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Benediktinertheater
Das wesentlich von hauseigenen Kräften getragene Theater der Benediktiner von der Gegenreformation bis zur Aufklärung. Das B. ist dem Bereich der klösterlichen Festkultur (Klosterkultur) und der Schule zuzuordnen. Verwandt: Applausus (szenisch und nichtszenisch), Dialogus, Deklamation, Weihnachtsspiel (Geistliche Spiele), Ölbergkantate, Fastenoratorium (letztere führen die Tradition des Mysterienspiels weiter). Es entstand unter dem Eindruck des Jesuitentheaters, dessen gegenreformatorische Tendenz es aber nicht teilt. In der Aufklärung wurde es durch landesherrliche Dekrete aufgehoben. Um 1800 erlosch auch seine Sonderform, die „Klosteroperette“.

Mit der Gründung des Gymnasiums 1617 und der Univ. in Salzburg erhielt das B. seine zentrale Pflegestätte. 1618 wurde die Tradition der Finalkomödien (Schuldrama) eröffnet, die bis zum Verbot 1776 andauerte. Von 592 Stücken sind etwa ein Viertel Finalkomödien. Der Rest war durch Jubiläen, hohe Besuche oder den Fasching veranlasst, falls es sich nicht um Übungsstücke oder um Stücke in der Tradition des Mysterienspiels handelte. Träger der Aufführung waren im Kern die Schüler der Gymnasialklassen. Die Leitung oblag dem Pater comicus. Hauptspielstätte war seit 1631 die Aula maior, zuerst mit Telari-System, 1660 mit einer Kulissen-Bühne ausgestattet. Unter den Stoffen ragen solche der profanen, besonders der nationalen Geschichte als benediktinisches Spezifikum hervor. Sturm charakterisiert das B. deshalb als „bodenständigere Art des Schuldramas“. Damit hängt wohl auch die frühe Pflege der Dialektdichtung zusammen.

Den „Dialogi“ nahe stehen die kleineren, zweiteilig antithetischen oder revueartig gereihten Stücke des 17. Jh.s. Den Höhepunkt erlangt diese Gattung bei Wolfgang Rinswerger. Die Finalkomödien waren zuerst in der Regel drei- oder fünfaktig, mit Prolog, Chören und Epilog. Im 18. Jh. bestanden sie aus drei ineinandergeschachtelten Werken: dem lateinischen Schauspiel, der meist lateinischen Oper und dem deutschen Interludium. Diese Form, deutlich ausgeprägt bei Marian Wimmer, ist in Melk als Ludi caesarei bekannt und hat ihr Vorbild im Wiener Jesuitendrama. Bei den Intermedien kann man drei Phasen unterscheiden: eingeschobene komische Auftritte der Nebenpersonen, Interkalarszenen und (seit 1665) echte Interludien mit geschlossener, die Haupthandlung allegorisch ausdeutender Handlung. In der letzten Phase dominieren Pantomime und Singspiel, von Florian Reichssiegel besonders gepflegt. Die Hochzeit auf der Alm (M: M. Haydn) hat die Ausbildung der Klosteroperette entscheidend beeinflusst.

Die Musik hatte ihren Platz zuerst bei Ouvertüren, Tänzen und Märschen, Chören und Liedern. Größere Komplexe bildeten Prolog und Epilog. In den Stücken O. Guzingers und S. Rettenpachers dehnt sich die Musik zur Oper aus.

Zu 166 Stücken sind Texte erhalten. Unter den 104 bekannten Autoren, zugleich meist auch Spielleiter, manchmal auch Komponisten, befinden sich: P. Thomas Weiß, P. O. Aicher, P. O. Guzinger, P. S. Rettenpacher, P. Vitus Kaltenkrauter, P. Karl Bader, P. Coelestin Leuthner, P. Wolfgang Rinswerger, P. Anselm Desing, P. Placidus Seiz, P. Alan Ritter, P. Innozenz Deixlberger, P. Anton Moser, P. Simpert Schwarzhuber, P. Placidus Scharl, P. Marian Wimmer, P. Rufin Widl, P. Florian Reichssiegel. Komponisten waren meist Salzburger Hofmusiker: St. Bernardi, A. Hofer, H. I. F. Biber, C. H. Biber (1 erhalten), Georg Muffat, M. S. Biechteler (1 erhalten), J. E. Eberlin (12 erhalten), L. Mozart, A. C. Adlgasser (6 erhalten), M. Haydn (7 erhalten), W. A. Mozart (1 erhalten).

St. Peter in Salzburg und Michaelbeuern hatten beinahe ihre gesamten theatralischen Aktivitäten auf die Univ. konzentriert. Bemerkenswert sind die Theateraktivitäten 1738 in der Michaelbeuern inkorporierten Pfarrkirche Obersulz. St. Lambrecht besaß Anfang des 17. Jh.s durch den Aufenthalt von drei Salzburger Ordensdramatikern starke Verbindungen zu Salzburg. Die Theaterpflege strahlte 1701 auch nach Mariazell aus.

In Kremsmünster errichtete Abt Placidus Buechauer 1647 einen Theatersaal und ernannte einen Pater comicus; die Musik wurde vom P. Regens chori beigesteuert. Der erste Pater comicus, Ernest Leopold, „hielt sich in seinen frühen Dramen keineswegs an die bekannten Jesuitendramaturgien der damaligen Zeit. Er ging vielmehr ganz andere Wege, die eher an die Tradition des Volksspieles anschließen“ (Sturm, Volksdrama). Zentrale Bedeutung für das B. hatte das Wirken P. S. Rettenpachers. Weitere Meister: P. Th. Dückern zu Haslau und P. R. Joly (zusammen mit Eberlin). Das landesherrliche Verbot der Finalkomödien 1765 bewirkte, dass italienische Opern aufgeführt und komponiert wurden. Trotzdem lieferte P. G. Pasterwiz weiterhin mit dem Dichter P. B. Plank mehrere Werke. Ende des 18. Jh.s wurde eine theatralische Begabung aus Lambach importiert (P. M. Lindemayr), eine in der eigenen Schule erzogen (F. X. Süßmayr), bevor um 1800 das Theaterleben abklang.

Als früheste barocke Aufführung in Lambach ist ein deutsches Stück von 1696 bekannt. Aus der Glanzzeit ist noch der Theatersaal von 1770 erhalten, dazu 12 Bühnenbildentwürfe. „In P. Maurus Lindemayr besaß das Stift einen Dramatiker von hoher dichterischer Begabung, der v. a. durch seine volkstümlichen Dialekt-Komödien überlokalen Ruf erlangte“ (Fuhrich). Er arbeitete v. a. mit Joseph Langthaller, aber auch mit J. M. Haydn, P. F. Sparry und F. J. Aumann zusammen.

In Seitenstetten ist die erste sichere Aufführung 1628 belegt. 1744 erhielt das Stift eine Bühne mit 10 Typendekorationen. Bedeutend war P. N. Pampichler, der auch auf dem Sonntagberg/NÖ inszenierte.

In Melk dauerte die Tradition der Finalkomödien von 1692 (erster Beleg) bis 1782 (Beendigung durch landesherrliches Dekret). Zwei Theaterräume sind bekannt: das Comödihaus von 1719 und das „Hauer“-Theater von 1726. 1701 komponierte J. J. Fux den Neo-Exoriens Phosphorus. Für einen Kaiserbesuch 1765 wählte der Abt aus mehreren Partituren ein Stück von P. B. Schuster, dem fruchtbarsten Melker Theaterdichter, und J. G. Albrechtsberger. Das Melker Theater besaß wenige Verbindungen zu Salzburg und war stark nach Krems und Wien hin orientiert.

Göttweig ist ein Sonderfall: „Da das Stift kein Gymnasium unterhielt, beschränkten sich die Aufführungen dramatischer Werke auf die seltenen Jubiläen der Äbte“ (Riedel). 1677 wurde die Favola pastorale Endimione Festeggiante gegeben, mit Text von Abt Johann Dizent und Musik von A. Poglietti. Im 18. Jh. wirkten P. Urban Schaukögl und J. G. Zechner.

In Admont sind seit 1652 dramatische Aufführungen belegt. Abt Anselm Lürzer (1707–1718) errichtete einen Bau für das Schultheater. Das Theaterleben in St. Paul ist nicht erforscht. Fruchtbar war die Tätigkeit des P. Ambrosius Eichhorn in Klagenfurt ab 1807.

St. Georgenberg-Fiecht besaß in P. E. Angerer und P. M. Goller wichtige Meister der Klosteroperette. Letzterer komponierte auch zwei biblische Opern.

Gegenwärtig hat in Melk P. Martin Rotheneder mit dem Autor Thomas Foramitti (1989 Kinder-Musical Benni oder Steine blüh’n) die Tradition des B.s wieder aufgenommen.


Literatur
H. Boberski, Das Theater der Benediktiner an der alten Univ. Salzburg (1617–1778), 1978; H. Boberski in Studien und Mitteilungen des Benediktiner-Ordens 86 (1975); S. Dahms, Das Musiktheater des Salzburger Hochbarocks (1668 bis 1709) 1, Diss. Salzburg 1974; K. W. Drozd in G. Moro (Hg.), Festgabe zur 150-Jahr-Feier der Wiederbesiedlung des Benediktinerstiftes St. Paul im Lavanttal 1959; Freeman 1989; F. Fuhrich, Theatergeschichte Oberösterreichs im 18. Jh. 1968; J. Haider, Die Geschichte des Theaterwesens im Benediktinerstift Seitenstetten in Barock und Aufklärung 1973; E. Hintermaier in G. Ammerer et al. (Hg.), [Fs.] H. Dopsch 2001; V. Keil-Budischowsky in Österreichische Zs. für Kunst und Denkmalpflege 39 (1985); Kellner 1956; F. Mayr, Die mundartlichen Klosteroperetten von Maurus Lindemayr und seinen Zeitgenossen, Diss. Wien 1930; P. Th. Naupp in 850 Jahre Benediktinerabtei St. Georgenberg Fiecht 1987; W. Rainer in Maske und Kothurn 38 (1997); F. W. Riedel in FAM 13 (1966); F. W. Riedel in [Kat.] 900 Jahre Stift Göttweig 1083–1983, 1983; A. Sturm, Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jh., 1964; P. C. L. Theininger OSB, Theatergeschichtliches aus dem Stifte Admont, Diss. Graz 1925; S. W. Tönig, Das Schul-Theater zu Kremsmünster, Diss. Wien 1932; O. Wonisch, Die Theaterkultur des Stiftes St. Lambrecht 1957.

Autor*innen
Petrus Eder
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Petrus Eder, Art. „Benediktinertheater‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f845
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