fall sowie Werke von C. M. Ziehrer, H. Reinhardt, G. Jarno und O. Nedbal (Polenblut 1913). 1900 wurde A. v. Zemlinsky als Operetten-Dirigent an das C. engagiert.

Als letzte Direktorin (1924–29) konnte auch die Operettensängerin D. Keplinger-Eibenschütz nicht an die früheren Erfolge anschließen. 1925 hatte das Theater einen Fassungsraum von 1121 Personen, 1926/27 wurde es nicht, danach noch kurz bespielt, 1929 endgültig geschlossen. Während des Zweiten Weltkrieges drehte Willy Forst 1940 in dem verlassenen Theater seinen Film Operette. 1944 durch Bomben zerstört, wurde die Ruine des Theaters 1951 abgetragen.


Literatur
Czeike 4 (1995); F. Hadamowsky, Wien. Theatergeschichte 1994; F. Hadamowsky, Das Theater in der Wiener Leopoldstadt 1781–1860, 1934; L. Rosner, Fünfzig Jahre Carl-Theater 1897; R. Holzer, Die Wiener Vorstadtbühnen 1951; R. Groner, Wien wie es war 51965.

Autor*innen
Andrea Harrandt
Letzte inhaltliche Änderung
9.11.2022
Empfohlene Zitierweise
Andrea Harrandt, Art. „Carltheater‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 9.11.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001caa5
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Auftritt des „Schlierseeʼr Bauerntheaters“ im Carltheater (Wiener Bilder, 21.6.1896, 8)© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x0001caa5
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